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Weltmeister Schlosser: Tüftler und Perfektionist

Markus Schlosser hat sich nach 31 Jahren im Seitenwagenrennsport den Weltmeistertitel gesichert und holte die Krone 27 Jahre nach Rolf Biland in die Schweiz zurück. Doch es hätte schon früher klappen müssen, ist der zielstrebige Berner überzeugt.

Mit 14 Jahren war Schlosser im Seitenwagen seines Vaters erstmals bei Veteranenrennen angetreten. Als 19-Jähriger bestritt er seine erste Saison als Pilot und fuhr in der Seitenwagen-Schweizer-Meisterschaft gleich aufs Podest (Rang 3). Mit 20 wurde er erstmals Schweizer Meister und mit 21 schien die Karriere nach einem schweren Unfall an der Europameisterschaft schon fast beendet.

 

 

Doch Schlosser rappelte sich wieder auf, fuhr einen weiteren SM-Titel ein und fokussierte sich ab 1995 auf die WM. «Da wird ganz anders gefahren: Dort leben viele vom Rennenfahren – es geht um Leben und Tod!»

Begrenztes Budget

Schlosser ist aber ein fairer Fahrer, der sich bemüht, Material und Gesundheit zu schonen: «Zerstören wir den Töff, ist die Saison gelaufen, denn wir bezahlen alles selbst.» So zwangen die Finanzen den gelernten Motorradmechaniker immer wieder zum Pausieren, um das Budget für eine nächste Saison zusammenzukratzen. Dies etwa, als die Seitenwagen-WM 2000 von Zweitaktern auf Viertakter umgestellt wurde. Doch Schlosser kam immer wieder zurück: «Der Drang, Rennen zu fahren, war zu gross, sodass ich 2004 wieder in die günstigere IDM (Red.: Internationale Deutsche Meisterschaft) eingestiegen bin.» Nach den ersten vier IDM-Titeln, diversen WM-Saisons und weiteren Pausen kehrte Schlosser 2016 zurück in die WM und war sogleich auf Titelkurs: «Doch in Oschersleben blieben wir in der letzten Runde mit kochendem Benzin stehen. Ich war so frustriert, dass ich beim Finale in England gar nicht mehr antrat.»

 

Zusammen mit Passagier Marcel Fries fuhr Markus Schlosser 2020 seinen sechsten Titel in der IDM ein.

 

6 IDM-Titel und die WM-Krone

Nach den Titeln in Deutschland und Holland pausierte Schlosser 2018 erneut. «Es war der Wechsel von den 1000ern auf die 600er, den ich nicht direkt finanzieren konnte. So sammelte ich als Betreuer anderer Teams Erfahrungen, um dann 2019 mit Marcel Fries in die WM zurückzukehren.» Nach WM-Rang 4 und Rang 2 in der IDM holte sich Schlosser mit Fries 2020 seinen sechsten IDM-Titel, 2021 folgte die Krönung der Karriere mit dem WM-Titel. Als Amateursportler bezwangen er nicht nur die besten Profiteams aus der Seitenwagenhochburg England, sondern als Tuner auch die etablierte englische Industrie.

 

Schlosser/Fries: Ein starkes Team, das die starke Konkurrenz bezwingen konnte.

 

 

moto.ch: Herzliche Gratulation zum Weltmeistertitel! Was war für den Titelgewinn ausschlaggebend?

Markus Schlosser: Wir wären letztes Jahr bereits Meister geworden, wenn die WM nicht abgesagt worden wäre. Wir hatten die Technik, also speziell das Zündsystem des Yamaha-Supersport-Motors, auf den neusten Stand gebracht, mit dem die Engländer schon lange unterwegs sind. Das machte pro Runde sofort 1,5 Sekunden aus. Wir holten 2020 stattdessen den Titel in der IDM, in der alle WM-Teams antraten. Ich wusste also, dass wir es schaffen können, dass wir aber gerade acht Rennen gewinnen würden, hätte ich dennoch nicht gedacht.

 

Was sind eure Stärken und Schwächen?

Da wir alles selber machen und bezahlen müssen, gehe ich jeweils nicht sofort aufs Ganze. Das kann nachteilig sein. Im Rennen drehe ich stetig auf und bin beim Ressourcenmanagement der Beste. Das Rennen wird nicht in der ersten, sondern in der letzten Runde gewonnen.

 

Die Saison wurde mit dem Finale, als doppelte Punkte vergeben wurden, nochmals spannend. Hast du nie am Titelgewinn gezweifelt?

