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Atacama und Altiplano

Atacama

Der geniale Wüstenfotograf Michael Martin nimmt uns auf ein weiteres Töffabenteuer mit – in eine der trockensten Gegenden der Erde.

Landung frühmorgens…

…um 4.30 Uhr auf dem Flughafen von Lima. Nach der Passkontrolle warte ich in einem Flughafencafé auf die Öffnung des Cargo-Terminals. Dort steht meine BMW R 1200 GS in einer Holzkiste, eingeflogen aus München. Um neun Uhr können die Zollformalitäten beginnen. Die Verzollung dauert zehn Stunden, währenddessen mache ich die GS fahrfertig. Am frühen Abend dann rolle ich auf der Panamericana nach Süden.

 

Vor mir liegen 2000 km durch die Atacama, eine der trockensten Wüsten der Erde.Das erste Ziel in der Küstenwüste ist die Halbinsel Paracas. An den steilen Küsten dieser weit in den Pazifik hineinragenden Halbinsel leben über 1500 Tierarten, darunter Robben, Wale und Seelöwen. Der dortige Nationalpark lässt auch Motorradfahrer durch seine Tore.

Südlich von Nasca…

…erreicht die Panamericana wieder die Küste. Langgezogene Kurven sind in die Steilküste geschlagen, linker Hand die Wüste, rechts die Brandung des tiefblauen Pazifik: Sicher eine der schönsten Motorradstrecken der Erde.

 

Bei Tanaka ist die gut ausgebaute Panamericana plötzlich unter Sandmassen vergraben, Bulldozer sind pausenlos im Einsatz, um eine Fahrspur freizuhalten. Der Sand stammt vom einzigen Dünengebiet der Atacama, dessen Dünen zu den höchsten der Erde zählen. Ich habe eine der 300 Meter hohen Dünen erklommen, unten steht winzig mein Motorrad, landeinwärts leuchten die schneebedeckten Andengipfel, unter mir brandet der Pazifik an die Küste. Ich spüre viel Vorfreude auf diese Reise, die Wochen später in Feuerland enden soll.

 

Bereits am nächsten Tag steht der Grenzübertritt nach Chile an, der dank eines mitgebrachten Carnet de Passage unkompliziert ausfällt. Bei wolkenlosem Himmel und frischen 5 C geht’s weiter auf der Panamericana durch Chiles wüstenhaften „Grande Norte“. Hier ist der Bergbau schon immer die Haupteinnahmequelle. Ich parke die GS vor der stillgelegten Salpetermine Humberstone, in der von 1872 an Salpeter gewonnen wurde.

 

Der deutsche Forschungsreisende Haenke entdeckte Anfang des 19. Jahrhunderts, dass die Atacama voller Natriumnitrat ist, besser bekannt als Salpeter, Grundstoff für die Schiesspulverherstellung. Als Justus Liebig noch herausfand, dass man aus Salpeter auch Kunstdünger herstellen kann, war der Boom nicht mehr aufzuhalten. Es entstanden zahlreiche sogenannte „Oficinas“, Salpeterbergwerke, die das weisse Gold förderten. Theater, Geschäfte, Wohnhäuser und ein Schwimmbad zeugen vom Wohlstand, den der Salpeter in die Atacama gebracht hatte. Der Boom war aber schnell zu Ende, als der Berliner Chemiker Fritz Haber entdeckte, dass sich Natriumnitrat auch künstlich herstellen lässt. Heute trägt Kupfer zum relativen Wohlstand in Chile bei.

 

San Pedro de Atacama

 

Der kleine Ort im Dreiländereck Chile, Bolivien, Argentinien und am Fuss der Anden, hat sich zur Drehscheibe des Wüstentourismus in Chile entwickelt. Für mich ist es der perfekte Ausgangspunkt für die nächste Etappe hinauf auf den Altiplano Boliviens. Die Ausreiseformalitäten werden am Ortsausgang erledigt, 10 km später – bereits in 4200 m Höhe – weist ein kleines Schild nach Bolivien. Nach 8 km erreiche ich den einsamen Grenzposten.

