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Société d’Innovateurs

Reifen, Restaurantführer, Strassenkarten, Engineering: Willkommen zu einer Zeitreise entlang technischer Meilensteine – im Musée l’Aventure Michelin.

Wer kennt ihn nicht, den lebendig gewordenen Pneustapel mit menschlichen Zügen, das Michelin-Männchen «Bibendum» oder kurz «Bib» genannt? Im Jahr 2000 wurde er von der Financial Times sogar zum «besten Logo aller Zeiten» gekürt. Der Bib erblickte bereits 1898 das Licht der Welt als Werbeträger für Velo-, Auto- und Motorradreifen. Das Unternehmen Michelin ist durch ihn zum Synonym für technische Innovationen aus Frankreich schlechthin geworden. Doch das Michelin-Männchen steht seit mehr als 100 Jahren für mehr als das: Fast ebenso bekannt wie die Pneus, hat der Bib die Strassenkarten und den Restaurant- und Gourmetführer Guide Michelin gemacht.

 

 

Der Bibendum im Lauf der Zeit: Das Michelin-Männchen wurde zum Nichtraucher und hat auch sein Aussehen immer wieder dem Zeitgeist angepasst. Heute ist der Bib eines der besten Warenzeichen weltweit.

 

Musée l’Aventure Michelin Clermont-Ferrand.

Das Leben in der Hauptstadt der Auvergne ist bis heute vom Michelin- Konzern geprägt. Letztlich war das nasskalte Wetter schuld, dass wir bei unserer Auvergne- Tour (Link zur Reisegeschichte) beschliessen, fast einen ganzen Tag im Museum l’Aventure Michelin zu verbringen. Auch wenn bei uns der Regen schuld war, dieser Besuch lohnt auch bei Sonnenschein: Auf 2000 m² wird hier in Clermont die 120-jährige Michelin-Firmengeschichte teilweise interaktiv dargereicht – und zwar vom ersten Reifen am Ende des 19. Jahrhunderts ausgehend. Michelin präsentiert sich dabei auch als Pionier der Luftfahrt, als Eisenbahnkonstrukteur, stellt den Bibendum, das Reifenmännchen, vor und erzählt von seiner Vorreiterrolle in Sachen Navigation. Ein Gang durch das Werksmuseum in Clermont-Ferrand vermittelt also viel mehr als nur Erklärungen zur Firmengeschichte – sondern ermöglicht umfassende Einblicke in die spannende Geschichte der Anfangszeit der Mobilität auf Rädern.

Eine Velopanne als Initialzündung

 

Eine Velopanne in Clermont-Ferrand wird 1891 zur Initialzündung für die Geburt eines Weltunternehmens. Die Brüder Edouard und André Michelin, die Väter des Bib, können sich zwar nicht die Erfindung des ersten luftgefüllten Reifens oder gar die des Rades auf ihre Fahnen schreiben. Es war ein schottischer Tierarzt (Dunlop), welcher 1887 erstmals mit einem luftgefüllten Schlauch, den er auf eine Holzfelge klebte und nagelte, für Furore sorgte. Wohl aber setzen die Gebrüder Michelin einen kaum weniger wichtigen Meilenstein in der Entwicklungsgeschichte der Mobilität auf Rädern.

Womit wir wieder in Clermont-Ferrand des Jahres 1891 wären. Ein englischer Tourist hatte damals sein Velo mit einem dieser brandneuen, an die Felgen geklebten Luftreifen ausgerüstet. Der hing nun schlaff über die Felge, und der Verzweifelte hatte keine Ahnung, wie er den Platten reparieren könnte. So landete er schliesslich bei der Michelin-Fabrik. Die stellte seinerzeit Dichtungen, Ventile und weitere Teile aus Gummi her. Einer der Chefs, Edouard Michelin, nimmt selbst die Reparatur des Reifens vor. Sie dauert geschlagene drei Stunden und noch einmal sechs das Trocknen der Klebung. Dann ist es soweit: Michelin macht eine Probefahrt und ist begeistert, denn er entdeckt den unglaublichen Komfort des Luftreifens.

