Aegerter in Misano: 7. Streich
Supersport-Weltmeister Dominique Aegerter hat in Misano (I) wieder voll zugeschlagen. Seinem harten Angriff in der drittletzten Kurve folgte wie beim MotoE-Finale 2021 eine Strafversetzung. Aegerter feierte dennoch seinen siebten Sieg in Folge.
Den Circuit Marco Simoncelli in Misano (I) mag Dominique Aegerter (Yamaha). 2021 hatte er hier in der Supersport-WM zweimal gewonnen. Im MotoE-Weltcup hatte er hier sein ominöses Ausbremsmanöver in der drittletzten Kurve platziert, wobei sein Konkurrent gestürzt war und wofür Aegerter von der FIM hart bestraft wurde. Doch das ist Geschichte und dieses Jahr schreibt Aegerter eine neue Geschichte.
Nach fünf Siegen reiste der 31-jährige Schweizer mit einem Vorsprung von 44 Punkten auf den Italiener Lorenzo Baldassari (Yamaha) zu dessen Heimrennen nach Misano.
Harte Arbeit im Führungskampf
Nachdem sich Weltmeister Aegerter in den Trainings vom Freitag noch mit Rang 3 begnügen musste, zeigte er am Samstag in der Superpole mit einem neuen Streckenrekord und klarem Vorsprung auf Nicolo Bulega (Ducati) und Baldassari, wen es hier zu schlagen galt.
In Rennen 1 am Samstagnachmittag war es dann jedoch Bulega, der sofort die Führung übernahm und sich gleich an der Spitze absetzte. Aegerter gab alles, um sich nicht komplett abschütteln zu lassen, konnte seinen Rückstand aber lange nicht verkürzten. Erst nach zehn Runden war Aegerter wieder am Hinterrad des Ducati-Piloten. Aegerter: „Bulegas Ducati war heute sehr schnell. Ausserdem fuhr er sehr konstant und hatte es geschafft, einen Vorsprung von zwei Sekunden herauszufahren. Obwohl ich auch in den ersten fünf, sechs Runden schnell war, konnte ich die Lücke erst schliessen nachdem ich meinen Fahrstil etwas geändert hatte.“
Durch das folgende Duell an der Spitze konnte auch Baldassari die Lücke wieder schliessen. Als sich Aegerter in der vorletzten Runde am Ende der Start/Ziel-Geraden an Bulega vorbeibremste, nutzte auch Baldassari die Chance, schob sich auf Position 2 vor und setzte sogleich Aegerter unter Druck. Anfangs letzter Runde quetschte sich der WM-Zweite im Wechsel zwischen Kurve 1 und 2 neben Aegerter, übernahm die Führung und setzte sich sogleich ein paar Zehntel ab. Erinnerungen an das MotoE-Saisonfinale 2021 in Misano wurden wach. Und tatsächlich setzte Aegerter wie damals in der drittletzten Kurve auf der engen Linie zum harten Ausbremsmanöver an. Diesmal konnte er die Linie halten, und im Gegensatz zu Jordi Torres erkannte Baldassari den Angriff und macht etwas auf.
Führung für Baldassari, Sieg für Aegerter
Damit verlor der Italiener zwar kurzzeitig die Führung, konnte aber mehr Schwung aus der Kurve mitnehmen und fand so wieder an Aegerter vorbei. Baldassari verteidigte die Spitze bis ins Ziel, wo er seinen knappen Sieg vor Aegerter und Bulega feierte.
Doch die Freude war von kurzer Dauer, denn Baldassari hatte bei seinem Konter in der vorletzten Kurve die grüne Fläche ausserhalb der Kerbs berührt und wurde von der Rennleitung wegen Übertreten der Tracklimits umgehend auf Rang 2 zurückversetzt. Stattdessen feierte der Domifighter den Sieg. Aegerter: „Auf der Auslaufrunde war ich mir zunächst nicht sicher, ob die Rennleitung ihn bestrafen würde. Im Parc Fermé habe ich die strahlenden Gesichter meines Teams gesehen. Sie haben mir gleich gesagt, dass ich der Sieger bin. Es war es ein superspannendes und geiles Rennen, auch wenn die Hitze es sehr anstrengend gemacht hat!“
Beim Start zu Rennen 2 setzte sich erneut Bulega vor Aegerter und Baldassari durch. Doch der Ducati-Pilot machte bereits in Kurve 4 einen Fehler, wurde weit herausgetragen und fiel auf Position 7 zurück. Durch diesen Fehler kam aber auch Aegerter von der Ideallinie ab, wodurch Baldassari und Yari Montella (Kawasaki) am Schweizer vorbeiziehen konnten.
