Test Husqvarna Vitpilen & Svartpilen 401
Husqvarna hat – wie Konzernschwester KTM bei den Duke-Modellen – seine Bestseller für 2024 komplett neu aufgebaut. Den Start machen die Austria-Schweden in der unteren Mittelklasse – mit den zu 90 Prozent erneuerten Designer-Bikes Vitpilen 401 und Svartpilen 401. Auf zur ersten Testfahrt!
Ich kann mich noch sehr gut an die Pressevorstellung der damals brandneuen Husqvarna Vitpilen 701 erinnern. Denn mit dem progressiven Designer-Bike, von dem es von Beginn weg eine kleinere 401er-Version gab, feierte die legendäre Traditionsmarke 2018 nicht nur ihre definitive Rückkehr auf die Strasse, es war auch ein Motorrad, das fahrdynamisch niemand wirklich einzuschätzen vermochte. Und fahren konnte der drahtig-kompakte, weisse Pfeil weiss Gott im richtig dynamischen Stil! Wenngleich der Neo-Café-Racer ihren Reitern mit bockhartem Fahrwerk, Steinplatten-Sitz und Stummellenkern wahrlich Nehmerqualitäten abverlangte.
Zeitgleich wurden die deutlich komfortableren Svartpilen-Modelle mit aufrechter Sitzhaltung in die Pfeilfamilie geboren. Mit Stollenreifen, Drahtspeichenrädern und dunkler Aufmachung waren sie eher dem Scrambler-Schnittmuster angelehnt.
Während die Pilens der ersten Generation technisch im Grunde Derivate von KTM-Modellen mit allerdings völlig eigenständigen Design waren, wurde bei der 2024er-Generation ein neuer, integrativer Ansatz verfolgt. Sprich, der neue LC4c-Einzylinder etwa wurde dahingehend neu entwickelt, dass er für die Produkte sowohl von KTM wie Husqvarna von Beginn weg perfekt passt. Doch beim Motor ist noch lange nicht Schluss mit den technischen Parallelen, was aus unserer Sicht auch überhaupt nicht verwerflich ist.
Auf die technischen Neuerungen der bei Bajaj in Indien gebauten und ab sofort ab 6990 Franken erhältlichen Vitpilen 401 und Svartpilen 401 sind wir hier bereits eingegangen. Entsprechend konzentrieren wir uns hier auf die Fahreindrücke.
Singing in the rain mit Vitpilen 401 und Svartpilen 401
Bekanntlich hat Südspanien seit Jahren ein ernsthaftes Dürreproblem. Einer der wenigen Vorteile dieser Misere sind die vorzüglichen Bedingungen für uns Motorradfahrer auch im Winter. Was jedoch nicht auf den heutigen Tag zutrifft. Es ist kalt, stürmt und regnet stark, als wir morgens beim Hotel losfahren. Das ist zwar richtig (ich meine: richtig!) unangenehm, hat aber den Vorteil, dass die Fahrer-Sensorik auf höchste Empfindlichkeit eingepegelt wird. Dies wiederum führt zu Erkenntnissen, die im Trockenen nicht unbedingt geerntet werden können.
Versiertes Fahrwerk
Etwa, dass die Fahrwerkskomponenten auch im Low-Speed-Bereich eine hervorragende Dämpfung auf den nasskalten Asphalt zaubern, wo Mitbewerberprodukte nicht selten eine gewisse Indifferenz manifestieren. Auf der Legendären A-397, die Marbella an der Küste mit Ronda in den Bergen verbindet, kommt so trotz grauseligen Bedingungen echter Fahrspass auf. Insbesondere auf der etwas komfortabler gefederten Svartpilen. Die aufrechte Sitzhaltung erlaubt hier zudem eine lockerere Fahrweise dank feineren Fahrerimpulsen am hohen Lenker – ein klares Plus bei diesem Schmuddelwetter. Der Schwarze Pfeil lässt sich zudem (noch) leichter einlenken. Ab einer gewissen Schräglage wirkt die Svartpilen dann allerdings – bis man sich daran gewöhnt hat – leicht kippelig, was wir den Pirelli Scorpion Rally STR zuschreiben. Die sehen zwar pfiffig-scramblerig aus, verschenken wegen des grossen Negativprofilanteils aber ganz einfach unnötig Grip.