 

 

Edouard erkennt sofort das riesige Marktpotenzial für Luftreifen, wenn es nur gelänge, ein grundlegendes Problem zu lösen: Jeder müsste in der Lage sein, einen platten Reifen schnell und einfach reparieren zu können. Und so beginnt er sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Eine Viertelstunde pro Reifen Bereits ein Jahr später lässt sich Edouard Michelin seinen neu entwickelten und «demontierbaren Luftreifen» beim Patentamt eintragen. Kernstück der Erfindung ist eine spezielle Verbindung der Radfelge mit dem Reifen, wel che mittels kleinen Schräubchen und Klemmen den Pneu auf der Felge fixierte.

Die Entdeckung des Motorsports

 

«Eine Viertelstunde pro Reifen.» Mit diesem Spruch bewarb Michelin von da an seine neuen, abnehmbaren Pneus. Kurz darauf gewinnt Charles Terront das Fahrradrennen Paris– Brest–Paris mit einem abnehmbaren Michelin- Pneu mit acht Stunden Vorsprung. Die neuen Michelin-Reifen versprachen natürlich auch Bestzeiten bei der damals populären Rallye Paris–Brest–Paris und dem Rennen Paris–Bordeaux. Einmal mehr zeigt sich der Pioniergeist von Michelin – das erste Auto mit Luftreifen ist eine Eigenkonstruktion auf Peugeot- Basis: Der l’Eclair (Blitz) trat 1895 mit einem 4-PS-Motor von Daimler das Rennen an. Ein Wechsel der Michelin-Pneus dauerte bloss drei bis fünf Minuten, während die Konkurrenz immer eine Viertelstunde lang schrauben musste.

 

Bibendum – ein Weltstar: Ein Reifenstapel inspiriert Edouard Michelin auf der Weltausstellung in Lyon. Er meint zu André: «Wenn der Arme hätte, sähe er fast menschlich aus». 1898 erscheint das erste Plakat des «Bib», welcher mit einer mit Glassplittern und Nägeln gefüllten Schale den Toast ausruft: «Nunc est bibendum! » («Nun muss getrunken werden!»).

 

Die Michelins hatten den Motorsport als Marketinginstrument entdeckt. Ab jetzt war das Familienunternehmen in aller Munde und wuchs innerhalb weniger Jahre zur führenden Marke auf einem schnell wachsenden Markt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahm das Werk in Clermont-Ferrand bereits 30 Hektar ein, beschäftigte 4000 Arbeiter, und die Firma eröffnete in London ihre erste Auslandsvertretung. Michelin war 2012 – gemessen am Umsatz – der zweitgrösste Pneuhersteller der Welt. Heute beschäftigt der Konzern über 113 000 Menschen in 69 Produktionsstandorten in 18 Ländern und verfügt über Importeure in über 170 Staaten.

Erfinder der Strassenbeschilderung

André Michelin initiierte die moderne Strassenbeschilderung.

 

Weiter geht der Museumsbesuch entlang echter Meilensteine: Die Förderung der allgemeinen Mobilität lag den genialen Brüdern nämlich genauso am Herzen wie die Weiterentwicklung ihrer Pneus. André Michelin hatte nach seinem Studium um 1895 an der École Centrale von Paris zeitweise im Militärdienst beim Innenministerium an der Entwicklung einer Karte Frankreichs im Massstab 1:100 000 gearbeitet. Die dabei erworbenen Fertigkeiten ermöglichten es ihm, die Kartographie als ein weiteres Standbein des Unternehmens zu errichten. Und im Jahre 1900 verteilte Michelin zum ersten Mal seinen kleinen Guide Rouge, den ersten Reiseführer für Automobilisten auf dem Markt. Und André Michelin befasste sich gegen 1908 auch noch mit der Normierung der Strassenbeschilderung, in dem er entscheidet, die auf den Stabskarten aufgeführten Nummern der Routes Nationales für die bessere Orientierung auf Motorsportevents und Reisen zu benutzen. Die Michelins waren also echt einmalige Multitalente. Weitere Infos: www.laventuremichelin.com

 

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