Während sich Baldassari an der Spitze absetzte, drängte Aegerter vier Runden hinter dem Kawasaki-Piloten, bis er am Ende der Geraden auf der Bremse vorbeikam. Nun galt es, die Lücke zu Baldassari zu schliessen. Aegerter: „Er war heute sehr stark. Sein Tempo war unglaublich hoch und konstant. Wir fuhren tiefe Rundenzeiten, was bei dieser Hitze nicht einfach zu kontrollieren war. Wegen der hohen Asphalttemperaturen musste man mit den Reifen vorsichtig umgehen.“
Dennoch gelang es Aegerter zum Italiener aufzuschliessen. In der drittletzten Runde war er am Hinterrad von Baldassari, der diese Saison bisher als einziger Aegerter bezwingen konnte. Im Schlagabtausch mit mehreren Überholmanövern setze sich der Schweizer in der vorletzten Runde durch. In der Folge fuhr der Ten Kate-Pilot Kampflinie und verteidigte so seine Führung bis ins Ziel. Aegerter: „Zum Schluss konnte ich richtig angreifen. Ich denke, ich habe mein Rennen gut getimt und den richtigen Moment für das entscheidende Manöver gewählt.“
Aegerter auf Rekord-Kurs
Mit dem Triumph in Rennen 2 in Misano hat Aegerter den siebten Sieg in Folge eingefahren und führt das WM-Zwischenklassement nun mit 54 Punkte vor Baldassari an. Mit 195 Punkten liegt der Schweizer nach acht Rennen nur gerade fünf Punkte hinter dem möglichen Punktemaximum. Er scheint kaum zu schlagen zu sein.
Aegerter: „Es ist schwer zu verstehen, was im Moment passiert. Doch eine solche Erfolgsserie kommt nicht von allein. Das Niveau in der Supersport-WM ist unglaublich gestiegen. Deshalb muss das Gesamtpaket immer auf einem hohen Niveau sein. Wir müssen ruhig bleiben und konzentriert weitermachen, denn es wird Strecken geben, auf denen andere Hersteller vielleicht stärker sind. Wir haben ein Ziel, und das ist der Titelgewinn, und dafür gehen wir unsere Aufgaben Schritt für Schritt an.“ Aegerter liess den erfolgreichen Renntag mit Freunden bei ein paar Cocktails am nahegelegenen Strand ausklingen. „Misano ist der beste Ort, um ein super Wochenende entsprechend abzuschliessen.“
Brenner: Top 10
Das Glück war diese Saison noch nicht auf der Seite von Marcel Brenner (Yamaha), dazu hatte der Berner, der 2021 einen fünften Platz in Barcelona (E) als Bestresultat verbuchen konnte, auch noch Pech; etwa mit dem während der Fahrt ausgelösten Airbag in Aragon (E).
Für Misano war Brenner jedoch hoffnungsvoll und zuversichtlich. Und tatsächlich blühten er und sein italienisches VFT Racing-Team in Italien richtiggehend auf. Nach guten Trainings erkämpfte er sich in der sich in der Superpole den sechsten Startplatz und schuf sich damit beste Voraussetzungen für zwei gute Rennen.
In Rennen 1 verlor der 24-Jährige beim Start aus Reihe 2 eine Position. Brenner fand aber sofort in einen guten Rhythmus und konnte das hohe Tempo und seine Position lange Zeit halten. Als nach sechs Runden Stefano Manzi (Triumph) vorbeizog, konnte Brenner zunächst kontern, doch der Italiener holte sich Rang 7 zurück. Brenner: „Wenig später bremste er früher als üblich und ich wäre ihm fast ins Heck gekracht. Ich musste einen grossen Umweg fahren und verlor zwei Plätze.“ Brenner fuhr in der Folge ein einsames Rennen, landete mit Rang 9 aber das erste Top-10-Resultat der Saison. „Ein sehr erfreuliches Ergebnis, wenn man bedenkt, wo wir in den letzten Rennen herumgekurvt sind“, strahlte Brenner
In Rennen 2 reihte sich Brenner an neunter Position ein und war lange mitten im Kampf um die letzten Top-10-Plätze. „Doch dann wurde es immer schwieriger, mit ordentlichem Schwung durch die Kurven zu kommen.“ Brenner konnte das Tempo nicht mehr halten und wurde in den letzten Runden bis auf Rang 13 verdrängt. „Ich bin mit den Fortschritten zufrieden, doch wir müssen weiter an diesem Schwachpunkt arbeiten. Mitte Juli will ich in Donington wieder an das Niveau vom ersten Rennen anknüpfen.“
Resultate Supersport-WM, Misano (I)