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Additive: Was ist ihr Nutzen?

David Kaiser, Diplom-Chemiker und Leiter Forschung & Entwicklung des süddeutschen Schmierstoff- und Additivherstellers Liqui Moly. Foto: Archiv TÖFF-Magazin / Richard A. Meinert

Was ist dran an Additiven, die als Zusatzmittelchen die Eigenschaften von Öl oder Benzin verbessern sollen?

David Kaiser, Diplom-Chemiker und Leiter Forschung & Entwicklung des süddeutschen Schmierstoff- und Additivherstellers Liqui Moly im Interview mit dem „TÖFF-Magazin“ (ursprünglich publiziert im „TÖFF-Magazin“ 05/2016).

 

1. Chemie im Einsatz: Reinigende Treibstoffzusätze lassen die Ablagerungen an den Einspritzdüsen abplatzen. 2. + 3. Aufnahme einer Einspritzdüse durch das Elektronen-Rastermikroskop: Mit Ablagerungen (Bild 3) und gereinigt, nach der Additiv-Behandlung (Bild 2). Fotos: Archiv TÖFF-Magazin / Meinert / Liqui Moly

1. Chemie im Einsatz: Reinigende Treibstoffzusätze lassen die Ablagerungen an den Einspritzdüsen abplatzen. 2. + 3. Aufnahme einer Einspritzdüse durch das Elektronen-Rastermikroskop: Mit Ablagerungen (Bild 3) und gereinigt, nach der Additiv-Behandlung (Bild 2). Fotos: Archiv TÖFF-Magazin / Meinert / Liqui Moly

 

Wirkung von Additiven

Herr Kaiser, in den Foren des Internets sind Benzin- oder Ölzusätze ein Reizthema. Die einen warnen vor Motorschäden, die anderen sind begeistert. Wie wirken überhaupt Additive?

Kaiser: Moderne Additive halten einerseits den Motor sauber und entfernen Rückstände, andererseits können sie die Verbrennung verbessern und die Reibung zwischen Metallteilen verringern.

Was macht ein modernes Benzin-Additiv aus?

Zum einen die sehr gute Reinigungsleistung und Wirkstoffe, welche die Gemischbildung unterstützen. Unser Motorbike-Speed-Additiv z. B. ermöglicht eine schneller ablaufende Verbrennung, welche knackigere Kraftentfaltung und bessere Motorleistung zur Folge hat.

Aber Oktan-Booster gibt es doch schon lange.

Das Motorbike-Speed-Additiv ist kein Oktan-Booster, der nur die Klopffestigkeit des Sprits verbessert. Das Speed-Additiv tritt schon, bevor etwas im Brennraum passiert, in Aktion. Erstens mit reinigender Wirkung an den Einspritzdüsen oder im Vergaser. Zweitens, weil das Benzin- Luft-Gemisch durch unseren Zusatz homogener zerstäubt und dadurch die Flammgeschwindigkeit im Brennraum erhöht wird. Ergo haben wir im OT-Bereich einen höheren Verbrennungsdruck, das gibt eine beschleunigte Kolbengeschwindigkeit – und wo spürt man das? Am Durchzug! Und was heisst das? Mehr Spass.

Das tönt ja wie ein Heilsversprechen durch Wunderheilung mittels Handauflegen …

Dass zugesetzte Spezialmoleküle wirken, ist kein Geheimnis oder Hokuspokus. Viele Chemikalien sind ohnehin in Treibstoffen und Ölen enthalten.

 

1. Liqui Moly ist seit Jahren auf Expansionskurs. 2. Ablagerungen an Kolbenringen führen zu erhöhtem Ölverbrauch und diese zu noch mehr Ablagerungen. 3. Im Labor werden Dutzende von Molekülkombinationen entworfen, getestet und Tausende Analysen durchgeführt. Fotos: Archiv TÖFF-Magazin / Meinert

1. Liqui Moly ist seit Jahren auf Expansionskurs. 2. Ablagerungen an Kolbenringen führen zu erhöhtem Ölverbrauch und diese zu noch mehr Ablagerungen. 3. Im Labor werden Dutzende von Molekülkombinationen entworfen, getestet und Tausende Analysen durchgeführt. Fotos: Archiv TÖFF-Magazin / Meinert

 

Das Naturprodukt Erdöl variiert in Qualität und Zusammensetzung

Aha. Aber warum also sollte man dann noch Zusatz-Additive ins Öl oder ins Benzin kippen?

Moderne Antriebsstränge begeistern durch immer höhere Leistung, aber sie reagieren auch empfindlicher auf Ablagerungen. Arbeitsdrücke und Verbrennungstemperaturen sind weit höher als früher. Schon geringe Rückstände können daher die Funktionsweise negativ beeinflussen. Dazu ist Benzin im Laufe der Jahre qualitativ immer schlechter geworden. Dies ist jedoch nicht nur dem Einsatz von biologischen Streckmitteln (Ethanol) geschuldet. In den 70ern kam das Erdöl mehr oder weniger immer aus den selben Quellen, nahezu ausschliesslich aus Arabien. Man hatte also immer die selbe Ölqualität zur Weiterverarbeitung und die Raffinerien waren noch nicht in die Jahre gekommen. Heute kommt das Öl aus Russland, aus Süd- und Nordamerika, aus Arabien und der Nordsee. Und weil Erdöl ein Naturprodukt ist, unterscheidet es sich massiv in der Qualität und Zusammensetzung. Das heisst, der Rohstoff, der den Raffinerien heute zur Verfügung steht, differiert mehr und mehr. Auch sind die Raffinerien heutzutage auf einem komplett unterschiedlichen technologischen Stand. Und das, was früher nach der Raffinierung übrig blieb, hat man eben in Schiffsmotoren verbrannt. Nun wird das minderwertige Schweröl auch noch aufgearbeitet – zu Crackbenzin. Das jedoch ist von geringerer Qualität, als ein Straight-Run-Benzin, welches direkt aus dem Erdöl abdestilliert ist. Und dann wird da zu allem auch noch Ethanol beigemischt.

