BMW CE 04 – erster Test des E-Scooters in Barcelona
Der neue BMW CE 04 überzeugt im ersten Test in Barcelona mit tollen Fahrleistungen und stimmiger Ergonomie. Und sogar das Helmfach überrascht.
Als Concept Link stand der neue BMW CE 04 im Jahr 2017 erstmals im grossen Rampenlicht. 2020 folgte die schon sehr seriennahe Version in Gestalt des Definition CE 04. Und im vergangenen November ist die Serienproduktion des neuen Maxi-E-Scooters in Berlin angelaufen. Bei den Schweizer Händlern wird er ab Frühjahr 2022 ab 12’700 Franken zu haben sein. Und zwar alternativ auch in gedrosselter Version für den Führerschein A1 (ab 16 Jahren, maximal 15 PS / 11 kW).
Neue urbane Mobilität
In Barcelona (E) hatten wir die Gelegenheit, den Nachfolger des C Evolution erstmals zu testen. Mit letzterem startete BMW im Jahr 2014 – ebenfalls in Barcelona – in die elektrifizierte urbane Mobilität. In diesem Segment bietet BMW neben dem neuen CE 04 aktuell noch zwei Benziner-Modelle mit 350-ccm-Einzylinder (C 400 X und C 400 GT) an. Die beiden grossvolumigen Modelle C 650 Sport und C 650 GT mit 650-ccm-Einzylinder sind aber bereits nicht mehr im Sortiment. Denn die Bayern wollen sich bei der Urban Mobility künftig ausschliesslich auf E-Antriebe beschränken.
Polarisierend
Mit dem CE 04 hat BMW einmal mehr ein Zweirad auf die Räder gestellt, das polarisiert. Zumindest regt es kleinere oder auch grössere Diskussionen an. Hauptsächlich durch sein Design, das sehr viel vom Concept-Scooter in die Serie übernommen hat. Doch kommen wir später nochmals darauf zurück. Legen wir den ersten Fokus auf das, was wir jetzt in und um Barcelona erfahren konnten.
62 Nm aus dem Stand
Die technischen Daten versprechen bereits auf dem Papier eine mehr als vernünftige Performance. Insbesondere die 62 Nm Drehmoment – quasi aus dem Stand (!) – sind eine Ansage. Schliesslich ist das Drehmoment die entscheidende Grösse, wen es darum geht, flott von der Ampel wegzukommen oder etwa bei Spurwechseln beeindruckende Zwischensprints hinzulegen. Laut BMW spurtet der CE 04 mit seinen fahrfertig 231 kg in 2,6 Sekunden von 0 auf 50 km/h. Gefühlt geht das sogar noch schneller. Tatsächlich ist mit diesen Werten Stressfreiheit garantiert, wie sich im Grossstadt-Gewusel Barcelonas gezeigt hat. Zum Vergleich: Der Elektromotor des C Evolution lieferte ein Drehmoment von 72 Nm. Bei seinem deutlich höheren Gewicht von 275 kg schaffte er den Sprint von 0 auf 50 damit in 2,8 Sekunden.
Reichweite: 130 km
Die Nenndauerleistung der wassergekühlten E-Maschine des CE 04 beträgt 20 PS (15 kW) bei 4900/min, die kurzfristig verfügbare Maximalleistung 42 PS (31 kW). Die Energie liefert eine luftgekühlte Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie mit einer Kapazität von 60,6 Ah. Die Ladezeit beträgt bei völlig entleerter Batterie 4 Stunden und 20 Minuten. Mit dem als Sonderausstattung verfügbaren Schnellladegerät mit bis zu 6,9 kW Leistung (serienmässig 2,3 kW) reduziert sich die Ladezeit bei völlig entleertem Akku auf nur noch 1 Stunde und 40 Minuten. Die Reichweite wird mit 130 Kilometern angegeben.