Als im ersten Rennen der Reifen zerstört war, hatte ich kurze Zweifel. Wir hatten 2016 den Titelgewinn schon knapp verpasst. Dank grossem Punktevorsprung klappte es diesmal jedoch. Es ist unbeschreiblich, das Ziel erreicht zu haben, dem ich 31 Jahre nachgeeifert bin. Das Gefühl war gewaltig! Uns wurde nichts geschenkt. Wir haben uns den Titel hart erarbeitet und ihn verdient gewonnen! Die Reaktionen waren gewaltig. All die grossen Weltmeister der vergangenen Jahre haben uns gratuliert, allen voran Rolf Biland, der sich speziell gefreut hat. Von den Medien kam aber leider wenig. Es schlug nur kurz Wellen.

 

Beim WM-Finale verunsicherten Reifenprobleme die Schweizer auf dem ansonsten fehlerfreien Weg zum Titelgewinn.

 

Und wie geht es jetzt weiter?

Es ist immer dasselbe: Wir sind am Geldsuchen! Es ist verrückt, selbst als Weltmeister hat sich daran nichts geändert. Kriege ich das Budget jedoch nicht zusammen, beende ich meine Karriere und beschränke mich auf den technischen Support von interessierten Teams. Ich würde gerne mit der Nummer 1 auf dem Gespann fahren. Sponsoren sind gesucht!

 

Du bist in der Goldenen Zeit in die WM aufgestiegen. Wie hat sie sich seither entwickelt?

Als ich angefangen habe, floss noch goldener Honig. Da verdienten wir mit Start- und Preisgeldern. (Red.: bis 1995 Teil des GP-Zirkus). Heute gibt es nichts mehr! In England ist noch viel Geld im Spiel, denn da gibt es TV-Übertragungen. Hätten wir in der WM Fernsehübertragungen, gäbe es sofort mehr Sponsorengelder. Das Interesse wäre noch da, doch die FIM gibt nicht einmal die Rechte für einen Live­stream frei. Das ist für uns natürlich furchtbar.

 

War Marcel Fries auch ein entscheidender Faktor zum Erfolg?

Marcel ist der beste Beifahrer, den ich je gehabt habe. Denn es harmoniert nicht nur auf dem Töff, sondern auch menschlich. Wir betreiben den Sport als Amateure und opfern viel dafür.

 

Die Schweizer würden gerne mit der Nummer 1 nochmals die WM bestreiten, doch die Sponsorensuche gestaltet sich selbst als Weltmeister schwierig:

 

Ihr habt für den Schweizer Konstrukteur Louis Christen (LCR) den 36. WM-Titel eingefahren. Was zeichnet seine Gespanne aus?

LCR steht für Schweizer Qualität, Hightech und ­Zuverlässigkeit. Ich darf es fast nicht sagen, doch wir haben die WM mit einem elf Jahre alten LCR-Chassis gewonnen! Das zeichnet Louis Christen aus.

 

Ihr habt den Seitenwagensport in der Schweiz wieder aufgewertet. Was sagst du einem Jungen, der auch einsteigen will?

Das ganze Equipment kostet unheimlich viel. Doch der Sport ist unbeschreiblich faszinierend. Die Fahrdynamik durch die Asymmetrie ist einmalig und eine begeisternde Herausforderung. Es ist ein Teamsport, du kannst Erfolge zusammen erleben und teilen.

 

KARRIERE-HIGHLIGHTS

Markus Schlosser (24.1.72)
1986 SW-Veteranenrennen als Plampi
1990 Sidecar-SM als Plampi
1991 Sidecar-SM (Fahrer), Rang 3 (mit B. Hänni)
1992 Sidecar-SM, Schweizer Meister (B. Hänni)
1994 Sidecar-SM, Schweizer Meister (G. Cavadini)
1998 Seitenwagen-WM, Rang 3 (D. Hauser)
2004 Seitenwagen-IDM, Rang 2 (J. Ruckli)
2006 Sidecar-IDM, Deutscher Meister (B. Wagner)
2007 Sidecar-IDM, Deutscher Meister (A. Hänni)
2007 Sidecar-WM, Rang 3 (A. Hänni)
2009 Sidecar-IDM, Deutscher Meister (A. Hänni)
2010 Sidecar-IDM, Deutscher Meister (T. Hofer)
2017 Sidecar-IDM, Deutscher Meister (T. Hofer)
2017 Sidecar-NL, Holländischer Meister (T. Hofer)
2019 Sidecar-IDM, Rang 2 (M. Fries)
2020 Sidecar-IDM, Deutscher Meister (M. Fries)
2021 Sidecar-WM, Weltmeister (M. Fries)

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