Mehr als nur Show
Schon mal gefragt, warum viele Motocrosser den Töff in der Luft querstellen oder noch vor dem Absprung flachlegen? Ein kleiner Einblick in die Kunst des Fliegens.
„Weil’s schnell macht“ ist die einzig richtige Antwort. Und cool ist es natürlich auch, wobei das eher ein positiver Nebeneffekt ist. Der Fokus liegt beim Srcub klar darauf, die Flugbahn abzuflachen, um früher zu landen und wieder beschleunigen zu können beziehungsweise vor dem Sprung weniger abbremsen zu müssen.Zuerst war der WhipMit quer gestelltem Motorrad duch die Luft zu fliegen, hat Tradition. Der Whip ist quasi die Mutter des Freestyle-Motocross-Sports FMX. Diese Figur ist legendär und heute noch sehr beliebt! Sie wurde und wird von den Motocross-Piloten beim Zielsprung zelebriert. Beim Whip wird das Motorrad in der Luft quergestellt. Mit Filmen wie Crusty Demons of Dirt oder Terrafima wurden die Tricks während den Sprüngen gefeiert und das heutige Freestyle-Motocross (FMX) begründet.Doch wie geht das?Whips und die heute verbreiteten Scrubs sind irgendwie verwandt, aber doch sehr unterschiedlich. Beim Whip wird auf der Rampe vor dem Absprung eine Kurve gefahren, wobei der Fahrer gegen die Kurveninnenseite lehnt. Damit stellt sich das Motorrad in der Luft quer und schräg zur Flugrichtung, das Hinterrad fliegt also seitlich vom Fahrer. In der Luft wird gegengelenkt und der Töff durch Gewichtsverlagerung und einen Gasstoss wieder für die Landung ausgerichtet, quasi am Lenkeinschlag zurückgezogen. Der Whip sieht nicht nur toll aus, sondern glättet auch den Absprung, woraus eine flachere Flugbahn resultiert, ein Sprung also schneller bewältigt werden kann. Zudem kann er als Vorbereitung für eine dem Sprung folgende Kurve dienen.https://www.youtube.com/watch?v=_GU6enPhOEgProvozierter SturzMotocross wird von Jahr zu Jahr extremer, die Rennmaschinen ausgereifter, die Pisten anspruchsvoller und die Sprungtechnik krasser. Beim Scrub wird vor dem Absprung quasi ein Sturz provoziert, der dann in der Luft wieder aufgefangen werden muss. Bereits in der Auffahrt zum Sprung wird noch vor der Absprungkante eingelenkt und das Bike sofort flach gedrückt. Dadurch wird die Absprungkante noch stärker gebrochen. Das komprimierte Fahrwerk wird zudem in die Horizontale statt in die Vertikale entladen und die Flugbahn fällt deutlich flacher aus. Im Gegensatz zum Whip wird beim Scrub in erster Linie das Bike ablegt, der Pilot drückt den Töff runter und bleibt über dem Bike. Zudem zeigt das Vorderrad beim Scrub nach unten, während beim Whip gegengelenkt wird, das Vorderrad also nach vorn bzw. oben zeigt. Je nach Sprung kann mit einem Scrub der Absprung sogar um mehrere Meter vorverlegt werden. Der Töff verliert dann weit vor der Absprungkante, quasi beim zackigen Ausholen zur Kurve, den Bodenkontakt. Es wird also vorgesprungen, sodass der Crosser an der Kante nicht in die Höhe katapultiert wird, sondern mit kratzender Fussraste flach über den Absprung schrappt (scrub). Das verkürzt den Flug massiv, was bedeutet, dass früher beschleunigt oder der Sprung mit höherem Speed bewältigt werden kann.Scrub-König: Valentin GuillodDer Romand Valentin Guillod beherrscht den Scrub in extremis und ist für seine Sprungtechnik weit über die Grenzen hinaus bekannt. Der langjährige WM-Pilot erklärt strahlend: «Whip und Scrub sind beide genial! Während der Whip eher für Spass und Style steht, ist der Scrub vor allem effizient, um schnell zu sein.» Im Gegensatz zum Whip ist der Scrub wegen des Risikos bei vielen Fahrern nicht gerade beliebt. «Beim Scrub muss man wirklich ans Limit gehen, um richtig Zeit zu gewinnen. Wenn man aber eh schon am Limit ist und das Timing oder der Move nicht exakt stimmen, kann es riskant werden. Ein Sprung, den man normalerweise mit 50 km/h nimmt, kann mit einem sauberen Scrub vielleicht mit 65 km/h gemeistert werden. Ohne sauberen Scrub springt man dann aber 10 Meter zu weit. Hat man kein gutes Gefühl auf dem Sprung, kommt aber bereits 10 km/h schneller, dann wird es heikel! Ich selber hatte noch nicht viele Stürze beim Scrubben. Einmal war ich mit dem Vorderrad am Sprung hängen geblieben. Jeffrey Herlings hatte 2015 mit dem Bremshebel angehängt, das Vorderrad blockierte und er ging über den Lenker» … und ruinierte damit seine MX2-WM-Titelchancen.https://www.youtube.com/watch?v=utVzb5hX2y8Frage des FeelingsWie er den liegend über die Kante kratzenden Töff wieder für die Landung aufstellt, das kann Guillod auch nicht genau erklären: «Da passieren viele Dinge: Beim Absprung muss das Gas im richtigen Moment geschlossen werden. In der Luft gibt man dann wieder Gas, das hilft beim Aufstellen des Bikes. Ganz wichtig ist aber auch die richtige Körperbewegung und Gewichtsverlagerung. Man kann nicht in einem Ablauf schildern, was da alles abgeht. Es geht wirklich ums richtige Feeling.» Zudem unterscheiden sich die gefahrenen Scrubs je nach Sprung und Geschwindigkeit, oder sie sind bei gewissen Sprüngen gar nicht sinnvoll. «Bei grossen Hügeln, wo es keinen vorgegebenen Ort für die Landung gibt, da kann ich das Bike früh und tief ablegen. Bei schnellen Sprüngen, Sprungtischen, Doppelsprüngen oder kleineren Wellen sieht man den Scrub hingegen fast nicht. Doch auch da scrubben wir beim Absprung leicht, um die Flugbahn etwas flacher zu machen.» Wenn alles stimmt, sei der Scrub laut Guillod auch nicht wirklich anstrengend.Packende ActionDie Kunst des Fliegens ist definitiv eine der grossen Faszinationen des Motocross – für Fahrer und Zuschauer! Der Whip ist immer noch eine geniale Show und quasi das Zückerchen für das Publikum. Der Scrub ist deutlich anspruchsvoller, aber für schnelle Rundenzeiten auf internationalem Niveau unerlässlich. Dass das Ganze nicht ungefährlich ist, erklärt sich von selbst. Aber was macht man nicht alles, um schneller zu werden. Wir freuen uns schon auf die kommende Motocross-Saison.