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Das grosse Jeremy Seewer Interview Teil 2

Jeremy Seewer Interview

Teil zwei unseres grossen Jeremy Seewer Interviews. In Teil eins haben wir über den Start von Jeremys Karriere und die vergangene Saison gesprochen. In Teil zwei wollen wir jetzt – mit Blick auf die Vergangenheit – auch etwas in die Zukunft Schauen. Teil 1 gibt’s hier!

Du hast 2019 regelmässig wie ein Schweizer Uhrwerk Punkte gesammelt, während die Weltmeister Jeffrey Herlings, Toni Cairoli oder Romain Febvre sich verletzten. Haben sie mehr riskiert als du?

Meine Stärke ist die Konstanz. Cairoli wollte und musste Weltmeister werden. Wenn Herlings und Febvre an ein Rennen gehen, wollen sie um jeden Preis gewinnen. Mit Platz 2 geben sie sich nicht zufrieden. Ich hingegen habe diese Saison auch mal einen Platz hergegeben und so zwei, drei Punkte verloren, um kein grösseres Risiko einzugehen. Das war für diese Saison perfekt, doch wenn du Weltmeister werden willst, musst du das Restrisiko auch eingehen. Dennoch muss man dann aber wissen, wo das Limit ist, um so Verletzungen zu vermeiden.

Wie kann man vorn mit­mischen und das Risiko doch gering halten? Du hast sicher auch 100 Prozent gegeben, oder?

Ja, natürlich, doch man muss wissen, wann man wie viel riskieren soll. Es gibt Tage, an denen man das Risiko gering hält und doch der Schnellste ist. An anderen Tagen gibt man alles – 102 % – und es reicht doch nicht. Da spielen Tagesform, Töff und vieles mehr eine Rolle.

Beim Motocross der Nationen in Assen bist du unter schwierigsten Bedingungen im nassen Sand wohl als Einziger nie gestürzt.

Manchmal läuft es, dann wieder nicht. Ich lag in Assen auch schon an einem Wochenende zehnmal im Sand. Dass ich dieses Jahr nie gestürzt bin, hat irgendwie die ganze Saison reflektiert. Es zeigte, dass ich nicht umsonst Vizeweltmeister geworden bin, sondern, weil alles gepasst hat, der Töff war gut, und ich brachte starke Leistungen.

 

Jeremy Seewer Interview

Du bist in deiner Karriere nach der Junioren-WM (2011), der 250er-EM (2014) und der MX2-WM (2016 und 2017) zum fünften Mal Vizemeister geworden. Reicht es mit deiner Taktik auch zum Weltmeistertitel, oder braucht es da mehr Risiko?

Bis jetzt hat es nicht gereicht – da müssen wir uns nichts vormachen – ich denke allerdings nicht, dass es an der Risikobereitschaft lag. 2017 war der Titel klar das Ziel, da habe ich dann mehr riskiert, bin aber auch mehr gestürzt. Vielleicht nahm ich in der Saison 2019 auch zu viel Risiko raus, weil ich mich mit dem Vizemeister zufrieden gab. Ich weiss schon, wie viel Risiko ich eingehen muss, wenn ich Weltmeister werden will.

 

Es sind aber auch noch ganz andere Faktoren, die mitentscheiden, ob es zum Titel reicht. Ich will Weltmeister werden, hab aber auch den nötigen Respekt vor diesem Ziel, bin nicht verbissen und lasse nicht wie 2017 den Kopf hängen, wenn es 2020 noch nicht reicht. Die nächsten zwei bis drei Jahre werden wohl die besten meiner Karriere sein, ich habe also noch ­etwas Zeit. Ich gehe das Ganze noch locker an.

Jetzt bist du nach 2018 wieder im Wilvo-Team, das nun von Yamaha zum Werksteam ernannt wurde. Was ändert sich für dich durch den Wechsel?

Zum Glück nicht allzu viel. Rinaldi wird im Hintergrund von der Entwicklung über den Motorradaufbau bis zu den Testarbeiten alles machen. Er ist der Techniker, betreibt das Team aber nicht mehr. Die wichtigsten zwei, drei Leute von Rinaldi sind an den Rennen weiterhin vor Ort. Und ich habe meinen Töff vom Vorjahr, der optimal funktioniert.

Wie ist dein Verhältnis zu deinem Schweizer Teamkollegen Arnaud Tonus, mit dem du dir das Podest 2019 wiederholt geteilt hast?

