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Neuer Ducati-V2-Vierventiler

Ducati V2

Ducati hat seinen für die obere Mittelklasse bestimmten 90-Grad-V2 mit Flüssigkeitskühlung und Vierventiltechnik von Grund auf neu aufgebaut. Er leistet bis zu 120 PS, erfüllt Euro5+, ersetzt den Testastretta Evoluzione etwa der Monster oder der DesertX und hat technisch diverse spannende Neuerungen zu bieten.

Es ist eine Frage des Standpunktes. Zählt man sich zu den Nostalgikern unter den Ducatisti, dürfte man wenig Freude daran finden, dass die Roten immer mehr von dogmatischen technischen Konzepten wie dem Gitterrohrrahmen, der Trockenkupplung, dem Nockenwellenantrieb via Zahnriemen oder der Desmo-Ventilsteuerung abkommen. Ist man dagegen ein zukunftsorientierter Technik-Fan wird man verstehen, dass Ducati aus Performance-, Homologations- und Innovationsgründen die «historischen Fesseln» ablegen muss.

 

Ohne den Desmosedici-V4 etwa, würde Bologna die MotoGP aktuell ganz sicher nicht dominieren. Was nicht heisst, dass für den seit 55 Jahren gebauten Ducati-90-Grad-V2, der 1971 in der 750 GT seine Premiere feierte, das letzte Stündchen geschlagen hat. Und ja, die Ankündigung der Panigale V2 Final Edition liess eine entsprechende Vermutung durchaus zu. Aber seid beruhigt, liebe Ducatisti! Der 90-Grad-V2 wird auf unbestimmte Zeit weiter bestehen. Und zwar sowohl als luft-ölgekühlter Zweiventiler, wie er aktuell noch in den Scrambler-Modellen anzutreffen ist, wie auch als flüssigkeitsgekühlter Vierventiler.

 

Schlicht Ducati V2

Dessen letzte Entwicklungsstufe hört auf den Namen «Testastretta Evoluzione» – aktuell anzutreffen in den Modellfamilien Monster, Hypermotard 950, DesertX sowie in der Multistrada V2. Und nicht zu verwechseln mit dem extrem kurzhubigen und als tragendes Chassis-Element fungierenden Superquadro V2, der in der Panigale V2 und in der Streetfighter V2 arbeitet.

 

Ducati V2

 

Für das nächste grosse Kapitel der knapp 100-jährigen Ducati-Historie haben die Roten nun das Beste aus der Testastretta- und der Superquadro-Welt kombiniert und einen komplett neuen, flüssigkeitsgekühlten 90-Grad-V2 mit Vierventiltechnik mit dem schlichten Namen «Ducati V2» kreiert. Tatsächlich ist es das erste Mal seit der Schöpfung des Grossserien-Vierventil-V2 der 851 von 1987, dass diese Architektur auf einem weissen Blatt komplett neu gezeichnet wurde. Bis dato verbaute Ducati tatsächlich Weiterentwicklungen bzw. Derivate ebendieses Desmoquattro-Motors. Was auch erklärt, warum die unschönen Schläuche der Wasserkühlung bis zuletzt stark exponiert waren. Denn der Vierventiler wurde ursprünglich für ein vollverschaltes Superbike entwickelt.

 

Ciao, ciao Testastretta

Offiziell bestätigt ist, dass das neue Aggregat den Testastretta Evoluzione ausnahmslos ersetzen und entsprechend Monster, Hypermotard, DesertX und Multistrada V2 antreiben wird. Im Rahmen des «TechTalk» in Bologna, bei dem wir Ende Oktober in die technischen Details des taufrischen V2 eingeführt wurden, wollte es zwar niemand unterschreiben, doch es liegt auf der Hand, dass der neue Antrieb auch den Superquadro-V2 ersetzen und damit – jeweils in spezifischer Konfiguration – auch in den «kleinen» Ablegern der Panigale und der Streetfighter sein Werk aufnehmen wird.

 

Ducati V2

Erprobung des neuen V2-Vierventilers auf dem Motorenprüfstand.

 

Ducati V2: Die Eckdaten

Aus 890 ccm Hubraum generiert der V2 in seiner würzigsten Auslegung 120 PS bei 10’750/min sowie ein maximales Drehmoment von 93,3 Nm (bei 8250/min). Mit dem Rennauspuff von Termignoni sollen 126 PS und 98 Nm anstehen – bei einer Gewichtsreduktion um 4,5 Kilo.

 

Apropos Gewicht: Im Pflichtenheft der Ingenieure stand im Interesse eines luftigen Handlings eine nachhaltige Diät des «Vu due» ganz weit oben. Und tatsächlich konnten die Entwickler gegenüber dem Testastretta Evoluzione 5,9 und gegenüber dem Superquadro gar satte 9,4 Kilo einsparen. Laut Ducati haben wir es hier mit dem leichtesten Grossserien-Ducati-V2 aller Zeiten zu tun. Er wiegt lediglich 54,4 Kilo und ist mit einer Bohrung von 96 mm sowie einem Hub von 61,5 mm (60,8 mm beim Superquadro) ebenfalls sehr kurzhubig ausgelegt.

 

Ducati V2

Die Kolben laufen in Alu-Zylinderlaufbuchsen, die ins Kurbelgehäuse eingelassen werden.

 

Den neuen V2-Motor wird es in zwei Spezifikationen geben. Einmal mit einer Nennleistung von 120 PS und dann eine Version mit 115 PS Spitzenleistung. Selbstverständlich wird es auch eine A2- bzw. 35-kW-Konfiguration geben.

