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50 Jahre CB-Reihenvierzylinder von Honda

Mit der CB750 Four läutet Honda vor 50 Jahren ein neues Zeitalter in der Motorrad-Entwicklung ein. Diesem ersten echten Superbike mit luftgekühltem Reihenvierzylinder folgten zahlreiche weitere interessante CB-Four-Modelle.

1969 – das Jahr des Umbruchs, der Studentenunruhen, der grossen Pop-Festivals und der technischen Revolutionen. In Zürich und anderen europäischen Städten demonstrieren Tausende, vorwiegend Jugendliche, gegen Bildungspolitik, Vietnamkrieg und grundsätzlich gegen das Establishment. In White Lake, im US-Bundesstaat New York, feiern über 400 000 begeisterte Besucher und 32 Bands – mit Musikern wie Jimmy Hendrix, Janis Joplin, The Who, Santana usw. – anlässlich des legendären Woodstock-Festivals „3 days of peace & music“. Der VW-Transporter T1 (Bulli) und der Mini – Letzterer sowohl als Auto als auch reizvolle Damenbekleidung – ist bei der Hippie-Generation schwer angesagt. US-Astronaut Neil Armstrog betritt als erster Mensch den Mond, und mit der Boeing 747 Jumbo Jet startet das anschliessend über Jahrzehnte grösste Passagierflugzeug der Welt zum Jungfernflug.

Konkurrenz aus Fernost

Eine ähnlich grosse Revolution bahnt sich zu jener Zeit in der Motorradwelt an. Etablierte europäische Marken wie BMW, Triumph, Matchless, BSA, Ducati, Laverda, MV-Agusta usw. erhalten zunehmend Konkurrenz aus Fernost. Zunächst als „Reisschüsseln“ und „Japan-Schrott“ belächelt und verspottet, erfreuen sich die kleinen und preiswerten Modelle von Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki hierzulande einer stark wachsenden Fangemeinde. Bezüglich Leistung sind die leichten und handlichen Ein- und Zweizylinder-Zwei- und -Viertakter absolut auf Augenhöhe mit ihren Kontrahenten und in Sachen Agilität und Zuverlässigkeit sogar klar überlegen. Aufgrund der starken Fernost-Offensive geraten namhafte europäische Hersteller enorm unter Druck, in Zugzwang und zuweilen in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Einige sind sogar gezwungen, Konkurs anzumelden.

Eine Original-Four mit einer Replika auf Basis der nostalgischen CB1100.

Donnerschlag CB750 Four

Und dann katapultiert Honda 1969 mit der CB750 Four die gesamte Branche in ein neues Motorrad-Zeitalter. Im Herbst des Vorjahres an der 15. Tokyo Motor Show enthüllt, entfacht das erste Serienmotorrad mit quer zur Fahrtrichtung eingebautem Reihen-Vierzylinder sowohl beim Publikum als auch bei den Mitbewerbern eine ungeahnte Resonanz. Der Bezeichnung Four (vier) entsprechend kann der Trendsetter nebst den vier Zylindern und vier Takten auch mit vier Vergasern und einer wunderschönen Vier-in-vier-Auspuffanlage aufwarten. Die Vierventiltechnik folgt dann allerdings erst Jahre später. Konzipiert als sportliches Big-Bike mit Allroundqualitäten begeistert die Four vor allem auch in optischer Hinsicht. Und das zeitlos schlichte Design wirkt selbst heute, ein halbes Jahrhundert später, noch immer schick und attraktiv.

67 PS bei 8000 Umdrehungen

Aus 736 ccm Hubraum drückt das luftgekühlte Aggregat in seiner ersten Ausführung für die damaligen Verhältnisse sagenhafte 67 PS bei 8000/min auf die Kurbelwelle. Das maximale Drehmoment von 60 Nm erreicht das über vier Keihin-Schiebervergaser mit je 28 mm Durchmesser beatmete Aggregat bei 7000/min. Eine mittels Kette angetriebene obenliegende Nockenwelle (SOHC) steuert je zwei Ventile pro Zylinder, welche schraubengefedert über Kipphebel geöffnet werden. Der Elektrostarter ist bereits damals bei Honda nichts Neues, ganz im Gegensatz zur erstmals in einem Serienmotorrad verbauten hydraulischen Scheibenbremse. Mit knapp über 200 km/h Spitze und unter sechs Sekunden von 0 auf 100 km/h schraubt die CB750 die Leistungsgrenzen ein ganzes Stück höher. Und mit lediglich 3,25 kg pro PS erreicht das 218 kg schwere Superbike auch ein rekordverdächtiges Leistungsgewicht.

