CFMoto 650MT vs. Benelli TRK 502 vs. Voge 500 DSX
«Made in China»: Diesen Hinweis sind wir uns heute von fast allen Produkten gewohnt. Allmählich kommen auch immer mehr Motorräder hinzu. Vergleichstest dreier aktueller Reiseenduros der unteren Mittelklasse.
Aufrechte Sitzposition, Windschutz, Stauraum und Power, um auch bei Pass-Auffahrten flott aus den Kehren herauszubeschleunigen. Das sind Kernzutaten für Reiseenduros. Bei dieser Kategorie denken die meisten wohl als Erstes an Maschinen wie BMW R 1300 GS, Ducati Multistrada V4 oder KTM 1290 Super Adventure: Grosse Motoren und High-End- Technologie von A wie ABS mit Schräglagensensibilität bis W wie Wheelie-Kontrolle. Verbunden mit Preisen von 20’000 Franken aufwärts …
Bis 650 ccm
Freilich gibt es längst auch würdige Vertreter in der oberen und auch in der unteren Mittelklasse. Wer bei den Fahrassistenzen mit den Basics sowie mit geringerer Leistung zufrieden ist, findet hier eine immer breitere Palette. Insbesondere, da neben den etablierten Herstellern immer mehr neue bzw. neu belebte mit entsprechenden Bikes auf den Markt treten. Und so finden wir in der Klasse bis 650 ccm heute auch unsere drei Testkandidatinnen, die Benelli TRK 502, die CFMOTO 650MT und die Voge 500 DSX.
Einer der grössten Exporteure
Die Neueste in dieser Konstellation ist die Voge (mit langem «O» gesprochen «Vosch»), die mit ihren Drahtspeichenrädern und dem Vorderrad im offroadtauglichen 19-Zoll-Format erst auf die Saison 2023 hin lanciert wurde. Ausserdem ist die Marke Voge erst seit 2020 in der Schweiz zu haben. Dahinter steht der chinesische Loncin-Konzern, der 1993 gegründet wurde. Zunächst wurden ausschliesslich Motoren gefertigt, bis kurz vor der Jahrtausendwende das erste Motorradmodell auf den Markt kam. Daraufhin mauserte sich der Konzern innert sechs Jahren zu einem der grössten chinesischen Motorrad-Exporteure.
200 Ingenieure
Heute beschäftigt Loncin mit Hauptsitz in Chongqing über 7000 Mitarbeiter, und im hauseigenen Forschungs- und Entwicklungszentrum tüfteln 200 Ingenieure und Techniker an neuen Zweiradlösungen. Neben der Produktion von eigenen Marken hat Loncin auch Partnerschaften mit bekannten europäischen Motorradmarken. So fertigten die Chinesen etwa die Motoren für die beiden bisherigen BMW-Modelle F 750 GS und F 850 GS. Der Voge-Import in die Schweiz liegt bei der Mosport Group, die unter anderem auch SWM, Zontes und F.B. Mondial importiert.
CFMOTO: Nummer eins bei Quads
Das zweitjüngste Modell dieses Vergleichstests ist die CFMOTO 650MT. CFMOTO hat in Europa als Quad- Hersteller seit vielen Jahren einen guten Namen. In der Schweiz sind die ATVs von CFMOTO sogar marktführend. 1989 im chinesischen Hangzhou gegründet, begann das Unternehmen mit Komponenten für Motorräder bzw. Motoren und später auch kompletten Motoren sowie motorisierten Zweirädern und eben Quads.
Der Import der Motorräder nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz erfolgte bisher durch die österreichische KSR Group bzw. die KSR Swiss hierzulande (ehemals JB Töffhandel). Auf das Jahr 2023 hat nun aber KTM – genauer gesagt der Mutterkonzern Pierer Mobility AG – Import und Vertrieb der Motorräder von CFMOTO in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Spanien und Grossbritannien übernommen. Der Import der Quads und Side-by-Sides bleibt in der Schweiz, in Deutschland und Österreich jedoch weiterhin bei KSR (bzw. in UK bei Quadzilla und in Spanien bei Jets Marrivent).
KTM und CFMOTO
KTM und CFMOTO geschäften schon länger zusammen. Ursprünglich war CFMOTO der Montageund Vertriebspartner von KTM in China. Mittlerweile betreiben die beiden Unternehmen im Rahmen eines Joint Ventures sogar ein gemeinsames Werk in China, in welchem sowohl CFMOTO- als auch KTM-Modelle hergestellt werden.
