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Südamerika

Wer Südamerika mit dem Töff durchquert, findet Naturschätze, Kultur und freundliche Menschen – Aber vor allem kernige Abenteuer.

Die GS steht unter dem Vordach des argentinischen Grenzpostens bei Capanema, Brasilien. Und der Grenzbeamte flippt aus. Lautstark und wild gestikulierend gibt er mir zu verstehen, ich sei illegal eingereist. Nur weil ich an der Holzsperre vorbei unter das Dach gefahren bin. In den Schatten. Ich erkläre, dass man sonst in der unerbittlich brennenden Sonne ja schier eingehen würde. Er nickt, wenn auch nicht eben verständnisvoll, und prüft gewissenhaft die Papiere. Nach einer Stunde dürfen wir endlich passieren.

Vor uns liegt der Dschungel

Vor uns liegt der Dschungel des Nationalparks Foz do Iguaçu. Eine spannende Schlammpiste führt mitten durch ihn hindurch. Wenn es einigermassen trocken ist, eine beschauliche Spazierfahrt. Aber wehe, es regnet. Was hatte der Grenzer gesagt? Es hätte die letzten Tage nur geschüttet? Madi und ich sind abenteuerlustig und wagen es trotzdem. Denn erstens könnte die Piste ja abgetrocknet sein und zweitens ist man auf dieser Strecke der Natur ganz nah – man hat sie quasi für sich allein.

 

Bis auf ein paar feuchte Stellen, die dann aber gleich superglitschig sind, geht es ganz flott durch den tropischen Urwald. Riesige Farnblätter reichen bis dicht an den Weg heran, 50 Meter hohe Bäume säumen ihn. Auf einem dieser Giganten hat sich ein Schwarm giftgrüner kleiner Papageien breit gemacht. Ihr Quatschen, Pfiepen und Zetern ist so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Um uns herum flattern handtellergrosse Schmetterlinge, setzen sich auf unsere verschwitzte Haut, um sich am Salz des Schweis­ses zu laben. Eine perfekte Symbiose von Mensch und Natur. Diesmal sind wir das Buffet – und haben Spass daran.

Der grösste Wasserfall der Welt

Der Foz do Iguaçu ist der grösste Wasserfall der Welt. Jede Sekunde rauschen 7000 Kubikmeter Wasser über die insgesamt 3000 Meter verlaufende Kante. Der faszinierende Schlund des Teufels, die Garganta del Diablo, bildet einen gischtenden Halbkreis zu Beginn der 82 Meter tiefen Schlucht. Von der argentinischen Seite aus kommt man auf Stegen nah an den Abgrund heran und hat dort die spektakulärsten Wanderwege mitten durch diese Wasserwelt. Dafür besticht die brasilianische Seite mit dem vollen Panorama auf die argentinischen Fälle in ihrer Gesamtheit. Hier muss man sich zwei Tage Zeit lassen, für jede Seite einen. Es wäre frevelhaft, diesem fantastischen Schauspiel weniger Zeit zu widmen.

 

Hier an den „Tosenden Wassern“ treffen drei Staaten aufeinander. Brasilien, Argentinien und Paraguay. Für die Brasilianer ist Paraguay das Einkaufsparadies. Alles, was in Brasilien mit hohen Einfuhrzöllen belegt wird, kann man hier des Steuervorteils wegen viel günstiger erwerben. Das geht so weit, dass die Brasilianer in eigens dafür genommenen Kurzferien nach Ciudad del Este (die Stadt des Ostens) über die Grenze fahren, um sich dort mit allen möglichen Waren einzudecken. Computer, Smartphones, Stereoanlagen, sogar neue Reifen für ihre dicken Geländewagen. Und es geht noch weiter. Die frischen Gummis müssen auf die Felgen aufgezogen werden, weil sie ja sonst zollpflichtig eingeführt werden müssten. Und weil die Zöllner auf solch smarten Schmuggel geschult sind, erzielen mittlerweile angefahrene Reifen höhere Preise als nagelneue. Es entstand eine eigene Reifenanfahr-Dienstleistungsidee für den perfekten Steuerbetrug. Verrückt!

Hinüber nach Paraguay

Hinüber nach Paraguay fahren wir dummerweise in der nur ein Meter breiten Töfflispur. Hier wuseln die permanenten Grenzgänger mit ihren 125ern hin und her. Madi schafft das ganz gut, mit ihrer XT 660, sie hat ja auch keine Koffer dran. Mit meinen fetten Alukoffern muss ich rangieren wie ein Vierzigtonner in der Berner Altstadt und verursache hinter mir einen langen Stau. Aber keiner hupt, keiner drängelt, keiner schimpft. Typisch Südamerika. Willkommen in Paraguay.

Auch viele Schweizer…

Laut Wettermeldungen tobt über Asunción ein brutales Unwetter. Wenn wir da nicht direkt hinein wollen, müssen wir nach Norden in Richtung Concepción ausweichen. Das Ziel: der Chaco, zu deutsch, der Sumpf. Der ganze Nordwesten Paraguays wird geprägt von dieser flachen, feuchten Ebene. Hier wächst und gedeiht ob des fruchtbaren Bodens und Klimas einfach alles. Deshalb siedelten sich hier in den Jahren 1927 bis 1930 auch viele Deutsche an, die auf Kultur und Traditionen starken Einfluss nahmen und nehmen. Die Ortsschilder mit Namen wie Hohenau, Friedensfels und Landskrone zeugen davon. Auch viele Schweizer leben hier – etwas mehr als 1400 haben sich in Paraguay niedergelassen – meist als Landwirte und Viehzüchter.