Mein Verhältnis mit Arnaud ist gut, doch trotz allem ist er mein Gegner. Er ist technisch sehr talentiert und hat jetzt mal eine Saison mehr oder weniger ohne Verletzungen durchgebracht. Zum Erfolg braucht es aber noch viel mehr. Ich konzentriere mich auf mich.

Wie sieht deine Saisonvorbereitung aus?

Seit vier Wochen läuft das Programm wieder. Es ist immer etwa dasselbe, viel mehr kann man auch nicht rausholen. Dennoch ist es dieses Jahr ruhiger, alles ist gut geplant und ich konnte mich besser erholen als in den Vorjahren. Bis Ende Jahr konzentrieren wir uns auf den physischen Aufbau, und ab Januar sind wir wieder in der Wärme in Sardinien und bereiten uns auf dem Töff intensiv vor. Wir werden einige Saisonvorbereitungsrennen fahren, um zu sehen, wo wir stehen, und dem Körper zu sagen, dass es jetzt wieder losgeht.

Werdet ihr 2020 etwas ­anders machen als im ­Vorjahr?

Nein, nichts Grundsätzliches. Wir werden einfach wieder darauf achten, dass wir die ganz Saison durchhalten können und fit sind.

 

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Wie siehst du deine Chancen, 2020 schon Weltmeister zu werden?

Natürlich ist Weltmeister zu werden das Ziel. 2017 war die letzte Gelegenheit, damals in der MX2-WM. Jetzt gehe ich das Ganze entspannter an, bin auch im Kopf lockerer und weiss, dass ich nicht das erste Rennen gewinnen muss, um Weltmeister zu werden, dass es eine lange Saison ist.

 

Die Chancen stehen gut, doch Herlings, Cairoli und Gajser sind mehrfache Weltmeister, die schwer zu schlagen sind. Da lüge ich mich nicht an. Aber ich weiss, dass ich das Zeug dazu habe, ihnen zu zeigen, dass ich auch da bin. Es ist eine lange Saison und viele Faktoren spielen mit.

 

Bei Yamaha bin ich die Nummer 1, Yamaha will mit mir Weltmeister werden. Ich stehe nicht im Schatten eines anderen Fahrers. Das ist wichtig, gerade in der MXGP-Klasse, wo es besonders starke Charaktere gibt, viel mehr als etwa in der MX2-Klasse. So kann ich sicher sein, dass der Fokus auf mir liegt und ich all die wichtigen Personen im Hintergrund habe. Perfekter hätte es nur ohne den Teamwechsel sein können. Aber da werden wir sehen, wie es rauskommt.

Du bist nun auch offizieller Monster-Athlet. Was ändert das für dich?

Als Vizeweltmeister im MXGP hat man natürlich mehr Aufmerksamkeit. Das muss man geniessen, wenn man es in seiner Karriere erleben darf. Gegen aussen ändert sich nicht viel, ich war ja durch Yamaha schon bei Monster. Ich habe jetzt einfach noch einen Lohn ­direkt von Monster, und sie können mich noch mehr für coole Events einsetzten und vermarkten.

 

Es ist hart; im MXGP gibt es Fahrer, die um den achten WM-Platz fahren und Geld bringen müssen, aber wenn man den Erfolg hat, den ich die letzten Jahre hatte, kann man auch im Motocross gut Geld verdienen. Natürlich reden wir da nicht von Summen wie im Tennis oder Fussball. Im Moment habe ich einen guten Vertrag in Händen. Über Zahlen will ich hier nicht reden, denn die meisten können sich nicht vorstellen, was da alles dahinter steckt und wie hart der Weg dahin ist. Hat man eine Verletzung, ist man schnell weg vom Fenster. Den Erfolg kann man nur wenige Jahre haben, und wir riskieren immerhin unser Leben für diesen Job.

 

Jeremy Seewer hat es dank harter Arbeit, unstillbarem Ehrgeiz, viel Talent und nicht zuletzt auch der Unterstützung seiner Familie und seines Managers Denis Birrer, der das Ausnahmetalent seit jungen Jahren mit geschickter Hand betreut und an die richtigen Posi­tionen geführt hat, zur Weltspitze im Motocross geschafft. Wir sind stolz auf den Schweizer Spitzensportler und hoffen, noch lange über neue Erfolge berichten zu können.

 

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