Triumph Tiger Sport 660 – Test mit Video
Mit der neuen Triumph Tiger Sport 660 im heutigen Test startet Triumph einen Frontalangriff auf die Yamaha Tracer 7 und die Kawasaki Versys650. Im ersten Test in Portugal kann sie überzeugen.
Triumph Tiger Sport 660 heisst das neue Sternchen am Himmel der sportlichen Reiseenduros der unteren Mittelklasse im heutigen Test. Ab Februar 2022 ist sie in der Schweiz ab 9900 Franken erhältlich.
Gleich vorweg müssen wir festhalten: Die Preis-Leistung stimmt. Ausserdem zeigt sich einmal mehr: Echter Fahrspass braucht nicht zwingend viel Hubraum. Zumal der 660er Dreizylinder mit seinen 81 PS (59,6 kW) bei 10’250/min und 64 Nm Drehmoment bei 6250/min, der uns bereits in der Trident 660 sehr gefallen hat, ein echtes Sahnestück ist. Und er ist stärker als die Reihenzweizylinder der engsten Mitbewerberinnen. Zum Vergleich: Die Yamaha Tracer 7 kommt auf 73,5 PS und 68 Nm, die Kawasaki Versys650 auf 67 PS und 61 Nm.
Windschutz
Ab Albufeira, rund 40 Minuten westlich von Faro, starten wir unseren Test der Triumph Tiger Sport 660 vom Atlantik aus direkt Richtung Berge. Zunächst sind wir auf weniger spektakulären Haupt- und Schnellstrassen unterwegs, wobei wir, auch angesichts der noch kühlen Morgentemperaturen, den gebotenen Windschutz schätzen. Die schnittig gezeichnete Scheibe, die in V-Form zur Nasenspitze zwischen dem LED-Doppelscheinwerfer läuft, ist um ca. acht Zentimeter in der Höhe verstellbar. Und zwar mit einer Hand, auch während der Fahrt.
Optionale Heizgriffe
Mit einer mehr oder weniger ruckartigen Bewegung zieht man die Scheibe von unten hoch oder drückt sie von oben runter. In der obersten von mehreren Raststufen bleibt der komplette Oberkörper inklusive Kopf gut vom Fahrtwind geschützt. In der untersten Stellung bekommt man bei wärmeren Temperaturen die nötige Frischluft. Zu Beginn unserer Testfahrt freuen wir uns ausserdem über die optionalen Heizgriffe. Dank integriertem Knopf direkt am linken Griff ist die Bedienung einfach und ohne Anwählen irgendwelcher Displaymenüs möglich.
Ergonomie
Man sitzt aufrecht und mit einem lockeren Kniewinkel. So, wie man es sich auf einer tourentauglichen Reiseenduro vorstellt. Mit 835 mm ist die Sitzhöhe moderat und ist die tiefste, wiederum verglichen mit der Tracer 7 (840 mm) und der Versys650 (845 mm). Die schmale Taille unterstützt zusätzlich die leichte Erreichbarkeit des Bodens. Der Sattel ist bequem – auch noch nach einem ganzen Fahrtag. Zudem lässt er eine gewisse Bewegungsfreiheit, auch je nach Fahrstil oder „persönlichem Modus“, zu. Die Füsse finden auf sportlichen Rasten mit gezackter – und nicht etwa gummierter – Oberfläche auch bei sportlich-aktiver Fahrweise guten Halt.
Der Lenker liegt sehr gut zur Hand, hat eine angenehme Breite. Auch die Bedienelemente passen. Allerdings ist nur der Bremshebel einstellbar (fünffach), der Kupplungshebel nicht. In dieser Preisklasse ist das aber auch nicht überraschend. Sämtliche Knöpfe machen einen sehr hochwertigen Eindruck, sowohl von der Haptik her als auch vom Feedback bei der Bedienung.