 

So gewohnt die Ortsnamen auch klingen mögen, die Infrastruktur hat so gar nichts mit Europa zu tun. Die wichtigste Verkehrsader, der Transchaco, ist als Highway angelegt – behaupten zumindest die riesigen Hinweistafeln über der Fahrbahn – ist aber doch nur eine Piste. Eine auf 600 Kilometer gestreckte Sandkuhle mit allem, was dazugehört: Tiefe Auswaschungen, noch tiefere Löcher, dazwischen auch mal gerne Stellen mit ganz weichem Sand und Lkws, die einem wegen ihres Löcherslaloms des Öfteren die eigene Spur verwehren. Da muss man flexibel sein. Einer links, einer rechts, und bloss nicht ablenken lassen. Deshalb ist das Fahren hier so anstrengend, weil man eigentlich nie geradeaus fährt.

Am Arsch der Welt

Bis zur nächsten grösseren Ortschaft Villamontes, und die liegt schon in Bolivien, muss man durchhalten. 550 Kilometer. Dazwischen gibt es einfach mal gar nichts. Kurz vor der Grenze schmückt sich der Transchaco Highway dann doch noch mit etwas Asphalt, der aber von der Seite her schon mit üppigem Buschwerk überwachsen ist. Wo kommt der denn her? Einzige Erklärung: die ganze Stras­­se war mal komplett durchasphaltiert, nur hier, im äussersten Westen, herrscht so wenig Verkehr, dass sich der Belag bis heute halten konnte. Dann taucht die winzige Grenze auf: Mehrere kleine Holzhütten, eine mit der Nationalflagge Paraguays geschmückt, zwei gelangweilte Grenzer und drei Hühner. „Hier kommen am Tag ein, zwei Lkws durch, das ist alles“, sagt der, der uns die Pässe stempelt. „Es ist vielleicht nicht am Arsch der Welt, aber man kann ihn von hier aus ganz sicher schon ziemlich deutlich ­sehen“, meint Madi.

Das war knapp…

Auf nach Bolivien, eines der ärmsten Länder dieser Welt, und die Strasse wird immer besser. Wären da nicht die gefühlt zwanzig Kontrollen an noch mehr Schlagbäumen gewesen, hätten wir das Städtchen noch im Tageslicht erreichen können. Auf den letzten Kontrollversuch reagiere ich gereizt und sage dem Soldaten, dass wir schon mehrfach kontrolliert wurden und er uns bitte einfach durchwinken soll. Er tut es! Warum bin ich nicht schon vorher etwas rabiater geworden?

 

Auf dieser topfebenen, nagelneuen Strasse fliegen wir danach nur so dahin. Der laue Sommerwind rauscht durch die Kleidung – und ich auf eine quer über der Strasse liegende Sanddüne zu. Sie kommt von rechts, ich muss nach links und gleichzeitig noch den Warnblinker an meiner GS reinhauen, damit Madi nicht in diese Falle fährt. Die Fuhre schlingert sich durch die fünf Meter Tiefsand durch. Wir beide schaffen es. Puh, das war knapp! Nachts Fahren in Südamerika war noch nie eine gute Idee. Da ist jetzt das Mütchen aber nachhaltig gekühlt. Gut so, denn plötzlich verabschiedet sich der Asphalt abrupt und die Strasse verschwindet in einer tiefen Senke fortan grob geschottert nach links unten. Waren die Sanddünen vielleicht ein göttlicher Wink? Eine Vorwarnung? Tatsache ist, mit 110 km/h wären wir hier gnadenlos und laut krachend in den Dschungel eingeschlagen.

Nur noch ein paar Kilometer…

Irgendwo im Nichts müssen wir Benzin nachfüllen, im tiefen Schotter möchte man nicht auch noch Gefahr laufen, dass der Vortrieb jäh abreisst. Für diese 550-Kilometer-Etappe hatten wir uns von der letzten Tanke in Zweiliter-PET-Flaschen eine kleine Reserve mitgenommen. Die werden jetzt gebraucht. Es ist schon unheimlich, nachts auf einer einsamen Piste im Urwald zu stehen und nichts zu hören, aus­ser dem Knacken und Knistern der Motoren. Besonders, wenn man weiss, dass dort wilde Jaguare leben – und jagen. Sie greifen keine Menschen an, sagt man. Na ja, wenn sie dann plötzlich vor einem stehen, hofft man, dass das Raubtier das auch schon weiss.

 

Nur noch ein paar Kilometer mit dem letzten Sprit und die Zivilisation empfängt uns in Villamontes mit gedämpfter Strassenbeleuchtung. Ein verdammt langer Tag. Wir sind voll durch den Wind. Was wir jetzt brauchen, ist ein schönes Hotel. Das haben wir uns verdient.

 

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