Test: Yamaha Ténéré 700 World Raid
Yamaha bringt die Ténéré 700 World Raid mit 23 Liter Tankvolumen in zwei Tankhälften wie bei den Rallye-Rennern, längeren Federwegen und TFT-Display. An unserem langen Fahrtag durch die Wild-West-Kulisse von Andalusiens Canyons begeisterte sie absolut und vermittelte viel Abenteuer-Spirit.
Mit dem Slogan „New Horizon“ wirbt Yamaha für die abenteuerliche, langstreckentauglichere «World Raid»-Version der Ténéré 700. In ihr wurde auf Wünsche der Kundschaft eingegangen. So wurde etwa das Tankvolumen für einen grösseren Aktionsradius von 16 auf 23 Liter aufgestockt. Um den Schwerpunkt möglichst tief zu halten, wurde ein zweiteiliger Tank konstruiert bei dem auch Bewegungen des Treibstoffs weniger ins Gewicht fallen; eine Lösung, die auch bei Rallye-Enduros gängig ist.
Lunga corsa della molla
Für besseren Langstreckenkomfort fiel die Frontverschalung etwas breiter aus, die Windschutzscheibe ist nun 15 mm höher und die zweiteilige Sitzbank etwas komfortabler ausgelegt. Die World Raid verfügt auch über ein hochwertigeres, voll einstellbares KYB-Fahrwerk mit 20 mm zusätzlichem Federweg: 230 mm vorne und 220 mm hinten.
Zudem ersetzt ein 5-Zoll-TFT-Display mit Connectivity das bisherige TFT-Display. Das ABS kann jetzt nicht nur komplett deaktivieren werden, sondern bietet auch die Möglichkeit, die Regelung am Hinterrad separat zu deaktivieren. Ein 18-fach einstellbarer Öhlins-Lenkungsdämpfer sorgt für Ruhe in der Front.
Wilder Westen
Vor dem Hotel in Lorca (E) stehen die abenteuerlichen Ténéré 700 World Rides für unseren 350-km-Trip durch die Wüste von Gorafe (E), durch den «Gran Canyon von Andalusien» nach Granada (E) bereit.
Durch die längeren Federwege wuchs die Sattelhöhe gegenüber der Standard-Ténéré um 15 mm auf 890 mm an. Damit erreiche ich mit meinen 175 cm Körpergrösse nur noch knapp mit beiden Füssen den Boden. Die World Raid wurde mit vollgetankt 220 kg aber auch 16 kg schwerer. Auch spreizen die beiden Kunststoff-Tankhälften die Beine stärker.
Flinker Strassenflitzer
Auf den kurvigen Strassen beweist auch die neuste Ténéré eine tolle Performance und lässt sich selbst mit vollem Tank flink durchs Kurvenrevier dirigierten. Ihren 689 ccm grossen Reihenzweizylinder mit gekröpfter Kurbelwelle haben wir bereits verschiedentlich gelobt. Er hängt schön direkt am Gas, ist drehfreudig, liefert ordentlich Vortrieb, wartet aber auch mit überraschend viel Drehmoment auf.
Die neuen Fahrwerkselemente liefern ein noch klareres Feedback und viel Vertrauen. Auch die Pirelli Scorpion Rally STR-Reifen sorgen hier für guten Grip und stehen der zügigen Gangart keineswegs im Wege. Die längeren Federwege wirken sich auf der Strasse keineswegs nachteilig aus, denn der zusätzliche Federweg wurde nicht in zusätzlichen Komfort, sondern grössere in Reserven im Gelände investiert. So fällt die Abstimmung ähnlich straff wie bei der Standard-Ténéré aus.
Ab ins Gelände-Abenteuer
Unser Tourguide setzt den Blinker, und wir wechseln auf das weitläufige Offroad-Pisten-Netz Andalusiens. Ein kurzer Halt, um das ABS am Hinterrad über den Drehschalter an der rechten Lenkerarmatur zu deaktivieren. Bequem auf den breiten Rasten stehend geht es weiter, den Lenker erreiche ich problemlos, ohne mich bücken zu müssen und geniesse den gleichermassen schmalen Knieschluss wie bei der Standard. Erst wenn ich mich zum Attackieren weiter nach vorn lehne, wir der Knieschluss durch den Tank etwas breiter, was mich beim Fahren allerdings nicht behindert.
Auch im Gelände zeigt die World Ride mit dem zusätzlichen Gewicht keine Nachteile. Im Gegenteil, die hochwertigeren Fahrwerkselement liefern auch hier ein deutlich klareres Feedback, bieten grosse Reserven und sorgen für zusätzliche Sicherheit. Dank dem Lenkungsdämpfer droht die Front, auch auf zerfurchten oder gröberen Steinpisten nie zu zappeln.
Lenken mit dem Hinterrad
Um das Vorderrad bei Bedarf entlasten zu können oder das ausbrechende Hinterrad als Lenkhilfe herbeizuziehen, fahre ich den begeisternden Twin hier lieber etwas hochtouriger.
Auch wenn einige routiniertere Fahrer das ABS im Gelände gerne ganz ausschalten, ist das neue Offroad-ABS, bei dem Regeleingriffe nur am Vorderrad wirken, für mich der ideale Kompromiss, um auch hier mit dem rutschenden Hinterrad mitzulenken. Die Offroad-Performance der World Raid ist ohne Tadel. Auf meiner Wunschliste steht nur noch eine Traktionskontrolle, die das Ausbrechen des Hinterrades begrenzt.
Dass das Offroad-ABS, jedes Mal wenn der Zündungsschalter umgekippt wird, wieder neu angewählt werden muss, umgehe ich für kürzere Stopps, indem ich den Motor, statt ihn über den Killschalter abzustellen, einfach abwürge. Dann bleiben die Einstellungen beibehalten.
Viel Abenteuerspirit
Die World Raid ist ein Stück hochwertiger als die Standard-Ténéré. Ihr zusätzliches Gewicht fällt kaum auf, ihre hochwertigeren Fahrwerkselemente hingegen schon. Dass das ABS am Hinterrad separat deaktiviert werden kann, ist super, eine Traktionskontrolle würde das Offroad-Abenteuer weiter entspannen. Die Langstecken-Enduro begeistert, strahlt viel Abenteuer-Spirit aus, kosten mit 14 190 Franken aber auch einen Batzen mehr.