Benelli: Mit langer Geschichte
Um eine ganz alte Marke handelt es sich im Grunde bei Benelli. Die von sechs Brüdern 1911 in Pesaro (I) gegründete Motorradschmiede erlangte viel Ruhm. Wegweisende Technik und damit verbundene Rennerfolge waren über viele Jahre kennzeichnend. Eine der bekanntesten Maschinen, die wohl auch heute noch vielen lebendig im Gedächtnis sein dürfte, ist die Benelli 750 Sei – die imposante Sechszylindermaschine aus den 1970er-Jahren.
14’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Ende der 1980er kam es jedoch zum Niedergang der Firma und trotz Übernahmen durch Investoren und trotz interessanter neuer Projekte – etwa der TnT 1130 – folgte eine schwierige Ära. Im Dezember 2005 wurde Benelli Teil des Unternehmens Qianjiang, kurz Q.J., aus dem chinesischen Wenling. Q.J. beschäftigt 14’000 Menschen und produziert mehr als 1,2 Millionen Fahrzeuge und über 2 Millionen Motoren pro Jahr in einer modernen Fabrik. Neben den eigenen Motorrädern unter dem Label QJ Motor gehören auch Quads, E-Velos, Rasenmäher, Golfcarts und Generatoren zum Portfolio.
Sym, Vmoto Super Soco
Die aktuelle Motorradpalette von Benelli umfasst nun diverse Maschinen verschiedener Gattungen und mit Hubräumen von 125 bis 750 Kubik. Die Design- und Entwicklungsarbeit der Benelli-Motorräder erfolgt nach wie vor in Pesaro, hergestellt werden die Maschinen aber in China. Für den Import in die Schweiz ist die Grandjean Diffusion SA Moteo Schweiz zuständig, zu deren Portfolio auch Sym, Vmoto Super Soco (Elektro-Motorräder und -Roller) sowie Peugeot Motocycles gehören.
Test
Damit wären jetzt mal die wichtigsten Hintergründe geklärt. Zeit, loszudüsen. Da wir die drei Kandidatinnen im Rahmen eines Moto-Sport-Schweiz-«Cervelat-GP» fahren, kann man schon fast von einem Härtetest sprechen. Auf der mehrtägigen Tour von Zürich via Graubünden ins Berner Oberland und wieder zurück begegnen wir einem Grossteil des üblichen strassenorientierten Reisespektrums.
19-Zoll-Vorderrad
Rein äusserlich fällt auf, dass die Voge die einzige des Trios ist, die mit einem 19-Zoll-Vorderrad und Drahtspeichenrädern aufwartet, und somit zumindest eine gewisse Offroadtauglichkeit bietet. Die anderen Testmotorräder rollen auf Alugussrädern im 17-Zoll- Format. Allerdings ist auch die Benelli mit Drahtspeichenrädern erhältlich (als TRK 502 X) mit 19-Zoll- Vorderrad erhältlich. Die «X» weist zudem einen hochgezogenen Endschalldämpfer auf. Die Front samt Verkleidung ist bei beiden Versionen identisch und gleicht im Bereich des weit nach vorn gezogenen Schnabels der Ducati Multistrada. Ihr Look vermittelt im Vergleich am stärksten Adventure.
Eigenständigeres Design
Die anderen beiden Mitstreiterinnen haben ein eigenständigeres Design. Wobei wir auch bei der Voge gewisse Parallelen erkennen können, nämlich zur Honda CB 500 X. Und wie diese hat sie einen die Front umlaufenden Sturzbügel. Einen solchen hat auch die CFMOTO, die insgesamt aber am kompaktesten auftritt und am wenigsten auf Abenteuer getrimmt ist. Dafür hat sie zusätzlich Seitensturzbügel, welche auch die Benelli bietet. Im Falle eines Umfallers beugen diese verkratzten oder zerbrochenen Verkleidungsteilen vor. Verarbeitungsseitig sind alle drei solid. Die Aufkleber sind zwar nirgends überlackiert, muten aber wie auch die Lackierungen wertig an. Selbst die vorderen Kotflügel sind alle lackiert.
Reihenzweizylinder
Alle drei Maschinen werden von wassergekühlten Reihenzweizylindern angetrieben. Jener der CFMOTO hat mit 650 ccm ein deutliches Hubraum-Plus, und das ist auch zu spüren. Die 650MT zieht stets am entspanntesten davon und muss am wenigsten geschaltet werden. Apropos: Alle drei Kandidatinnen verfügen über unauffällige Getriebe, die sich präzise und unhakelig durchschalten lassen. Die Kupplungen lassen sich alle ohne viel Handkraft bedienen und sind beim Anfahren gut dosierbar.
