Test: ContiAttack SM 2
Als ContiAttack SM 2 geht der reine Supermoto-Reifen von Conti in seiner inzwischen dritten Entwicklungsstufe an den Markt. Stresstest auf Strasse und Rundkurs.
Die von modernen Motorradreifen gebotene Spreizung ist erstaunlich. So funktioniert eine Spezifikation heute genauso an einem 300-Kilo-Sporttourer bei Highspeed auf der deutschen Autobahn wie – freilich in kleineren Dimensionen – auf einem quirligen 150-Kilo-Einsteigertöff in der City. Ganz ohne Kompromiss geht das allerdings nicht. Und das weiss man auch bei Conti in Hannover, was vor 13 Jahren zur Lancierung des ContiAttack SM und damit eines reinen Supermoto-Reifens geführt hat.
«Ein Reifen für leichte, aber leistungsstarke Supermotos muss völlig andere Anforderungen erfüllen als ein Touring- oder Sportreifen. Hier zählen optimale Stabilität und Dämpfung bei permanenten Wechseln zwischen extremem Bremsen und brachialem Beschleunigen», ist Conti-Produktmanager Raphael Michels überzeugt.
2018 reichte Conti den ContiAttack SM EVO als Update nach und jetzt – weitere sechs Entwicklungsjahre später – den taufrischen ContiAttack SM 2. Doch bevor wir der Reifenpaarung im Sattel einer KTM 690 SMC R im Salzburgerland auf der Rennstrecke und auf der Landstrasse gehörig die Sporen geben, wollen wir uns die technischen Innovationen zu Gemüte führen.
ContiAttack SM 2: praktisch rundum neu
Vom EVO übernommen wurden die Nullgrad-Stahlgürtelkonstruktionsweise (keine Deformierung bei Highspeed) sowie die «TractionSkin»-Technologie, bei der die Vulkanisationsform via Laser so graviert wird, dass der Reifen bereits aufgeraut aus der Vulkanisationspresse kommt, was das Einfahren hinfällig macht.
Komplett neu sind dagegen der Einsatz des «Black Chili»-Compounds sowie die Profilgestaltung. Ersteres bezeichnet die Premium-Gummimischung von Conti, welche die hochwertigsten, aber auch am schwierigsten zu prozessierenden und teuren Chemikalien beinhaltet. Darunter auch den Füllstoff Silika. Alles in allem resultiert so eine Mischung mit vergrössertem (nicht nur verschobenem) Arbeitsfenster, was Zielkonflikte wie etwa kurze Warmlaufphase und Grip versus Kilometerleistung.
Slick-Zonen für mehr Grip und Laufleistung
Das Profil wurde dahingehend angepasst, dass erstens in der Laufflächenmitte (mehr Laufleistung) und an den Schultern (mehr Grip) eine profillose Slick-Zone eingearbeitet wurde. Andererseits wurden an neuralgischen Stellen nicht nur tiefere Profilrillen implementiert, sondern es wurde auch mehr Gummi aufvulkanisiert, was ebenfalls der zu erwartenden Laufleistung zuträglich ist.
Die letzte grosse Innovation des SM 2, dessen Laufflächen nach wie vor nur eine Mischzone (hinten russvestärkt) aufweisen, findet sich beim Feedbackvermögen. Und zwar wurden die Seitenwände dünner und die Kernfahnen verkürzt. Die Seitenwände sind damit flexibler, was zu einer grösseren Kontaktfläche zum Asphalt, mehr Walkarbeit und einer schneller erreichten Betriebstemperatur führen soll. Mit dem Plus an Eigendämpfung habe man zudem ein optimiertes Feedback an der Haftgrenze erwirkt.
Rastenkratzen auf dem Track mit dem ContiAttack SM 2
ÖAMTC Experience Center Saalfelden – ein kleiner, aber feiner und flüssiger Rundkurs. Schon nach einer halben Runde fühle ich mich wohl, alles wirkt natürlich und homogen. Und bei aktuell 25 Grad Lufttemperatur ist der SM 2 im Nullkommanichts auf Betriebstemperatur. Durch die mit Pylonen eng abgesteckte, aber mit viel Schwung gefahrene Schikane schwingt die 690er mit atemberaubender Präzision und einer Leichtfüssigkeit, die schon fast an Unverschämtheit grenzt. Gleichzeitig bleibt sie nach dem Umlegen aber vorbildlich stabil. Als Nächstes geht’s in eine schnelle Rechtskurve.
Egal, ob ich sie im Hang-off oder im traditionellen Sumo-Stil nehme – das Vertrauen für die Front bei der Durchfahrt in Vollschräglage und beim Rausbeschleunigen an der Hinterhand ist famos. Und so steigere ich laufend die Schräglage und bremse immer später. Apropos: Beim harten Ankern überzeugen sowohl Feedback wie Gripvermögen. Und beim Lösen der Bremse gibt‘s keinerlei Kapriolen. Wobei der SM 2 auch ein anständiges Mass an Eigendämpfung bietet. Und wenn es ihm hinten einmal zu viel wird, dann schmiert er gütig und berechenbar weg.
Auch kleine Dimensionen verfügbar
Sie sagten noch, dass wir uns mit der 390 Duke mit 110/150er-Reifenpaarung köstlich amüsieren würden. Und «Heiland Donner», sie hatten recht! Mit den 45 PS gibt es auf dem SM 2 eigentlich keine Grenzen. Schräglagen, bis die Fussrasten kratzen, sind kein Problem, und am Kurvenausgang wird mit Elan auf Durchzug gestellt. Auch auf der Bremse vermittelt die 110er-Dimension sehr viel Vertrauen und lenkt mit aktivierter Schubumkehr neutral ein.
Strasse: Kaum ans Limit zu bringen
Auch auf der Landstrasse überzeugt der SM 2 und bietet viele Reserven. Er verhält sich ausgesprochen homogen, neutral und bietet durchaus einen gewissen Komfort, sodass die insgesamt 260 Kilometer auf dem harten KTM-Sitzbrett doch gut auszuhalten waren. Top ist auch, dass der SM 2 kaum auf Längsrillen reagiert.
Und so haben wir es auf unseren Supermotos mit einer High-End-Reifenpaarung zu tun, die im Trockenen kaum ans Limit zu bringen ist. Und auch beim (im Jahr 2024 obligatorischen) Platzregen liess sich der SM 2 nicht aus der Ruhe bringen und machte im Gegenteil sogar Lust auf mehr als das von unserem Guide vor¬gegebene und nicht wirklich zögerliche Tempo.
Exkurs: Mehr Laufleistung und Dimensionen für die Grossen und die Kleinen
Betrachtet man das Spinnendiagramm, das die Performance des SM 2 (gelbe Linie) im Vergleich mit dem Vorgänger EVO illustriert, sticht insbesondere die deutlich gesteigerte Laufleistung ins Auge. Und zwar sowohl vorn als auch hinten. Womit Conti gerade Töfffahrern mit überschaubarem Budget eine Freude bereitet.
Naturgemäss sind dies primär Einsteiger, und für diese (zahlenmässig wachsende) Klientel wird es vom SM 2 ab dem dritten Quartal neben den Standard-Supermoto-Dimensionen 120/70-17 und 160/60-17 erfreulicherweise auch eine 110er- (vorn) sowie eine 140/70er- und eine 150/60er-Dimension für die Hinterhand geben. Womit Besitzer etwa einer KTM 390 Duke oder eines Youngtimers vom Format einer Aprilia RS 125 einen aus unserer Sicht hervorragenden Reifen beziehen können, der auch bei leichten Töff super arbeitet.
Info: continental-reifen.de