Triumph Street Triple 765 RS und R im Test
Triumph hat die Naked-Bike-Modelle Street Triple 765 RS und R umfassend überarbeitet, ihnen mehr Punch, mehr Elektronik und mehr Agilität spendiert und sie so noch attraktiver gemacht.
Das Segment der Mittelklasse-Naked-Bikes gehört zu den absatzstärksten Segmenten überhaupt. Das wiess auch Triumph und hat darum die Triumph Street Triple 765 RS (ab 13’795 Franken) und R (ab 11’295 Franken) umfassend überarbeitet. Dabei könnte vor allem eine Neuerung zum Gamechanger werden.
Denn während die Street Triple sowohl in Sachen Fahrdynamik, Anspruch und Qualität als auch in Sachen Preis immer in der 900er-Kategorie (bspw. Z900, MT-09 und 890 Duke) zuhause war, betrieb sie beim Hubraum Understatement. Das änderte sich mit dem 765er-Motor – vorher waren die Zahlen anders angeordnet und der Hubraum rund 100 ccm kleiner (675) – 2017 zwar etwas, mit dem Druck aus dem Drehzahlkeller der 900er konnte aber auch die 17er Streety nicht mithalten. Dadurch rutschte sie quasi in eine eigene Kategorie, irgendwo zwischen den Hubräumen.
Mehr Zugkraft
Auch 2023 kommen die Triumph Street Triple 765 RS und ihre R-Schwester mit dem bekannten Triple mit viel Moto2-Know-how, und doch sollte das „Problem“ mit der „zu geringen“ Power aus tiefen Drehzahlen gelöst sein. Denn die neuen Street-Triple-Modelle R und RS leisten mit 120 respektive 130 PS nicht nur mehr Spitzenleistung als zuvor, sie konnten dadurch auch in allen Gängen bis auf den ersten kürzer übersetzt werden, was zu deutlich stärkerem Antritt aus niedrigen Drehzahlen führt.
Dies liegt am Raddrehmoment respektive der Zugkraft. Sie gibt an, wie viel Kraft übers Rad auf den Boden übertragen wird und beschreibt somit die gefühlte Power eigentlich deutlich besser, als das normalerweise angegebene Motordrehmoment. Denn dieses kommt je nach Übersetzung ganz anders am Hinterrad an.
So beschleunigt bspw. ein Bike mit 150 Nm Motordrehmoment und einer sehr langen Übersetzung langsamer als eines mit 130 Nm und einer kurzen Übersetzung, erst bei hohen Tempi zeigen sich dann die Nachteile der kurzen Übersetzung. Lange Rede kurzer Sinn: Die neuen Street Triple 765 RS und R verfügen über einen spürbar stärkeren Antritt als noch ihre Vorgängerinnen mit sehr ähnlichem Motor. Und das könnte für das britische Naked zum Gamechanger werden. Denn – und das vorweg – auch der Rest dieser Maschine ist nach wie vor grandios.
Mehr Elektronik
Dass die Street Triple schon in ihrer bisherigen Version sehr gut funktionierte, ist indes wohl auch ein Grund dafür, dass sich die Änderungen in Grenzen halten. Ein klares Plus sind dabei sicherlich die neuen IMU-gestützten Assistenzsysteme wie schräglagenabhängige Traktionskontrolle und Kurven-ABS. Sie beide funktionierten bei unserem Test sowohl auf der Strasse als auch auf der Rennstrecke in den jeweiligen Modi hervorragend, ohne jemals störend einzugreifen. Damit kann dieses Update als klarer Gewinn gewertet werden.
Auch die Änderungen an der Geometrie sind aus meiner Sicht eine gelungene Neuerung, wobei es hier sicher auch andere Meinungen gibt. Denn die Streety wurde agiler. Dies durch ein höher stehendes Heck und dadurch nicht nur einen etwas höheren Schwerpunkt sondern vor allem auch einen leicht steileren Lenkkopfwinkel. Und daraus resultiert dann natürlich auch weniger Nachlauf. Zudem wurde auch der Lenker für einfacheres Handling etwas breiter.
Aber keine Angst, die Triumph Street Triple 765 RS und R gehören immer noch zu den stabileren Maschinen in dieser Klasse. Das ist so auch gewollt und in der Historie verankert, basierte die erste Streety doch auf dem Supersportler Daytona 765.
Ähnlich, nicht gleich
Während bei der Elektronik beide Modelle identisch sind, unterscheiden sich R und RS nicht nur bei der Spitzenleistung sondern auch bei Fahrwerk und Geometrie. Technisch sind die beiden in Sachen Motor übrigens identisch. Die Unterschiede bei der Spitzenleistung kommen von der Elektronik, wobei die RS mit anderer ECU und anderem Kabelbaum kommt.
In Sachen Geometrie steht die R etwas flacher und ist so mit etwas niedrigerer Sitzhöhe auch minim zugänglicher als ihre RS-Schwester. Auch sind ihre Showa SFF Big Piston Gabel und ihr Showa Federbein etwas weniger hochwertig als die Pendants von Showa (vorne) und Öhlins (hinten) an der RS. Aber auch bei der R können sowohl vorne als auch hinten Vorspannung sowie Zug- und Druckstufendämpfung wirksam eingestellt werden.
Neben den Unterschieden bei Motor und Fahrwerk unterscheidet sich die 2500 Franken günstigere R zudem durch ihr einfacheres Display, die Brembo M4.32 Bremsen anstelle der Stylemas, die anderen Hebel für Bremse und Kupplung sowie andere Spiegel und die fehlende Soziusabdeckung von der edlen RS.