 

Teil des Chassis

Wie beim Superquadro laufen die mächtigen Kolben in von einem Wassermantel umgebenen Aluminium-Zylinderlaufbuchsen, die in das Gehäuse eingelassen sind. Die Zylinderköpfe werden entsprechend direkt am Kurbelgehäuse verschraubt; der klassische Zylinderfuss fällt also weg. Die entsprechend hinzugewonnene Steifigkeit, die reduzierten Dimensionen sowie die Neigung nach hinten um 20 Grad ermöglichen es, den Motor als tragendes Element und damit als Teil des Chassis in die Gesamtkonstruktion zu integrieren. Dank besagter Rotation nach hinten – beim liegenden Zylinder von der Horizontalen aus gemessen – konnten die Gewichtsverteilung optimiert und die Schraubpunkte zudem so positioniert werden, dass sie als ideale Aufnahmepunkte für Frontrahmen und Schwinge fungieren.

 

 

Ventilfedern statt Desmo

«Das Desmo-Prinzip nutzen wir nur noch dort, wo es auch Sinn macht und klare Vorteile bringt. Also bei unseren Modellen mit Rennsport-Auslegung… und in der MotoGP», begründet Ducati CEO Claudio Domenicali gegenüber dem Schreibenden den Wegfall der zwar charakteristischen, technisch jedoch komplexen und wartungsintensiven Zwangssteuerung beim neuen V2-Motor. Während die Ventile weiter via Kipphebel geöffnet werden, ist neu also pro Ventil eine Feder um den Schliessvorgang bemüht. Die Kipphebel sind wie bei den MotoGP-Prototypen DLC-beschichtet.

 

Ein weiteres Novum stellt einlassseitig die variable Ventilsteuerung dar – Intake Variable Timing (IVT) genannt –, die z.B. bereits in den grossen V2-Multistradas zum Einsatz kam. Unter Berücksichtigung diverser Parameter wie Drehzahl, Gaszugstellung und Gangstufe werden via Aktuatoren die Nockenwellenprofile bzw. die Steuerzeiten elektrohydraulisch laufend so angepasst, dass jeweils eine für den aktuellen Fahrzustand ideale Ventilüberschneidung vorliegt. Wobei die Überschneidung jenen in Grad Kurbelwellenumdrehung angegebenen Bereich beschreibt, bei dem sowohl Einlass- wie Auslassventile zwecks Gasaustausch gleichzeitig geöffnet sind.

 

Ducati V2

Bei der Entwicklung seiner Motoren kann Ducati auf eine eigene, hochprofessionelle Labor-Mannschaft zurückgreifen. Das Bild zeigt einen mit einer speziellen Flüssigkeit behandelten Kolben. Ganz oben, beim Kolbenhemd, sind in Gelb kleine Risse zu erkennen. Dieser Kolben lief im Rahmen der Erprobungsphase tausende Kilometer auf dem Prüfstand.

 

Das IVT-System arbeitet hier über einen Bereich von insgesamt 52 Grad, was eine kurze Überschneidung für viel Druck und sanfte Fahrbarkeit bei tiefen und eine grosse Überschneidung für viel Füllung und damit Power bei hohen Drehzahlen ermöglicht.

 

Ketten statt Zahnriemen

Die Steuerung der Nockenwellen erfolgt neu nicht mehr über Zahnriemen, sondern via deutlich wartungsärmeren Steuerketten mit entsprechenden hydraulischen Spannern. Interessant ist zudem, dass die Schafte der Einlassventile hohl ausgeführt sind. Dies führt zu einer Gewichtseinsparung um 5 Prozent, was die Drehfreude optimiert. Die Ventilspielkontrolle steht beim neuen V2 erst alle 30’000 Kilometer an; der Ölwechsel wir alle 15’000 Kilometer fällig.

 

Entfesselt und clever

In Bezug auf die Elektronik kommt beim neuen V2 Ride-by-Wire zum Einsatz, was wiederum die Implementierung von vier Riding-Modes zuliess. Es ist davon auszugehen, dass die volle Ladung an Assistenzsystem wie IMU-basierte Traktionskontrolle, Kurven-ABS, Wheelie-Kontrolle etc. serienmässig mit an Bord sein wird. Ebenfalls erfreulich: Wie bei der neuen Panigale V4 kommt der bidirektionale Quickshifter der neusten Entwicklungsstufe DQS 2.0 serienmässig zu Einsatz, wobei der aussenliegende Sensor am Schaltgestänge überflüssig wird.

 

Ducati V2

Für die Fertigung des neuen V2 hat Ducati eine komplett neue Montagelinie gebaut.

 

Weitere willkommene technische Errungenschaften sind die Assist-Rutschkupplung im Ölbad sowie das Sekundärluftsystem. Über einen entsprechenden Kanal wird Frischluft direkt von der Airbox in die Drosselklappenkörper geführt. Und zwar genau in den Bereich zwischen den hinter den 52-mm-Drosselklappen liegenden Einspritzdüsen (je eine pro Zylinder) und den Einlassventilen. Ducati verspricht, dass dank dieses Kniffs der Verbrauch gesenkt, die Schadstoffemissionen reduziert sowie eine linearere Leistungsentfaltung herbeigeführt werden konnten.

 

Info: www.ducati.ch

Überblick über die Überprüfung
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