Klappen-Auspuff-Systeme: Funktionsprinzip und Legalität
Nachrüst-Klappen-Auspuff-Systeme für Töff: ein letztes Stück Freiheit und Selbstbestimmung oder eine Farce und damit ein Verrat an der Töfffahrer-Gemeinschaft?
Wer als Schweizerin oder Schweizer auf Reisen ist, staunt nicht schlecht über die Lockerheit, mit der die Ordnungshüter etwa in unseren südlichen Nachbarländern Nachrüst-Klappen-Auspuff-Systeme betrachten. Neulich, im Spanien-Urlaub, zählte der Schreibende tatsächlich deutlich mehr Töff mit illegalen Klangveredlern als mit Originaldämpfern – gefühlt um die 80 Prozent.
Einst Supersportler, heute Cruiser
In der super-dicht besiedelten und puncto Emissionsvergehen überdurchschnittlich restriktiven Schweiz weht diesbezüglich ganz klar ein anderer Wind. Und waren es um die Jahrtausendwende vornehmlich die seinerzeit noch weit verbreiteten Supersportler, die von den Ordnungshütern bei Kontrollen aufs Korn genommen wurden, müssten es heute primär Cruiser und Custom-Bikes sein.
Marktführer
Denn wenn in der Schweiz heute noch ein Motorrad aufgrund des Lärms auffällt, dann ist das – nennen wir es beim Namen – ziemlich sicher eine Harley-Davidson. Und ob ihr es glaubt oder nicht, mit grösster Wahrscheinlichkeit poltert der Milwaukee-Twin – wenngleich viel zu laut – legal durchs Schweizerland. Das Zauberwort lautet: Klappen-Auspuff-Systeme zum Nachrüsten. Wobei die beiden Marktführer KessTech aus Deutschland und The Jekill and Hyde Company aus den Niederlanden bei Weitem nicht nur für Harleys Klappensysteme anbieten, sondern auch für Modelle von Triumph, Indian und BMW.
Die Rechtslage
Bei Klappenauspuffsystemen muss klar unterschieden werden zwischen den von den Motorradherstellern serienmässig meist zwecks Optimierung von Staudruck, Schadstoffemissionen, Ansprechverhalten und Verbrauch verbauten Original-Systemen und jenen aus dem Zubehörmarkt.
Generell macht die Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge keine Aussagen zu Auspuffklappensystemen. Jedoch wird definiert, welche Ersatzschalldämpferanlagen zulässig sind. In Art. 53, Abs. 3 heisst es: «Ersatz-Schalldämpfer müssen ebenso wirksam sein wie die ursprünglich zugelassenen. Zulässig sind auch Ersatz-Schalldämpferanlagen, die für den entsprechenden Fahrzeugtyp über eine Genehmigung (…) verfügen.» Man braucht also in jedem Fall ein Gutachten, auf dem der Schweizer Importeur versichert, dass das Auspuffsystem auf dem spezifischen Motorradmodell geprüft und zugelassen wurde. Diese «Lieferantenbestätigung» muss übrigens in Papierform (!) mitgeführt werden.
100 Prozent legal
Wer nun KessTech oder The Jekill and Hyde Company googelt, erkennt bei den entsprechenden Suchresultaten sofort die Textpassage «100 % legal». Und das ist kein leeres Versprechen, denn es handelt sich um elektronisch gesteuerte und damit intelligente Systeme, die so programmiert sind, dass sie in der Lage sind, die Emissions-Homologationsbestimmungen der jeweiligen Töff jederzeit einzuhalten. Konkret: Die beiden Hersteller kennen die Homologationsprüfverfahren bzw. -zyklen der entsprechenden Motorradmodelle und programmieren die Klappensysteme jeweils so, dass sie in messrelevanten Szenarien schliessen. Ein solches könnte lauten: zweiter Gang, 60 km/h und 4000 Umdrehungen.
Euronormen
Während die Programmierung bei Euro 3 oder Euro 4 noch relativ simpel war, ist es bei den jüngsten Homologationsbestimmungen Euro 5 oder Euro 5+ deutlich aufwendiger geworden, weil die Prüfszenarien durch zusätzliche Variablen erweitert wurden – etwa die Drosselklappenstellung. Auch die Messung selbst wird komplexer – Stichwort mehrere Messungen bei Stand, Vorbeifahrt und Beschleunigung etc. Wobei bei den jüngsten Euro-Normen unseres Wissens nicht mehr – wie bei Euro 4 – der Mittelwert aus den Messungen ausschlaggebend ist.
Respekt und Selbstverantwortung
Ganz einfach ausgedrückt, umschiffen Aftermarket-Klappensysteme also punktuell lärmrelevante Fahrzeugzustände und schalten dann akustisch – je nach vorgewähltem Modus, also etwa leise, laut oder automatisch – wieder auf «volles Rohr». Clever – ja –, aber sicher nicht im Sinne der Töff fahrenden Allgemeinheit. Denn nicht nur unbefangene und nichts wissende Zuhörer nehmen hier nur eines wahr: unnötigen Lärm.
Tatsächlich können die Klappen gemäss unseren Recherchen je nach System und Modus bei einer normalen Ausfahrt grösstenteils komplett offen sein. Legal mit EU-Typengenehmigung und offiziellem CH-Beiblatt, versteht sich. Je nach Gesinnung der Lauschenden wird die mit offener Klappe fahrende Person nun aber eben nicht als aussenstehendes, schwarzes Schaf perzipiert, sondern als ein die gesamte Töfffahrer-Community repräsentierender, asozialer Lärm-Rowdy. Und wir wissen, wie schädlich heutzutage bei Reizthemen – wie eben Lärm – bereits Einzelfälle für die Allgemeinheit sein können.
Guter Sound vs. lautstarke Provokation
Nicht falsch verstehen; auch wir haben Freude an einem knackigen Motoren-Sound, und wir sind definitiv der Meinung, dass die Schweiz beim Lärm puncto Restriktionen und insbesondere Ahndung über das Ziel hinausschiesst. Aber auf politischer und gesellschaftlicher Ebene weht uns Töfffahrern nun mal ein Wind entgegen, der letztmals in den 1960er- und 1970er-Jahren so eisig war.
Daher sehen wir es als unsere Pflicht an, Besitzerinnen und Besitzern von Aftermarket-Klappen-Auspuffsystemen im Interesse aller Töfffahrer ans Herz zu legen, überlegt und respektvoll mit dem Modus-Knopf umzugehen. Insbesondere in Städten, Dörfern, auf beliebten Passstrassen und generell zu später Stunde.
Link: Die aktuelle Kampagne gegen Lärm: moto.ch/neue-kampagne-gegen-toefflaerm