Motorradlärm – Fahrverbote im Tirol
Während in Deutschland noch über mögliche Fahrverbote zur Eingrenzung von „Motorradlärm“ diskutiert wird, macht Österreich im Tirol Nägel mit Köpfen: Ab dem 10. Juni sind gewisse Strecken für „zu laute“ Motorräder gesperrt. Wohlgemerkt handelt es sich dabei auch um korrekt homologierte und zugelassene Motorräder…
„Aufgrund der erheblichen Lärmbelastung für die im Bezirk Reutte lebende Bevölkerung werden vom 10. Juni bis 31. Oktober 2020, Fahrverbote für besonders laute Motorräder – Standgeräusch (Nahfeldpegel) > 95 dB (A) – erlassen“, schreibt das Land Tirol auf seiner Website. Somit betreffen die Streckensperrungen nicht nur aufgemotzte Motorräder mit zu lauten Auspuffanlagen, sondern auch völlig korrekt homologierte und zugelassene Maschinen.
Die Fahrverbote beziehen sich vorerst auf sechs Streckenabschnitte im Tirol und treten am 10. Juni 2020 in Kraft. Wer sie missachtet, kann mit einem Bussgeld in der Höhe von 220 Euro gebüsst werden. Betroffen sind folgende Strecken (siehe auch Karte unten):
Die L199 „Tannheimerstrasse“ zwischen Weissenbach am Lech und Schattwald respektive der deutsch-österreichischen Grenze inklusive Gaichtpass.
Die L198 „Lechtalstrasse“ zwischen Steeg und Weissanbach am Lech.
Die L21 „Berwang-Namloser Strasse“ zwischen Bichlbach und Stanzach.
Sowie die Strecke über den Hahntennjochpass zwischen Imst und Elmen, die in drei Abschnitte (L266 „Bschlaber Strasse“, L72 „Hahntennjochstrasse“, L246 „Hahntennjochstrasse“) unterteilt ist.
Nur für Motorräder
Als Begründung für die Streckensperrungen für „zu laute“ – nach Meinung des Landes Tirol – Motorräder, geben die Verantwortlichen den stetig wachsenden Lärmpegel an. „Die Bevölkerung im Bezirk Reutte wird bereits seit Jahren durch den ständig wachsenden Motorradverkehr durch Lärm stark belästigt,“ steht in der entsprechenden Mitteilung des (Bundes)-Landes Tirol. Warum aber lediglich der Motorradlärm problematisch sei, und die durch Autos und Lastwagen verursachten Geräusche hingegen annehmbar, wird nicht thematisiert. So gelten die Streckensperrungen denn auch nur für Motorräder.
Standgeräusch über 95 dB (A)
Im Vergleich zu den temporären Streckensperrungen an Wochenenden, wie wir sie aus Deutschland kennen, gelten die Streckensperrungen in Tirol nicht für alle Motorräder. Betroffen sind nur Motorräder, deren Standgeräusche lauter als 95 dB sind. Wenn Sie sich als Schweizer jetzt fragen: „Standgeräusche?“, sind Sie sicher nicht der einzige. Denn während dieser Wert in EU-Fahrzeugpapieren ausgewiesen wird, sucht man ihn im Schweizer Fahrzeugausweis vergeblich.
Auf unsere Nachfrage beim Land Tirol, wie demnach Schweizer Motorradfahrer überprüft werden sollen, haben wir die Antwort erhalten, dass bei Fahrzeuglenkern aus der Schweiz und Liechtenstein die auf dem Typenschild (Plakette am Motorrad) eingetragene dB-Zahl ausschlaggebend sei.
Kommentar
Ich persönlich kann verstehen, dass sich Menschen von übertriebenem Lärm – auch durch Motorräder – gestört fühlen. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, dass auch in diesem Falle wieder exklusiv gegen Motorräder vorgegangen wird. Was ist mit den Lastwagen, Traktoren oder den Sportwagen mit ihren Klappen-Auspuff-Systemen? Ist deren Lärm auf irgendeine Weise weniger störend als der von Motorrädern? Weiter ist für mich nicht nachvollziehbar, wie eine Streckensperrung für korrekt homologierte und zugelassene Motorräder rechtens sein kann – Thema Bestandsschutz…
Für „uns“ Touristen mag das Ganze ja halb so tragisch sein, wir können die entsprechenden Regionen „einfach“ meiden. Doch was ist mit dem Tiroler Motorradfahrer, der seine Maschine ab dem 10. Juni je nach Wohnort nichtmal mehr aus seiner Garage fahren kann? Bleibt lediglich zu hoffen, dass dies nicht der Anfang einer grösseren Welle ist, wir mit unseren legal zugelassenen Motorrädern nicht plötzlich überall vor Verbotsschildern feststecken…