Und während die RS ihren Aufpreis für Technik-Fans und sportlich ambitionierte Fahrer sicher Wert ist, steht die R ihrer edlen Schwester im „normalen“ Strasseneinsatz rein fahrerisch praktisch in nichts nach. Klar, die hochwertigeren Federelemente sprechen nochmal etwas feiner an, und auch die Stylemas sind etwas präziser als die 4.32-Zangen, aber die grundsätzlichen Fahreindrücke bleiben identisch.
Präzision oder Komfort
Und die sind? Beim Motor waren wir ja schon: der Tripple wirkt dank der Mehrleistung und der kürzeren Übersetzung jetzt deutlich kräftiger. Wie gewohnt nimmt er schön Gas an, lässt sich gut dosieren und begeistert durch seinen typischen Sound, der für den Fahrer klar hörbar, für Aussenstehende aber angenehm gedämpft ist. Kritik: eigentlich nur, dass ich persönlich gerne eine einstellbare Motorbremse hätte, aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau.
Und sonst? Harmonisch, direkt, präzise – wenn „richtig“ eingestellt. Denn sowohl das Topmodell Triumph Street Triple 765 RS als auch die günstigere R kommen mit voll einstellbaren Fahrwerken. Und zwar mit solchen, die auch über eine echte „Range“ verfügen. Soll heissen: Dreht man hier an den Schrauben, verändert sich das Fahrverhalten ganz gehörig.
Das weiss auch Triumph und schickte uns am ersten Tag aufgrund der teilweise holprigen Strassen im Comfort-Setting auf Tour. So ist die Streety zwar bequem, für sportliches Fahren aber weder präzise noch stabil genug. Beim Kaffee-Stopp also kurzerhand das Bordwerkzeug unter dem Soziussitz hervorgekramt und die Dämpfung in Richtung Road-Setting zugedreht. Et voilà – so fühlt sich das schon viel mehr nach Streety an. Nun glänzt auch die 23er Street Triple mit ihrem berühmt harmonischen Fahrverhalten, vermittelt massig Vertrauen und Stabilität, lässt sich aber dennoch kinderleicht durch alle Arten von Radien dirigieren. Und zu unbequem ist’s auch nicht.
Ab Werk kommen die neuen Street Triple 765 RS und R übrigens Fahrwerksseitig im Road-Setting. Wer intakte Bandscheiben hat, kann das weichere Comfort-Setting dabei getrost ignorieren, und die Dämpfung für sportliche Fahrten auf guten Strassen dafür eher noch etwas zudrehen in Richtung Sport-Setting.
Potenzial
In ebendiesem Sport-Setting des Fahrwerks starten wir am nächsten Morgen in den Rennstreckentest auf der MotoGP-Strecke von Jerez. Hier sind wir nur mit der Triumph Street Triple 765 RS unterwegs. Auch, weil nur sie mit dem Fahrmodus Track speziell für die Rennstrecke kommt.
Und während sich auf der Strasse vor allem die kürzere Übersetzung bemerkbar machte, kann die Streety auf der Strecke nun auch die gesteigerte Maximalleistung ausspielen. Dank des breiten nutzbaren Drehzahlbandes lässt sich die Street Triple auch auf der Strecke relativ schaltfaul fahren, gibt sich dabei – wie man es erwarten würde – als Mischung aus 600er und Superbike.
Was sie auf der Rennstrecke ebenfalls unter Beweis stellen kann, ist das Potenzial von Bremsen und Fahrwerk. Die Brembo Stylemas sind auch am Ende der 20-minütigen Turns über jeden Zweifel erhaben. Sie bieten einen klaren Druckpunkt und sind ebenso leicht dosierbar wie stark. Auch das Fahrwerk überzeugt, vor allem, nachdem wir es ins noch sportlichere Track-Setting gestellt haben. Präzision, Support und Stabilität führen zusammen mit gutem Handling auf Anhieb zu schnellen Rundenzeiten.
Natürlich ist die Street Triple aber kein Supersportler, dafür fehlt schlicht die Verschalung. Aber für all jene Fahrerinnen und Fahrer, die primär sportlich auf der Strasse unterwegs sind, aber auch ab und zu am einen oder anderen Trackday am Gas ziehen wollen, bietet die Triumph Street Triple 765 RS einen grandiosen Kompromiss.
Fernvergleich
Und wie schlagen sich die neuen Streetys im Vergleich mit der Konkurrenz? Das ist aus der Ferne immer schwierig zu beantworten, aber der gesteigerte Punch aus tiefen Drehzahlen dürfte sie auf der Strasse deutlich konkurrenzfähiger machen. Die R wird sich dabei wohl vor allem mit Bikes wie der MT-09, der Kawasaki Z900 oder der KTM 890 Duke messen und sollte in diesem Feld dank tollem Fahrerk, begeisterndem Triple und kompletter Elektronik gut mithalten können.
Die RS misst sich dann mit den Top-Versionen der eben genannten Maschinen (SP, SE und R) und wird auch dort ihre Nadelstiche setzen können – vor allem auf der Rennstrecke bietet sie Potenzial, das die anderen zuerst einmal kontern müssen.
Natürlich kann aber erst ein Vergleichstest die direkten Unterschiede und Kräfteverhältnisse zu Tage führen, den wir euch hier in den nächsten Monaten natürlich gerne nachliefern werden.