Gaffern drohen in Deutschland höhere Strafen
Gaffern drohen deutlich härtere Strafen. Unfall-Tote mit dem Handy zu filmen oder zu fotografieren soll künftig mit Geldbussen oder sogar Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren geahndet werden, wie der ADAC schreibt.
Das „Herstellen und Übertragen einer Bildaufnahme, die in grob anstössiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt“, soll gemäss dem ADAC in Deutschland künftig als Straftat gewertet werden soll. Das habe die deutsche Bundesregierung beschlossen. Der Bundestag muss der Gesetzesänderung aber noch zustimmen.
Bisher nur lebende Opfer geschützt
Bislang schützt das deutsche Strafrecht nur lebende Menschen vor entwürdigenden Bildern. Bei Toten werden solche Aufnahmen nur als Verstoss gegen das Persönlichkeitsrecht gewertet. Solche Bilder tauchten aufgrund der allgegenwärtigen Handy-Kameras immer häufiger auf und würden auch im Internet verbreitet. Angehörige könnten aktuell lediglich die Löschung auf Internetseiten verlangen.
Schock-Video-Kampagne: „Sei kein Gaffer“
Schweiz: Rechtliche Grundlagen reichen aus
In der Schweiz ersuchte BDP-Nationalrat Bernhard Guhl 2016 den Bundserat mittels eines Postulats um Überprüfung, ob (weitere) Massnahmen gegen Gaffer (nicht nur bei Verkehrsunfällen) nötig sind. Der Bundesrat lehnte das Postulat allerdings ab: „Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die beschriebenen Phänomene in den letzten Jahren zugenommen haben. Um die im Postulat erwähnten Verstösse angemessen zu ahnden, reichen jedoch die bestehenden rechtlichen Grundlagen aus.“
Die vollständige Stellungnahme des Bundesrates:
- Das Behindern der Einsatzkräfte oder des Verkehrs im Allgemeinen wird nach geltendem Recht – je nach Konstellation – von verschiedenen Strafbestimmungen erfasst. So wird nach Artikel 128 zweiter Absatz des Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0) mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer andere davon abhält, Nothilfe zu leisten, oder sie dabei behindert.
- Artikel 286 StGB ahndet die aktive Behinderung einer Amtshandlung. Wer in amtlicher Funktion tätige Rettungskräfte an einer Handlung hindert, wird mit Geldstrafe bis zu 30 Tagessätzen bestraft.
- Nach dem Strassenverkehrsgesetz (SVG; SR 741.01) wird mit Busse bestraft, wer die Weisungen der Polizei nicht befolgt oder wer Feuerwehr-, Sanitäts- oder Polizeifahrzeugen beim Wahrnehmen der besonderen Warnsignale die Strasse nicht sofort freigibt (Art. 27 in Verbindung mit 90 Abs. 1 SVG).
- Für Ereignisse ausserhalb des Strassenverkehrs sehen die meisten kantonalen Polizeigesetze bereits heute eine vorübergehende Wegweisung und Fernhaltung von Personen vor, die den Einsatz von Polizeikräften, Feuerwehren oder Rettungsdiensten behindern. Falls die Betroffenen der Aufforderung der Polizei nicht Folge leisten, können sie verzeigt oder, bei wiederholtem Nichtfolgeleisten, vorübergehend in Gewahrsam genommen werden.
- Was das vom Postulanten erwähnte Filmen und Fotografieren von Unfällen aus dem Fahrzeug anbelangt, kommen insbesondere das SVG e il Verkehrsregelnverordnung (SR 741.11) zur Anwendung. Diesen gesetzlichen Grundlagen zufolge hat der Fahrzeugführer jederzeit dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit nicht durch Kommunikations- und Informationssysteme beeinträchtigt wird. Verstösse dagegen werden geahndet. So mussten in der Schweiz im letzten Jahr (Anm. d. Red.: 2015) 10’735 Personen wegen unerlaubter Verwendung von Handys oder Navigationsgeräten ihren Führerausweis abgeben, was einer Zunahme von 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
- Bezüglich einer möglichen Verletzung von Persönlichkeitsrechten von gefilmten oder fotografierten Unfallopfern besteht die Möglichkeit, nach Artikel 28 des Zivilgesetzbuchs (SR 210) und Artikel 15 des Datenschutzgesetzes (SR 235.1) rechtliche Schritte dagegen einzuleiten.
- Die im Vorstoss geforderte Möglichkeit einer verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Einziehung von Handys und anderen elektronischen Geräten würde eine klare Verbotsnorm voraussetzen. Allerdings bestehen ernsthafte Zweifel an der Verhältnismässigkeit solcher Massnahmen und an deren Durchsetzbarkeit, insbesondere im fliessenden Verkehr auf Autobahnen. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die beschriebenen Phänomene in den letzten Jahren zugenommen haben. Um die im Postulat erwähnten Verstösse angemessen zu ahnden, reichen jedoch die bestehenden rechtlichen Grundlagen aus. Anpassungen von Bundesrecht sind deshalb aktuell nicht notwendig.