Easy auf der Autobahn
Unsere Testfahrt umfasst im kompakten Rahmen alles, womit man im normalen Alltag so konfrontiert wird. So geht es neben den mehrspurigen Hauptstrassen in der Stadt mit Speedbumps, Schlaglöchern, Schachtdeckeln, Fussgängerstreifen auch auf den Hausberg Barcelonas, den Montjuïc, sowie einige Kilometer auf die Autobahn. Auch hier beschleunigt der BMW CE 04 beim Einfädeln oder Spurwechseln selbst bei höheren Tempi souverän. Erst, wenn man sich dem Topspeed von 120 km/h nähert, nimmt die Intensität der Beschleunigung leicht ab.
Top-Feinfühligkeit
Ein grosses Lob verdient die wirklich extrem sensibel arbeitende Antriebselektronik. Sie übernimmt nicht nur die Ansteuerung des Elektromotors (Spannungsbereich 100 bis 150 Volt), sondern liest auch die Fahrerwünsche, wie etwa die Gasgriffstellung ein. Sehr feines Anfahren ist in allen drei serienmässigen Modi (Road, Rain, Eco) sowie im optionalen Modus Dynamic möglich. Auch minimale Geschwindigkeitsveränderungen während der Fahrt lassen sich exakt und ohne zeitliche Verzögerung umsetzen.
Rekuperieren statt Bremsen
Wenn es ums Bremsen geht, so bieten entsprechend ausgerüstete E-Fahrzeuge bekanntlich den Vorteil, dass sie rekuperieren können. Das bedeutet, dass der E-Antrieb zum Abbauen von Speed seine Funktion umkehrt, sich also in einen Generator verwandelt. In dieser Situation treibt somit das Fahrzeug den Generator an, so dass elektrische Energie in die Batterie zurückfliesst. Wie beim Gasgeben auch, ist die Umsetzung beim BMW CE 04 dabei sehr gut gelungen. Die maximale Rekuperation sorgt für eine so starke Bremswirkung, dass man nur noch in den seltensten Fällen mit den konventionellen Bremsen (Doppelscheibe vorn, Einzelscheibe hinten) mitbremsen muss. Es genügt, einfach das Gas schrittweise zuzudrehen, um den Speed in gewünschtem Masse abzubauen.
Je nach Situation bewirkt somit ein Schliessen des Gasgriffs, dass man einfach weniger Gas gibt, also weniger Energie verbraucht oder dass die E-Maschine zu rekuperieren beginnt. Egal also, ob man bergabwärts fährt oder auf eine rote Ampel zurollt: Gas zu und wohldosiertes Verlangsamen ist das Ergebnis. Im über zehn Zoll grossen TFT-Farbdisplay gibt es eine Ansicht, die dem Fahrer permanent aufzeigt, ob und wie viel Energie gerade verbraucht oder zurückgewonnen wird.
Automatische Feststellbremse
Die eigentlichen Bremsen kommen meist nur noch bei unerwarteten Situationen wie etwa einem plötzlichen Hindernis oder zum Halten des Rollers an abschüssigen Stellen zum Einsatz. Apropos: Zum Parken stellt man den CE 04 auf den wohldesignten und gut erreichbaren, serienmässigen Seitenständer (Hauptständer ist Option), wobei automatisch eine Feststellbremse aktiviert wird.
Wendig in der Stadt
Der BMW CE 04 besitzt erwartungsgemäss ein überaus taugliches Fahrwerk. Zwar sorgt der verhältnismässig lange Radstand von (1675 mm) bei allen, die den Roller noch nicht gefahren sind, für Diskussionen. Die grösste Frage hierbei ist freilich: ist das Ding in der Stadt denn auch wendig? Auf unserer Testfahrt stellten wir fest: ja. Entscheidend in dieser Hinsicht ist vor allem: Der CE 04 ist topausbalanciert. In Kombination mit dem extrem feinfühligen Gasgriff lässt er sich somit bei minimalster Geschwindigkeit um Pfosten, geparkte Fahrzeuge etc. manövrieren. Ein sehr grosser Vorteil des neuen Maxi-Scooters ist freilich auch sein tiefer Schwerpunkt. Im Vergleich zum C Evolution baut die Batterieeinheit viel kompakter. Sie beschränkt sich komplett auf den «Fahrzeugboden».