 

Landschaftlich geht es gleich spektakulär los. Bereits wenige Kilometer nach der Grenze liegt die Laguna Verde am Fusse des 5960 m hohen Vulkans Lincancabur. Ich bin zur Mittagszeit dort und erlebe ein täglich wiederkehrendes Naturschauspiel. Durch den hohen Sonneneinstrahlwinkel und die Reaktion des pflanzlichen Planktons in Verbindung mit dem hohen Blei-, Kalzium- und Schwefelgehalt schimmert die vorher kristallklare Lagune mittags plötzlich grün. In der Mitte beginnt die Reaktion zuerst, von hier aus breitet sich der smaragdgrüne Schimmer über die gesamte Wasseroberfläche aus.

 

Weisse Cirruswolken und rosa Flamingos vervollständigen den Farbenrausch. Nachmittags verlasse ich die Laguna Verde und fahre weiter nach Norden. Die Landschaft ist so spektakulär, dass zwischen den einzelnen Foto- und Filmstops immer nur wenige Kilometer liegen. Die Hochwüste wird überragt von 6000 m hohen Vulkanen, die in den Farben Rubin, Ocker, Braun und Gelb schimmern. Aufgrund der Trockenheit auf dem bolivianischen Altiplano sind sie nicht vergletschert.

 

Ich überquere einen kleinen Pass und erreiche die Laguna Chalviri. In einer Hütte der Nationalparkbehörde finde ich Unterschlupf. Neben der eisigen Kälte im kargen Schlafraum quält mich die dünne Luft, rasende Kopfschmerzen sind die Folge.

Um 4.30 Uhr krieche ich…

in meine kältesteife Lederkombi und gehe in die sternenklare Nacht hinaus. Das Thermometer zeigt 16 C unter Null, trotzdem springt die GS an. Aufgrund der geringen Batteriespannung hat die Elektronik die Beheizung der Handgriffe aber ausgeschaltet. Ich ziehe ein zweites Paar Handschuhe über und in völliger Dunkelheit geht es los. Sofort führt die Piste steil nach oben und erreicht nach 10 km fast die 5000-m-Marke, das Cockpit meldet -22 C. Inzwischen erkenne ich in den Rückspiegeln immerhin einen Dämmerungsstreifen.

 

Auf der Passhöhe liegen die „Geysires Sol de Ma­ñana“. Es ist noch eine Stunde bis Sonnenaufgang, es herrscht Windstärke 10. Der Sturm drückt die Dampfsäulen über den heissen Quellen nieder und jagt den Dampf mit 100 km/h in die Hochwüste hinaus. Der Sturm, das Fauchen des Geysirs und das hundertfache Blubbern der Quellen sorgen für eine furchteinflössende Geräuschkulisse. Die bis zu vier Meter grossen Krater sind von Eiskristallen überzogen, zu denen der austretende Dampf erstarrt ist. Ich bin völlig fasziniert und fotografiere zwischen Kratern, Dampfsäulen und sprühender Gischt hunderte Bilder. Ich muss dabei höllisch aufpassen, auf den glitschigen Steinen zwischen den Kratern nicht auszurutschen. Ein Sturz in einen brodelnden Krater wäre tödlich. Dann geht die Sonne auf und taucht das Dampfspektakel in tiefes Gelb und Orange.Mit steigendem Sonnenstand legt sich der Sturm. Die Dampfsäulen steigen nun hoch in den Himmel. Das Spektakel ist vorüber. Ich koche in der Morgensonne auf meinem Benzinkocher einen starken Kaffee, beisse auf ein Stück hartes Brot und bin einfach nur restlos glücklich.

40 km nördlich…

…wartet das nächste Naturwunder, die Laguna Colorado. Sie ist die schönste der gut hundert Lagunen in der wüstenhaften Region Los Lipez im äussersten Südwesten Boliviens. Sie liegt in einer Höhe von 4275 m, ihr Wasser ist durch pflanzlichen und tierischen Plankton rot gefärbt, aber es gibt auch grüne Partien, die zusammen mit den weissen Borax-Inseln ein buntes Mosaik in der Hochwüste des Altiplano ergeben. Drei Flamingoarten, darunter die seltenen Andenflamingos, sorgen für einen weiteren Farbton. Die 60 qm grosse Lagune ist nur 0,5 m bis 1,5 m tief und Teil des „Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa“.

