Taveri, Biland & Lüthi
In der Schweiz sind Rundstreckenrennen seit dem Le-Mans-Unfall von 1955 mit 84 Toten und 200 Schwerverletzten verboten. Trotzdem mischt die kleine Schweiz seit Jahrzehnten im Grand Prix kräftig vorn mit. Die drei grössten Helden heissen Luigi Taveri, Rolf Biland und Tom Lüthi.
Der erste Schweizer Töff-Megastar war der 2018 verstorbene Luigi Taveri. Er gewann die 125er-WM in den Jahren 1962, 1964 und 1966 auf Viertakt-Werks-Hondas mit vier oder gar fünf Zylindern und Drehzahlen jenseits von 20 000/min. Taveri schaffte 30 GP-Siege, 89 Podestplätze und 28 schnellste Rennrunden.
Nach der Taveri-Ära hielten Fahrer wie Bruno Kneubühler, der in den 1970er-Jahren dreimal Vizeweltmeister (2× 125 cm3, 1× 50 cm3) und 1972 sensationeller Dritter der 500er-Klasse hinter dem MV-Werksteam mit Agostini und Pagani wurde, Hans Müller, Roland Freymond, Marco Gentile, Michel Frutschi, Philippe Coulon, Stefan Dörflinger (4 WM-Titel 1982 – 1985, 2× 50 cm3, 2× 80 cm3, 18 GP-Siege auf Kreidler, Krauser und Zündapp) und Ende der 1980er-Jahre vor allem Jacques Cornu (3 GP-Siege 1988 und 1989) die Schweizer Solo-Fahne hoch.
Sidecar-Papst Biland
Noch erfolgreicher waren in der Zeit nach Taveri die Seitenwagen-Artisten. Rolf Biland schaffte 7 WM-Titel und grandiose 82 GP-Siege. Die Gebrüder Güdel, Wyssen, Zurbrügg, Schlosser/Hänni und andere Schweizer Duos sorgten für weitere GP-Triumphe und zahllose Podestplätze für die Dreirad-Nation Schweiz.
Nach der Cornu-Ära hingegen herrschte in den GP-Soloklassen mehrheitlich Flaute aus Schweizer Sicht. Doch 2005 begann die Neuzeit. In diesem Jahr holte ein gewisser Tom Lüthi im zarten Alter von 19 Jahren den letzten 125er-WM-Titel für Honda und wurde im selben Jahr sogar zum Schweizer Sportler des Jahres gewählt. Damit wurde der Motorradsport wieder massentauglich.
Lüthi sei Dank
Tom Lüthi war und ist, obwohl ihm 2018 der Aufstieg in die MotoGP-Klasse gründlich misslang, mit 1 WM-Titel (125 cm3), 2 Vize-WM-Titeln (Moto2, 2016/17), 16 GP-Siegen, 57 Podestplätzen und 12 Polepositions der mit Abstand erfolgreichste Schweizer Solo-Rennfahrer der Neuzeit. In seinem Kielwasser tauchte eine neue Generation von Schweizer GP-Piloten auf. Höhepunkt war die Saison 2015, als mit Lüthi, Dominique Aegerter, Randy Krummenacher, Jesko Raffin und Robin Mulhauser gleich fünf helvetische Fahrer am Start standen. Nur Spanien und Italien stellten damals mehr Fahrer in die Startaufstellung der Moto2-Klasse.
Wer folgt auf Lüthi?
Was die Zukunft bringen wird, steht in den Sternen. Sicher ist, dass die Ära Lüthi – er ist seit 2002 im GP-Sport dabei – irgendwann zu Ende gehen wird. Mit 32 Jahren gehört der Berner wie Valentino Rossi (40) zu den GP-Senioren. Wenn die Moto2-Titeljagd 2019 ähnlich enttäuschend verläuft wie sein MotoGP-Abenteuer 2018, sind seine Tage im GP-Sport gezählt. Wir hoffen auf ein erfolgreiches Comeback.
Ähnliches gilt für Domi Aegerter, der den Verbleib in der Moto2-Klasse nur noch durch Internet-Crowdfunding und Anzapfen persönlicher Reserven finanzieren konnte.
Hinter Lüthi und Aegerter warten Newcomer wie Marcel Brenner (21), Jason Dupasquier (17) und Noah Dettwiler (13). Auch Jesko Raffin (22) hofft nach seinem zweiten Moto2-EM-Titel auf eine Rückkehr in die Moto2-WM. Ins GP-Paddock hat er es immerhin schon wieder geschafft: Er ist 2019 wie Lüthi im Dynavolt-Intact GP-Team, tritt im neuen MotoE-Cup an und ist erster Moto2-Ersatzfahrer.