Stabil bei hohen Geschwindigkeiten
Auf unseren Autobahnkilometern haben wir uns mit 100 bis 115 km/h bewegt und uns dabei immer wohl gefühlt. Der E-Scooter liegt stets stabil in der Bahn. Und auf kurvigen Landstrassen lässt er sich mühelos von links nach rechts legen, wobei die Pneus, Pirelli Diablo Rosso Scooter, einen weiteren Beitrag zur guten Bodenhaftung leisten. Insgesamt bekommt man einen ausgewogenen Mix aus Straffheit und Komfort. Insbesondere auch Speedbumps stecken die Federelemente gut weg. Vorne arbeitet eine nicht einstellbare 35-mm-Teleskopgabel, hinten eine Einarmschwinge mit direkt angelenktem Federbein mit stufenlos einstellbarer Basis.
Pendler-Komfort
Auch beim Komfort überrascht uns der BMW CE 04 positiv. Die lange, flache Sitzbank ist ausreichend gepolstert. Auf unserer eintägigen Testfahrt mit diversen Stopps hat sie sich als bequem erwiesen. Ganz rollertypisch präsentiert sich der Beinraum mit der Möglichkeit, die Füsse verschieden zu platzieren – vom geschlossenen 90-grad bis hin zum offenen Winkel mit nach vorn gestreckten Beinen.
Der Lenker liegt gut und weist eine angenehme Breite auf. Auch die typischen BMW-Bedienelemente sind tadellos. Einzig die beiden Bremshebel lassen sich nicht einstellen. Doch da sie aufgrund der gut performenden Rekuperationsfunktion sowieso kaum zum Einsatz kommen dürften, relativiert sich diese Kritik gleich wieder.
TFT mit Connectivity
Ein Highlight ist ferner das schlichte Cockpit, das im Grunde nur aus dem 10,25-Zoll-TFT-Farbdisplay besteht. In dieser Anzeige lassen sich alle erdenklichen Informationen ablesen. Und mit der BMW Connected Handy-App (kostenlos für BMW-Fahrer) wird es sogar zum vollwertigen Navi.
Winddeflektor
Vor dem ultrabreiten Display befindet sich ein ziemlich schmaler Winddeflektor aus orangefarbenem Plexiglas. Dieses Ding hat vor allem eine optische Funktion. Der Wind strömt relativ unbeeindruckt daran vorbei. Wir finden: egal! Hier geht’s ums Aussehen. Schliesslich findet man eine grössere und wohl auch effektiv schützende Windschutzscheibe im Zubehör. Genauso wie die optionalen Heizgriffe, die sich in unserem Test am 5 Grad kalten Morgen sehr bewähren.
Eine beheizte Sitzbank gibt es übrigens auch als Zubehör. Genauso wie eine Soft-Tasche für die rechte Seite oder ein Topcase. Serienmässiger Stauraum ist aber auch vorhanden. Das beleuchtete, seitlich öffnende Helmfach unter dem Sattel fasst einen Standard-Integralhelm, ein weiteres Fach im Beinschild dient der Aufnahme eines Smartphones. Freilich inklusive Lademöglichkeit über USB-C und mit aktiver Belüftung (wie etwa in der R 18 B oder R 18 Continental).
Concept-Optik
Von der flachen Sitzbank und dem speziellen Winddeflektor ist es nicht mehr weit zur herausstechenden Gesamtoptik. Sie ist ziemlich nahe an den zuvor gezeigten Concept-Modellen dran und polarisiert. Doch egal, ob einem der BMW CE 04 gefällt oder nicht: BMW beweist damit Mut und stellt einen Roller auf die Räder, den man nicht so schnell mit einem anderen verwechselt. Alle Teile scheinen aufeinander abgestimmt und durchdacht. Nur die konventionellen Klapp-Soziusfussrasten fallen da ein wenig aus dem Rahmen.
Ausbau der Modellpalette
Wem der CE 04 trotz erhältlicher praktischer Zubehörteile zu radikal ist, darf sich freuen: Alle 18 bis 24 Monate will BMW nun ein neues E-Modell lancieren. Zunächst nur im Bereich der Urban Mobility, ab 2025 sollen dann auch Motorräder mit E-Antrieb dazukommen.
Links:
Konzeptstudie BMW CE 02: Jugend im Visier