Test Yamaha R7 – mit Video!
Preiswerter Einsteiger-Sportler, Schaf im Wolfspelz, Showbike, kompetitiver Light-Racer? Was genau führt Yamaha mit der neuen R7 im Schilde? Wir finden es heraus. Auf der Strasse und auf dem Track.
Im Supersport-Line-up von Yamaha klaffte eine grosse Lücke zwischen der R125 und der R3 bzw. der «Entry level»-Klasse und den hochpreisigen Ü-100-PS-Racern R6 und R1. Wobei die Japaner insbesondere bei folgenden Kundenkreisen Brachland sahen: Neu-, Auf- und Wiedereinsteigern, Frauen sowie Pisten-Novizen Brachland. Also musste ein Supersportler her, der folgende Eigenschaften in sich vereint: zugänglich und vertrauensfördernd, fähig bzw. versiert aber auch komfortabel und – bezahlbar! Die Yamaha R7.
Herzangelegenheit
Nichts war naheliegender, als bei der Motorwahl der ab Oktober für 9790 Franken erhältlichen R7 auf das inzwischen fast schon legendäre CP2-Aggregat aus dem Bestseller MT-07 zurückzugreifen. Auch in der R7 leistet der Reihenzweizylinder mit 689 ccm Hubraum seine 73,4 PS und stemmt ein Drehmoment von 67 Nm. Allerdings wurde die Sekundärübersetzung angepasst. Weitere technische Eigenheiten der R7 sind neben der Vollverschalung:
- das optimierte Kühlsystem
- das hinsichtlich einer etwas direkteren Ansprache modifizierte Gaszug-Pulley
- eine kleinere, 1,1 Kilo leichtere Batterie
High-end-Komponenten
Beim mehrfach prämierten Motor hatten die Ingenieure also nicht viel Arbeit, umso mehr haben sie sich dafür beim Chassis in ins Zeug gelegt:
- Steif verschraubte, seitliche Rahmenplatten
- hinsichtlich Rigidität und Geometrie optimierter vorderer Bereich des Stahlrohr-Rückgratrahmens
- um 0,8 Grad steilerer Lenkkopfwinkel.
Und jetzt kommts:
- voll einstellbare 41-mm-USD-Gabel von Kayaba
- neue Gabelbrücken – die untere geschmiedet
- radiale Vierkolbenzangen mit einer Radialpumpe von Brembo
- filigrane 10-Speichen-Alugussfelgen
- S22-Gummis von Bridgestone.
Und das alles notabene an einem Töff für unter 10‘000 Franken.
Strasse: Auf Kurvenpirsch
Ende September im noch hochsommerlichen Almeria: Am Morgen unseres Testtags stehen 140 Kilometer auf den sonnengefluteten Strassen des Andalusischen Hinterlands auf dem Programm. Am Nachmittag muss sich die R7 auf dem Circuito Andalucía behaupten.
Beim Platznehmen stellt sich sogleich heraus: Die R7 orientiert sich ergonomisch eher an der R6 denn an der R3. Sie baut kompakt, und man findet sich in einer versammelten Körperhaltung mit konzept-typisch-engem Kniewinkel wieder.
Die R7 macht generell einen wertigen Eindruck und versprüht viel Qualität – hier und dort sogar Premium. Wobei auch das LC-Display mit modernen Graphics auf schwarzem Hintergrund nicht von schlechten Eltern ist. Die R7 ist solid gebaut, wirkt wie aus einem Guss gefertigt – nichts klappert, wackelt oder fällt optisch aus den gelungenen Gesamterscheinungsbild. Oder anders ausgedrückt: Yamaha macht mit der R7 ernst – das ist kein Budget-Spielzeug sondern ein in jeder Hinsicht ausgewachsenes Sportmotorrad.
Druck und Puste
In der R7 gibt sich der CP2-Twin als vertrauter Gefährte: Schon ab 1500/min werkelt er rund vor sich hin, bietet in der Mitte selbstbewusst massigen Druck und zieht sauber und höchst-linear durch. Böse Überraschungen wie Drehmomentlöcher oder sprunghafter Leistungsanstieg? Fehlanzeige! Die Ansprache könnte nicht sanfter ausfallen. Und auch im Begrenzer um 10‘500/min behält der CP2 die Contenance. Allerdings treten im oberen Drehzahldrittel hochfrequente Vibes zutage, die auf Dauer an Händen und Füssen einschläfernd wirken können.