Sportliche, aber nicht unkomfortable Vitpilen 401
Wogegen sich die Vitpilen mit den Michelin Power 6 schon knackiger anfühlt – ergonomisch und fahrdynamisch wie ein sportliches Naked-Bike. Nicht mehr wie ein Supersportler, denn die Lenkerstummel mussten einem zwar leicht, aber doch angenehm gekröpften Lenker weichen. Nichts desto trotz ruht bei ihr mehr Gewicht auf den Handgelenken; von den Streckbank-Verhältnissen der Vorgängerin distanziert sich diese Vitpilen aber vehement.
Vitpilen & Svartpilen: Zugänglich und doch erwachsen
Apropos Zugänglichkeit: Mit meinen 174 cm kann ich bei beiden Töff problemlos beidseits abstehen. Und es gibt auch keine störenden Tank-Kanten mehr, welche die Innenseiten der Oberschenkel unsanft massieren würden. Weiter geht’s mit der Kupplung, die sich butterweich gibt und stets nur zwei Finger bemüht. Gleiches gilt für die radial angeschlagene Vierkolben-Bybre-Bremse im Vorderrad. Wenngleich für die sportliche Bremsung schon bestimmt am einstellbaren Hebel gezogen werden muss. Aber das ist okay so. Genau so wie die nicht zu giftige Ansprache der Schubumkehr-Vorrichtung mit piekfeiner Dosierbarkeit. Alles durch und durch Einsteiger-tauglich, also… aber keineswegs unsportlich.
Auch der sauber am Gas hängende, bereits ab 2000/min rund drehende und mit einer erfrischenden Drehfreude aufwartende LC4c ist ein Gentlemen (93 dB Standgeräusch). Denn die überschaubare Leistung führt dazu, dass die bei grossvolumigen «Einzapfen» gerne auftretende Ruppigkeit hier überhaupt nicht ins Gewicht fällt. Die Pilens lassen sich also auch in der City völlig ungestresst sanft beschleunigen. Was aber nicht heisst, dass ihr Single weichgespült wäre. Im Gegenteil nagelt dieser insbesondere im Bereich zwischen 5000 und 7500/min richtig kräftig und hochmotiviert aus den Kehren.
Weiter geht das Loblied der Zugänglichkeit mit dem bidirektionalen Quickshifter. Denn dieser arbeitet auch bei geringen Tempi sowie im Teillastbereich echt vorbildlich! Da könnten sich gewisse Töff aus dem Premium-Bereich durchaus eine Scheibe von abschneiden.
Zwei kleine Kritikpunkte bleiben: Die Positionierung der Rückspiegel bei der Svartpilen mit Aussicht auf die Oberarme sowie die teils doch recht klein geratenen Sekundärinformationen im TFT-Display, das sonst aber keinerlei Wünsche offenlässt. Heikle Einstelloptionen wie «ABS hinten off» oder die Deaktivierung der Traktionskontrolle werden übrigens – ebenfalls Einsteiger-freundlich – mit unmissverständlichen Grafiken symbolisiert, sodass wirklich jeder und jede versteht, wo bei den genannten Settings die Risiken liegen können.
Vitpilen 401 und Svartpilen 401 – das Fazit
Sowohl Vit- wie auch Svartpilen 401 sind erwachsener geworden. Sie haben ihre Zierlichkeit abgelegt, verfügen neu beide über ein breiteres Einsatzspektrum und sind fahrdynamisch – insbesondere beim Fahrwerk – praktisch auf Mittelklasse-Niveau. Dieser Sachverhalt, die hochwertige Ausstattung und das exklusive Design relativieren den vermeintlich hohen Preis.