Mit welchen Folgen?

Gerade im Export zeigt sich, dass Fahrzeuge wegen der differierenden chemischen Zusammensetzung des Benzins zunehmend Probleme bekommen. Es treten Störungen auf, die nicht ursächlich konstruktiver Natur sind. Zum Beispiel erhöhter Ölverbrauch, schlechte Abgaswerte und Motorleistung. Die Verbrennung leidet unter Ablagerungen an den Einspritzdüsen, den Ölabstreif- und den Kolbenringen. Die Folgen: Einspritzdüsen zerstäuben nicht mehr wie vorgesehen, die Verbrennung verläuft nicht mehr optimal, die Kolbenringe werden schwergängig, und daraus resultiert wiederum ein noch höherer Benzin- und Ölverbrauch – ein Teufelskreis.

Wie entstehen diese Ablagerungen?

Moderne Motoren werden viel heisser betrieben als früher. Die langkettigen Kohlenwasserstoffe des Motorenöls verbrennen daher teilweise, es entstehen reaktive Moleküle, die polymerisieren, das heisst, es entstehen Riesenmoleküle, ähnlich einem Kunststoff namens Polystyrol. Diese Polymere sind teilweise auch noch klebrig – es lagern sich also leichter immer neue Ablagerungen an – und meistens sind diese Polymerketten auch noch ein bisschen sauer, weil sie bei der Verbrennung teiloxidiert wurden.

Was heisst das?

Säure ist reaktiv und greift Metall an. In vielen unserer Additive sind deshalb Amine drin, die sind etwas basisch. Die können die sauren Ablagerungen neutralisieren und somit ablösen, oder das Ablösen erleichtern. Reinigungs-Additive sind also chemisch gesehen Moleküle, die an diese unerwünschten Polymerketten andocken können … so etwas wie spezielle Seifen für den Schmutz im Motor. Unsere Motorspülung, welche vor dem Ölwechsel zugegeben wird, löst auf diese Weise die Verunreinigungen ab und die werden dann mit dem alten Öl abgelassen – das belastet den Motor nicht, weil das neue Öl erst nach dem Waschen zum Einsatz kommt.

 

Liqui-Moly-Labor: Forschung für Hightech-Produkte und strikte Qualitätskontrollen der Rohstoffe und Erzeugnisse. Foto: Archiv TÖFF-Magazin / Meinert

Liqui-Moly-Labor: Forschung für Hightech-Produkte und strikte Qualitätskontrollen der Rohstoffe und Erzeugnisse. Foto: Archiv TÖFF-Magazin / Meinert

Motorrad- vs. Automotor?

Wie unterscheidet sich für den Chemiker ein Motorrad- von einem Automotor?

Moderne Motorräder haben deutlich höhere Literleistungen als der durchschnittliche Automotor. Ihr Drehzahlniveau ist deutlich höher, die Kühlung ist nicht ganz so gut und oft ist das Motorenöl und das Getriebeöl dasselbe. Die Additiv-Formulierung für ein Motorradöl muss deshalb eine andere sein, weil sie auf diese speziellen Bedingungen ausgerichtet sein muss.

Wie entsteht ein Additiv bei Liqui Moly ?

Nehmen wir als Beispiel unseren Benzinstabilisator: Klar brauche ich da ein Antioxidanz, das die Alterung von Benzin verlangsamt. Dann heisst es: kenne deinen Feind. Und der heisst Korrosion. Young- und Oldtimer sind da am heikelsten. In alten Motoren sind Aluminiumbauteile drin, die den Ethanolanteil in modernen Kraftstoffen nicht vertragen. Das heisst, dass wir einen Aluminium-Korrosionsschutz hinzufügen müssen. Schauen wir weiter, was problematisch ist: Dichtungen und Materialien alter Fahrzeuge kommen meist auch nicht mehr mit den neuen Benzinarten oder Ölen zurecht. Einen sogenannten Seal Sweller, der den Dichtungen Elastizität zurückbringen kann, kommt noch rein … und so weiter. Habe ich alle infrage kommenden Rohstoffe zusammen, machen wir Versuchsreihen, schauen, womit die besten Ergebnisse zu erreichen sind. Es werden Dutzende von Molekülkombinationen entworfen und getestet, Tausende Laboranalysen durchgeführt und neue Produkte Tausende von Kilometern gefahren. Unabdingbar sind auch strikte Qualitätsnormen und -kontrollen, beginnend bei der Auswahl der Rohstoffe.

 

Von Michael Kutschke (Text / Interview) und Richard A. Meinert (Fotos)

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