Test der neuen K-1600-Modelle von BMW
Motor, Elektronik, Rahmen, Fahrwerk, Geometrie, Bremsen – alles ist identisch. Und dennoch stehen die vier aufgefrischten K-1600-Modelle von BMW nicht nur optisch, sondern auch fahrdynamisch jeweils für ziemlich divergierende Welten.
Was haben die neuen K-1600-Modelle mit dem 2016 verstorbenen Schauspieler Bud Spencer am Hut? Viel mehr, als man denken würde! Nehmen wir die Tatsache, dass der Neapolitaner von seinen Gegnern immer wieder unterschätzt wurde. Sprich: Wenn Bud seinen legendären Dampfhammer zur Anwendung brachte, blieb nichts und niemand stehen. Also Power ohne Ende, und das gilt auch für den nach wie vor 160 PS starken K-Reihensechszylinder, der ab 2022 die Ärmel noch weiter hockrempelt.
Wie Spencer sind auch die Töff aus der K-Serie imposant, wiegen fahrfertig je nach Modell zwischen 343 (GT) und 370 Kilo (Grand America). Würde man die K-Töff nun aber mit verbundenen Augen fahren, so garantiere ich, dass man sich dabei auf Fahrzeugen mit einem Lebendgewicht um die 250 Kilo wähnen würde. Tatsächlich grenzen bei den neuen K‘s Einlenkverhalten und insbesondere die Leichtigkeit beim Handling fast schon an Unverschämtheit!
Und abschliessend war Bud Spencer in seinen Rollen auch sehr wandelbar. Genau so hat auch das K-Konzept unerwartet viele Facetten im Köcher stecken. Zu guter Letzt machte und macht Bud Spencer einfach enorm viel Laune. Wer nun wie ich Mitte Februar 2022 die Möglichkeit hatte, das K-Line-up auf den Prachtsstrassen Andalusiens ausgiebig durchzutesten, wird mir beipflichten, dass dieses Attribut eins zu eins auch auf die Luxusliner aus dem Hause BMW übertragen werden kann.
Mehr Druck, weniger Emissionen
Seinen Start fand das K-1600-Kapitel bei BMW im Jahr 2011 mit der Lancierung der GT und der mit Topcase und diversen Zusatzausstattungen auf Langstreckenkomfort ausgelegten GTL. Sechs Jahre später erfolgte das erste grosse Update, und mit ihm wurde der stylische Bagger «B» mit tropfenförmig zulaufenden Koffern eingeführt. Hauptzweck des 2022er-Updates war nun sicher die Bewältigung der Euro-5-Hürde. Doch wer glaubt, BMW hätte sich damit zufriedengegeben, der bzw. die irrt: Mit der «Grand America» erhielt die nun vierköpfige Familie eine auf Langstreckeneinsätze optimierte Version der B, ebenso diverse technische Verbesserungen sowie – bei allen Modellen – eine spendable Erweiterung des Serienumfangs.
Dank neuen Klopfsensoren und Katalysatoren, der Erweiterung um zwei auf vier Lambdasonden und der Implementierung eines neuen Motorsteuergeräts werden nicht nur die Euro-5-Regularien erfüllt. Es ergeben sich auch Verbesserungen in Bezug auf den Leistungs- und Drehmomentverlauf. Der Reihensechser leistet zwar nach wie vor 160 PS, diese stehen neu aber bereits 1000/min früher an. Zudem stieg das maximale Drehmoment um 5 auf neu 180 Nm an (bei 5250/min).
Ein weiteres grosses Plus stellt sicher das neu serienmässige, adaptive Fahrwerk «Dynamic ESA» der neusten Evolutionsstufe «Next Generation» dar.
Design und Praktisches
Was die neue, deutlich schnittigere Frontpartie betrifft, , so wurde diese aus der R 1250 RT übernommen, für den Einsatz in den K-Modellen aber nochmals verfeinert. Ein echter Gewinn ist klar auch das neue und ebenfalls aus der RT bekannte 10,25-Zoll-TFT-Display mit umfassender Konnektivität. Bedienung via Multicontroler und Lenkertasten, Menüführung und Ablesbarkeit sind in der Motorradwelt aktuell die Referenz. Und das Koppeln von Mediaquellen fällt kinderleicht aus. Pfiffig sind zudem das serienmässige Smartphone-Ablagefach oben im Cockpit mit Lademöglichkeit, Kühllüfter und Diebstahlfunktion. Der intelligente Notruf «eCall» ist neu ebenfalls serienmässig mit an Bord ist.
Check der technischen Basis
Na dann wollen wir mal! Vor uns stehen 270 kurvenreiche Kilometer durchs sonnige Hinterland von Malaga! Der Reihensechszylinder ist und bleibt ein Meisterwerk an Laufkultur, Kraft, Durchzug und Dynamik. Seidenfeine Ansprache, absolut fähiger, präzise und schnell arbeitender Quickshifter, durchdachte Getriebeabstufung. Und mit der neuen Auslegung wirken die aufgefrischten K-Modelle unten und in der Mitte noch bäriger.
Effektiv bewegt man alle K-Modelle vornehmlich im Bereich zwischen 2000 und 4500/min. Drüber darf man den Vierundzwanzigventiler durchaus drehen, das muss (und will) man aber nicht. Freilich entfesselt er seine 160 PS «erst» bei 6750/min, das Drehmomentmaximum liegt aber schon kurz nach 4000/min an. Und es handelt sich hier explizit um einen Motor, dessen Qualitäten klar im erheblichen Drehmoment stecken.