TFT vom Lenker aus bedienbar
Cool ist, dass sich alle Menüeinstellungen im Display vom Lenker aus bedienen lassen. Und zwar über vier Pfeiltasten sowie einen OK-Knopf. Das Cockpit gliedert sich in zwei Teile: ein oberes halbrundes LC-Display und ein unteres, fast quadratisches TFT-Farbdisplay. Im oberen Display zeigen helle weisse Digits permanent Geschwindigkeit, Drehzahl und Benzinstand an. Je nach Einstellung auch die Gangwahl. Darunter befindet sich ein ca. 5×5 cm kleines TFT-Farbdisplay, das alle anderen Infos anzeigt – darunter Total- und Tageskilometer, nächster Service-Zeitpunkt, Kühlwassertemperatur oder etwa das gewählte Mapping.
Die Farben im TFT beschränken sich im Grunde auf Weiss, Blau und Grün (auf schwarzem Grund), ergänzt durch Rot oder Orange bei Warnhinweisen (z. B. bei niedrigem Benzinstand). Ausserdem wird die Stufe der Griffheizung (drei Stufen) in Rot, Orange und Gelb angegeben. In der unteren Multifunktionsanzeige ist ausserdem eine Verbrauchs- und eine Restreichweitenanzeige vorhanden. Letztere zeigte bis zum Ende unserer Testfahrt zumindest Werte bis unter 40 km verlässlich an. Sogar verschiedene Sprachen (darunter auch Deutsch) sind für die Menüführung wählbar.
Modi Road und Rain
An der rechten Lenkerarmatur findet sich überdies der Knopf für den Warnblinker, auf der linken Seite neben der Hupe zudem eine Taste für die unkomplizierte Modus-Wahl. Rain und Road stehen zur Verfügung, wobei im Rain-Modus die Gasannahme spürbar feiner ist und die Traktionskontrolle früher eingreift. Diese gibt sich im Road-Modus angenehm zurückhaltend. Während die Warnanzeige im TFT-Display bereits deren Aktivierung signalisiert, ist davon bei guten Gripverhältnissen noch lange nichts zu spüren, insbesondere kein abrupter Schub-Unterbruch.
81 PS auf der Strasse
Womit wir beim Vortrieb angelangt sind. Der kann sich mehr als sehen lassen. 81 PS bei 206 Kilo fahrfertigem Gesamtgewicht machen richtig Laune. Dabei übertreiben die Triumph-Verantworltichen nicht, wenn sie sagen, der Dreizylinder inkludiere zugleich die positiven Eigenschaften eines Zweizylinders. So schiebt der nur 660 ccm grosse Triple tatsächlich schon knapp über 2000/min mächtig an. Wobei freilich auch eine entsprechende Übersetzung ihren Teil dazu beiträgt.
Unser Testgebiet ist sehr hügelig und auf den richtigen Strassen gibt es ein permanentes Auf und Ab. Und das bei einer wirklich hohen Dichte an Kurven. Teilweise wähnt man sich geradezu in einer Achterbahn. Der dritte Gang erweist sich als sehr universell in diesem Terrain, bei dem es von langsamen Kehren bis hin zu schnellen Zwischengeraden alles gibt. Selbst aus tiefsten Drehzahlen beschleunigt die Tiger Sport 660 souverän und satt. Geradeaus geht es dabei ohne zu schalten locker bis zum Landstrassentempo. Und zwar in einer Manier, als gebe es keine Drehzahlgrenze. Der Triple ist also ein absolut vielseitiges und wohl für ganz viele Töfffahrer zugängliches Triebwerk. Schön ist, dass man den Verbrenner spürt, es aber keine störenden hochfrequenten Vibrationen gibt. Die Gasannahme ist stets direkt, aber nie hart. Präzises Gasgeben ist dabei jederzeit möglich, auch aus dem Schiebebetrieb.
Assist und Rutschkupplung
Schalten ist dabei auch keine Sache, denn die Gänge rasten stets sauber und mit klarem Feedback ein. Die Assist und Rutschkupplung ist zudem leicht zu bedienen und beim Anfahren bietet sie einen vernünftigen Dosierbereich.