Natürlich ist bei 73,4 PS irgendwann fertig mit dem Feuerwerk, doch um das Billett nachhaltig aufs Spiel zu setzen reichts alleweil. Überholprestige ist jedenfalls in ausreichendem Mass vorhanden. Und generell gilt: In Sachen Linearität macht dem CP2 im Segment kein anderer Motor etwas vor. Homogen, berechenbar, absolut harmonisch und durchaus schaltfaul fahrbar. Apropos Sechsganggetriebe: Dieses lässt sich in beide Richtungen schön knackig und mit tollem Einrastfeedback bedienen. Auch der Sound ist der gute Alte geblieben.
Und wie steht es um das «Fehlen» der elektronischen Assistenzsysteme? Bei perfekten Bedingungen, wie wir sie heute um Almeria vorfinden, absolut kein Problem. Was auch an den formidablen S22 liegt, die sich Yamaha als Erstbereifung von Bridgestone liefern lässt. Und wer den Kopf bei der Sache hat dürfte auch bei Nässe und kühlen Bedingungen keine Probleme haben. Nur Positives haben wir abschliessend von der Kupplung zu berichten.
Mit Schwung in den Flow
Normalerweise ist bei Motorrädern dieser Preisklasse beim Kurvenräubern ab einer gewissen Schräglage Schluss mit Vertrauen. Nicht so bei der R7. Es beginnt beim überraschend luftigen Handling mit ausgesprochen neutralen Einlenkverhalten. Zieht sich über die hervorragende Präzision weiter. Glänzt parallel mit sauberer Stabilität und endet mit viel Effizienz am Kurvenausgang. Kein Übersteuern, kein Untersteuern und erstaunlicherweise auch kein Aufstellmoment beim Hineinbremsen. Diese Balance hat einen Pokal verdient! Und garniert wird das Ganze von einem Feedback, das bei dieser Gewichts- (gerade einmal 188 Kilo fahrfertig), Leistungs- und Preisklasse voll und ganz zu überzeugen vermag.
Und so schwingen wir uns von Vollschräglage zu Vollschräglage, ankern mit Elan ins Eck und pfeffern mit viel Vertrauen und spendablem Vollgasanteil aus den Kehren. Denn mit den 73,4 PS werden diese Reifen locker fertig. Wobei auch von hinten stets ein klares Gefühl für die Reserven durchdringt.
Bleiben die Bremsen. Auch hier kommt Top-Ware zum Einsatz, und das spürt man in der Praxis. Der Druckpunkt ist definiert, aber sicher nicht giftig, sodass auch Einsteiger problemlos damit klarkommen. Dosieren lässt sich die Bremsleistung wie mit der Pipette, und die Power der Verzögerungseinheit ist auf Wunsch richtig muskulös
Track: Bedenkenlos vollgasgeben
Prinzipiell gilt das oben Festgehaltene genau so für die Rennstrecke. Der noch taufrische Circuito Andalucía wurde als ein 5 km langer, eher schmaler und hoch-technischer Rundkurs angelegt. Mit einer 200-PS-Keule würden wir dieses Asphaltband tunlichst meiden, denn nach einem Fahrtag wäre man körperlich schlicht zerstört. Auf der R7 allerdings ging dieser Track nicht nur locker von der Hand, es war auch eine Riesengaudi. Denn man ist völlig stressfrei unterwegs. Voll Aufziehen aus den engen Kehren ist kein Problem – erst Recht nicht mit den Bridgestone Battlax Racing R11, die Yamaha für uns aufgezogen hat.
Bei den schnellen Bögen muss man sich dagegen wieder an die Kunst des Schwungs gewöhnen. Heisst also Fokus auf korrekte Gang-, Drehzahl- und Linienwahl sowie eben…viel Schwung mitnehmen. Mit der R7 funktioniert das prächtig: Sie hat zwar einen überschaubaren Vortrieb, doch dank des versierten Chassis lässt man sich hier jedes einzelne PS auf der Zunge zergehen. Und zwar kräfteschonend.
Yamaha R7: Fazit
Mit der R7 hat Yamaha nicht nur die Lücke zwischen der R3 und der R6 geschlossen, sondern praktisch ein neues Segment begründet. Jenes der zugänglichen, begeisternd-fähigen und preiswerten Supersportler. Endlich wieder einmal guten Gewissens beherzt Vollgas geben und sich mit viel Vertrauen dem nachhaltig wiederkehrenden Flow-Erlebnis hingeben! Jetzt nach dem gleichen Prinzip noch eine R9, und die Welt ist in Ordnung!
Info : www.yamaha-motor.ch