 

Als die Sonne hinter den umliegenden Bergen verschwunden ist, wird es schlagartig kalt. Die nahe Unterkunft ist wenig einladend. Die fensterlosen Zimmer sind schmutzig, die sanitären Anlagen unbetretbar und der Aufenthaltsraum eiskalt. Morgens zeigt das Thermometer am Motorrad minus 18 C, ich breche noch bei Dunkelheit auf. Die Piste ist ­eigentlich zu schwierig, um sie in der Nacht zu ­befahren, doch ich will rechtzeitig an meinem Tagesziel, dem Salar de Uyuni sein.

Salar de Uyuni

Kaum ist die Laguna Colorada ausser Sichtweite, öffnet sich die Landschaft und wird von versandeten, völlig vegetationslosen Flächen dominiert. Linker Hand zieht der 5869 m hohe Vulkan Ollague mit seiner weissen Rauchfahne vorbei. Nach drei Stunden Fahrt stehe ich am Ufer des grössten Salzseesder Erde, des Salar de Uyuni. Die schwer beladene GS wird von der ausgetrockneten, zwei bis sieben Meter dicken Salzdecke leicht getragen. Plötzlich sind alle auf Pisten üblichen Rumpelgeräusche verschwunden, denn die 160 km x 135 km grosse Salz­fläche ist absolut eben. Nach einer halben Stunde schneller Fahrt steige ich ab und stelle erstaunt fest, dass ich noch lange nicht die Mitte des Salzsees erreicht habe. Die Salzfläche ist von einem feinen Polygonmuster überzogen, das entsteht, wenn das auf dem Salzsee im Sommer stehende Regenwasser im Herbst verdunstet.Am Abend schlage ich mein Zelt auf der Salzfläche auf.

 

Kaum ist die Sonne hinter den fernen Bergen verschwunden, stürzt die Temperatur auf minus 10 C. Jede Minute tauchen mehr Sterne auf, bald leuchtet die Milchstrasse über der Salzfläche des Salars. Bis weit nach Mitternacht hält es mich trotz der Kälte an den Stativen, um die Schönheit dieser Wüstennacht in Bildern einzufangen.

 

Der Rückweg vom Salar de Uyuni nach San Pedro de Atacama in Chile dauert nicht mal zwei Tage. An der chilenischen Grenzstation in San Pedro de Atacama erwartet mich eine böse Überraschung: Ich bekomme einen Haftbefehl präsentiert! Ich werde stundenlang festgehalten und frage nach dem Grund, den man mir nicht nennen kann oder will. Schliesslich lässt man mich mit einem Vermerk im Pass einreisen – und mit der Auflage, mich am nächsten Tag im 100 km entfernten Calama bei der Ausländerpolizei zu melden. Dort wird man konkreter. Ich hätte bei einer Chilereise im Jahr 2000 die Zollfrist für mein Motorrad um einen Monat überschritten. Ich war damals nur ein paar Tage in Chile! Doch wie dem Polizisten erklären, dass es sich wohl um eine Schlamperei des chilenischen Zolls handelt?

Zum Glück habe ich Bilder…

…von der damaligen Reise auf meinem Notebook. So halte ich dem Detectivo einen improvisierten Kurz-Diavortrag zur damaligen Reise, der ihn überzeugt, dass ich nicht mehrere Monate in Chile war, sondern zwischenzeitlich nach Bolivien und Peru gereist bin. Schnell ist er von meiner Unschuld überzeugt, aber den Haftbefehl kann nur ein ordentliches Gericht aufheben! Die Verhandlung wird für Montag in Calama angesetzt. Der ältere Richter erfasst glücklicherweise ebenfalls schnell den Sachverhalt, schüttelt sichtbar den Kopf über die eigene Zollbürokratie und hebt den Haftbefehl auf. Ich bin wieder frei. Mit Vollgas und voller Tatendrang fahre ich die 100 km durch die Atacama zurück zu meinem Campingplatz in San Pedro de Atacama. Und morgen heisst es: Auf nach Argentinien!

Panoramica della recensione
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