Alles, was man wissen muss, konzentriert sich übersichtlich dargestellt und mit hervorragender Ablesbarkeit auf dem 10,25-Zoll-Screen. Es ist noch frisch, also aktiviere ich Griff- und Sitzheizung. Schon wenige Sekunden nach meinem Wunsch nach wohliger Wärme werde ich bedient. Ebenso ist die stufenlose Einstellbarkeit der Windschutzscheiben ein tolles Komfort-Feature. Jede K hat ihre eigene Scheibe, wobei sich herausgestellt hat, dass ein Einpegeln des oberen Scheibenrands knapp unter dem Sichthorizont die beste Performance bietet.
Stauraum gibt es je nach Modell zu Genüge, wobei die beiden GT-Modelle mit ihren Koffern etwas spendabler ausfallen als die dafür eleganter geschnittenen Pendants an den B-Schwestern. Die Bedienung der via Zentralverriegelung abschliessbaren Koffersysteme? Bon, gut, prima.
Den Check der Neuerungen, die alle K-Modelle betreffen, schliessen wir mit den Bremsen ab. Und das ist schnell erledigt. Ansprache: klar definiert. Dosierbarkeit: vorbildlich. Verzögerungskraft: Ich hätte keine Scheu, die eine oder andere Runde auf der Rennstrecke zu drehen.
Ergonomie bestimmt Dynamik
Bevor wir nun bei jedem Modell auf die Fahr- bzw. Kurvendynamik eingehen, gibt’s einen kurzen Exkurs zwecks Einordnung der einzelnen Modelle: Grundsätzlich gibt es für die K-BMWs zwei unterschiedliche Zielmärkte. Während BMW mit der B und der Grand America klar den US-amerikanischen Markt im Visier hat, zielen die beiden GTs auf Europa. Die B – mit einem Preis ab 27‘100 Franken die günstigste im Reigen – ist der coole Bagger, der quasi nur das «Nötigste» mitführt. Die nächste auf der Preisskala ist die sportliche, 50 Franken teurere GT. Es folgt ein happiger Sprung zur GTL (ab 29‘350 Franken) und nochmals einer zur teuersten K, der Grand America (ab 31‘040 Franken).
Einstimmen mit der B
Wir starten mit der B. Die Ergonomie ist entspannt-aufrecht. Das Sitzpolster ist im Schritt ergonomisch-rund geformt, wobei die Stiefel bei einer Sitzhöhe von lediglich 750 mm stets sicheren Bodenkontakt finden. Der tief eingebaute und stark nach vorn geneigte Sechszylinder zaubert nun zusammen mit der niedrigen Sitzbank einen rekordverdächtig tiefen Schwerpunkt aufs Parkett. Entsprechend liegt die B in Schräglage atemberaubend satt. Gepaart mit dem unglaublich leichten Handling, ergibt sich so ein unverschämt stimmiger und süffiger Mix aus Handling und Stabilität. Selbst Haarnadeln gehen mit diesem mächtigen Motorrad spielend von der Hand. Und das gilt gleich für alle K-Modelle. Limitierender Faktor sind beim Kurvenräubern die Trittbretter (B und Grand America). Da braucht es dann aber schon eine sehr anständige Schräglage. Der einzige echte Kritikpunkt bei allen Ks ist die Positionierung der Fussrasten: Denn bei 174 cm Körpergrösse kreuzen sie beim Ampelstopp jeweils die unteren Waden.
Mächtige Grand America
Sehr ähnlich fühlt sich die 26 Kilo schwerere Grand America an. Zwar liegt sie aufgrund des höheren Schwerpunkts (Topcase) nicht ganz so vorbildlich-satt im Eck. Die diesbezügliche Performance ist aber immer noch ausgezeichnet.
GT: Der Sportler
Zeit für die GT. Sie ist klar die sportlichste im Quartett, was sich etwa an der Sitzhöhe von 810 mm ablesen lässt, die der GT vorbehalten ist. Das Sitzkissen ist aber auch spürbar flacher geschnitten und straffer. Und so resultiert eine stärker vorderradorientierte Ergonomie mit etwas mehr Gewicht auf den auch weiter vorn angebrachten Lenkerhälften. So ausgelegt, animiert sie zum späteren und stärkeren Bremsen sowie zum zackigeren Einlenken. Insofern ist sie so etwas wie das Naked-Bike innerhalb der K-Welt.
GTL: Vortritt Sozius
Bleibt die GTL. Sie ist die Einzige, bei der die Angewöhnungszeit etwas länger dauerte, was primär an der Sitzarchitektur liegt. Im Gegensatz zur B und zur Grand America ist hier nämlich eine grosszügige Lendenstütze verbaut. Das Besondere ist nun, dass sie auf Kosten des Platzes für den Fahrer geht. Sprich, dieser findet sich mit weniger Bewegungsspielraum weiter vorn im Fahrzeug wieder. Rein fahrdynamisch lässt sich die GTL sonst aber ziemlich ähnlich bewegen wie die Grand America.
Fazit
Eine technische Basis, vier komplett verschiedene Motorräder, die alle ihre Berechtigung haben, was sich auch bei der Verteilung im Absatz widerspiegelt. Ich hätte nie geglaubt, dass die Ergonomie einen derart grossen Impact auf die Fahrdynamik haben kann. Das Erstaunlichste ist bei den neuen K-Modellen aber klar der süffige Mix aus Handling, Stabilität und souveränem Druck.
Info : www.bmw-motorrad.ch