 

Desmodromische Vergaseransteuerung

In nahezu 10 Jahren Bauzeit wird die CB750 Four permanent weiterentwickelt. Das erste Modell mit der Typenbezeichnung K0, heute bekannt als „Sandguss“, wird vorwiegend in den USA und im Heimmarkt angeboten. Eine Besonderheit ist das Eins-in-vier-Gaszugsystem, wobei eine Wippe die Befehle vom Primärgaszug auf vier einzelne Kabel an die Vergaser weiterleitet. Dieses relativ schwierig zu synchronisierende System wird bereits ein Jahr später mit dem Folgemodell K1 durch eine desmodromische Vergaseransteuerung mit je zwei Gaskabeln pro Vergaser ersetzt. 1972 wird die CB750 Four mit der K2 erstmals aufgehübscht. Blinker, Rücklicht, Sitzbank und der hintere Kotflügel sind neu gezeichnet. Die zwischen 1973 und 1975 gebauten weiteren Typen K3, K4 und K5 werden wiederum ausschliesslich auf dem US-Markt angeboten.

Sportlicher: CB750F1

1975 stellt Honda den K-Typen die sportlicher orientierte CB750F1 zur Seite. Markanteste Unterschiede sind die Vier-in-eins-Auspuffanlage sowie die teilweise verkleidete Heckpartie. Die hintere Trommelbremse wird durch eine Scheibenbremse ersetzt, Vergaser und Nockenwelle werden überarbeitet. Die erste für den europäischen Markt relevante Modelländerung betrifft 1976 die K6, die mit neuem Tank und Lenker sowie auf 63 PS reduzierter Leistung anrollt. Befeuert vom Motor der CB750F1 kann die K7 ein Jahr danach wiederum mit 67 PS auftrumpfen. Ebenfalls 1977 schickte Honda die auf 73 PS und 63 Nm erstarkte CB750F2 als Nachfolgerin der F1 ins Rennen. Dazu gibt es sportliche Chromstar-Felgen und vorn eine zweite Bremsscheibe. Insgesamt laufen im Zeitraum vom Frühjahr 1969 bis Herbst 1978 in den Werken von Saitama, Hamamatsu und Suzuka über eine halbe Million CB750 Four in 13 verschiedenen Modellvarianten von den Bändern.

Die CB-Modellfamilie wächst

Seit der Lancierung der ersten CB750 Four hat Honda den Reihenvierer in unzähligen Versionen permanent weiterentwickelt und ist ihm und damit der CB-Baureihe bis heute treu geblieben. Nachdem der erste Reihenvierer an der Verkaufsfront wie eine Bombe einschlägt, ist es naheliegend, dass der weltweit grösste Motorradhersteller diesen Erfolg auch in der Mittelklasse fortsetzen will. 1971 läuft die erste nach gleichem Konzept und in identischem Stil aufgebaute CB500 Four von den Bändern und bereits ein Jahr später die etwas kleinere und leichtere CB350 Four. 1975 spendiert Honda der CB400 Four erstmals ein Sechsganggetrieben und eine Vier-in-eins-Auspuffanlage mit den wahrscheinlich bis heute schönsten Krümmern. Im Unterschied zu diesem leichten und attraktiven Bike wird die ein Jahr danach lancierte CB750A als erste Honda mit automatischer Übersetzung kein Erfolg.

Supersportler: CB1100R

Ganz im Gegensatz zur CB900F von 1979, deren 95-PS-Reihenvierer erstmals mit zwei obenliegenden Nockenwellen (DOHC) und 16 Ventilen auftrumpfen kann. Aufgebohrt auf 1062 ccm steigt das auf 115 PS erstarkte Bike 1981 als einplätziger Supersportler CB1100R ins Rennen. Auf dem in limitierter Auflage mit Strassenzulassung gebauten Renner fahren die Legenden Ron Haslam und Wayne Gardner diverse Langstreckenerfolge ein. In Erinnerung an die legendäre CB750 aus den 1970er-Jahren kreiert Honda 1992 ein Classic-Bike mit identischer Bezeichnung – allerdings erstmals mit flüssigkeitsgekühltem Motor.

Ein halbes Jahrhundert liegt zwischen der CB750 Four (mitte) und den Neo Sports Café Bikes CB650R (links) und CB1000R.

Die CBs und die Neuzeit

Mit 1284 ccm ist die ab 1998 produzierte CB1300 das bisher hubraumstärkste CB-Four-Modell. Ausgestattet mit Einspritzung und schicker Halbschale läuft sie ab 2005 als CB1300S von den Produktionsbändern. 2010 lanciert Honda das traumhaft schöne Classic-Bike CB1100 mit luftgekühltem Motor und legt 2017 die aufgehübschten EX- und RS-Versionen nach. Klassische Stilelemente in postmoderner Umsetzung kombiniert mit zeitgemässer Technik – das ist das Konzept der im vergangenen Jahr eingeführten Neo-Sports-Café-Familie und deren Vierzylinder-Flaggschiff CB1000R. Seit nunmehr 50 Jahren bilden die CB-Reihenvierzylinder das starke Rückgrat des vielseitigen Honda-Modellangebots.

 

Text: Hanspeter Küffer

Fotos: Zep Gori, Honda, Archiv

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