Satt und komfortabel
Unsere Testroute führt uns über weitgehend sauber asphaltierte Strassen, doch die eine oder andere Verwerfung und einige Schlaglöcher sind auch dabei. Selbst bei Unebenheiten in schnellen Kurven bleibt die Tiger Sport 660 satt in der Bahn. Die 150 mm Federweg vorn wie hinten bieten dabei ausreichende Komfortreserven. An der Front arbeitet eine nicht einstellbare USD-Gabel von Showa, am Heck ein in der Vorspannung per Handrad justierbares Federbein. Auch betont sportlich genommene Passagen meistert das Fahrwerk mit Bravour. Die Reifen, Michelin Road 5, harmonieren ebenfalls einwandfrei. Es sind bewährte Pneus, die auch einen tollen Nassgrip bieten.
Bremsen
Wer mit Landstrassentempo auf enge Kehren zufliegt, der ist froh um ordentliche Verzögerung. Und die ist mit der Doppelscheibenbremse (310 mm Durchmesser) mit Zweikolbenzangen von Nissin voll gegeben. Die Zweifinger-Stopper sind eindeutig auf Performance ausgelegt und bieten ohne besondere Handkraft einen satten Biss. Beim kontrollierten Anbremsen ist auch die Dosierung astrein. Lediglich bei Schreckbremsungen beissen die Bremsen ziemlich giftig zu und lassen die Front tauchen. Dank ABS ist das aber halb so wild. Die hintere Einzelscheibenbremse (255 mm) mit Einkolbensattel wirkt bei Bedarf zudem fein ansprechend und gut dosierbar unterstützend mit.
Kritikpunkte?
Gibt es an der Tiger Sport 660 auch Kritikpunkte? Ehrlich gesagt, handelt es sich um Details und um das berühmte „Nörgeln auf hohem Niveau“. Vor allem angesichts der insgesamt wirklich tollen Preis-Leistung. So vermissen wir im Display etwa eine Aussentemperaturanzeige, und im Cockpit eine serienmässige Stromversorgung (12 V / USB). Beide Varianten gibt es jedoch als Zubehör. Ferner findet es der Schreibende ganz subjektiv schade, dass am schönen Doppelscheinwerfer nicht beide Seiten mit Abblend- und Fernlicht versehen sind, sondern getrennt arbeiten. Doch das ist durchaus üblich, und erklärt sich freilich mit Einsparungen von Kosten und Gewicht. Im Testprotokoll findet sich ferner eine Anmerkung zu den Blinkern. Die sind selbstrückstellend, doch könnte die Automatik etwas feinfühliger arbeiten. Besonders cool dagegen ist, dass der Blinkerschalter unterscheidet zwischen leichtem Antippen für dreimaliges Blinken zum Spurwechsel und intensiverem Antippen für längeres Blinken.
40 Optionen für die Tiger Sport 660
Insgesamt macht diese neue Mittelklasse-Reiseenduro also einen sehr überzeugenden Eindruck. So etwa auch von der Wahl der Materialien bis hin zum Finish mit überlackierten Schriftzügen und Graphics. Wer noch etwas mehr wünscht, dürfte im über 40 Teile umfassenden Zubehörkatalog fündig werden. Von den bereits erwähnten und sicher sehr nützlichen Heizgriffen über die farblich korrespondierenden Hartschalenkoffer samt Topcase (das Platz für 2 Integralhelme bietet) bis hin zur Connectivity. Letztere arbeitet mit der My Triumph App, mit der das TFT-Display auch zum Navi (Pfeil-Navigation) wird. Ferner ist damit die Steuerung von GoPro-Actionkameras und von Musik und Telefonaten am Smartphone möglich. Ferner gibt es Zusatzscheinwerfer, spezielle Lauf-LED-Blinker, andere Sitze und vieles mehr.
Weitere Infos unter: https://de.triumphmotorcycles.ch/
Fotos: © Kingdom Creative