Pacemaker
Die CF ist also jene von den dreien, welche die Pace vorgibt. Mit 218 Kilo ist sie zudem die Zweitleichteste. Am wenigsten Gewicht bringt mit 206 kg die Voge auf die Waage. Dennoch: Treten Voge und Benelli direkt nebeneinander an, so wirkt die Benelli, obwohl sie mit 235 kg deutlich schwerer ist, bei ganz tiefen Drehzahlen kräftiger und auch spritziger. Und das, obwohl sich ihr Zweizylinder eher etwas rauer anfühlt und auch anhört. Ab einer gewissen Drehzahl ändert sich das Ganze jedoch – bei den letzten 2000 Umdrehungen geht ihr die Luft aus und nur die Vibrationen scheinen noch mehr zu werden, nicht aber die Leistung. Weiter oben dreht dafür der Voge-Twin umso schöner aus. Nach anfänglicher Zurückhaltung neigt er jetzt dafür zum Dröhnen. So kommt letztlich auch soundtechnisch die CFMOTO am ausgewachsensten und harmonischsten rüber: mit einem angenehm kernigbollernden Klang über den gesamten Drehzahlbereich. Vibrationen spielen bei ihr im Vergleich keine Rolle.
Straff bis schwammig
Die CFMOTO gibt sich auch, was die Strassenlage angeht, sehr souverän. Sie ist insgesamt auch die kompakteste und gibt sich mit ihrer klar strassenorientierten, sportlichen Dämpferabstimmung am ausgeglichensten. Beim Anbremsen vor oder in Kurven hinein, bei Wechselkurven – sie bleibt immer satt und gut kontrollierbar in der Bahn. Und zwar auch, wenn der Asphalt mal nicht perfekt ist. Den Kontakt zur Fahrbahn stellen Pirelli Angel Granturismo her, die sich sowohl im Trockenen als auch im Nassen als gute Performer erweisen.
Fahrkomfort
Über dieselben Reifen verfügt die Benelli, das Fahrwerk kann mit jenem der CFMOTO allerdings nicht ganz mithalten. Sie ist am softesten abgestimmt und ihre Federelemente neigen zum Nachwippen, was das Gefühl für die Haftgrenze schmälert. Mit der weichsten Fahrwerksabstimmung setzt sie den Fokus mehr auf Fahrkomfort als Sportlichkeit. Auch ist sie nicht so kurvenwillig wie ihre beiden Kontrahentinnen und bevorzugt eher einen runden Fahrstil. Die Voge bietet gute Rückmeldungen und wirkt mit ihrem 19-Zoll-Vorderrad insgesamt als ausgewogen. Sie rollt auf Metzeler Tourance, wie sie etwa auch an grossen Reiseenduros zum Einsatz kommen.
Bremsen
Wenn es ums Bremsen geht, so stellt sich bei allen auf Anhieb Vertrauen ein. Und alle Bikes lassen sich ordentlich verzögern, wie wir auf diversen Passabfahrten erfreut feststellen. Nur etwas mehr Biss dürften die Bremsen der Voge noch haben. Bei der Benelli ist der Bremshebel auch in der engsten Einstellung noch vergleichsweise weit vom Lenkergriff weg. Der Voge-Bremshebel lässt sich fünffach einstellen und an der CFMOTO sorgt eine Gewindeschraube für die feinste Justierungsmöglichkeit.
Ergonomie
Grosse Unterschiede gibt es wiederum bei den Sitzhaltungen. CFMOTO und Voge bieten eine eher sportliche Sitzpositon. Die Voge fühlt sich im Sitz am grössten von den dreien an, verfügt aber über den engsten Kniewinkel, die CF über den schmalsten Lenker. Die Benelli gibt sich dagegen auch bei der Ergonomie wie eine Reisesänfte. Man sitzt am stärksten im Motorrad drin, der Lenker ist relativ hoch und weit vorn, und ebenso ruhen die Füsse weit vorn und oben. Es kommen beinahe Cruiser-Gefühle auf. Man wünschte sich einen etwas höher positionierten Sattel. (Die Sitzbankhöhe lässt sich bei keiner einstellen). Bei ihr wäre es darum einen Versuch wert, auf die dicken Gummis auf den gezackten Offroad- Fussrasten zu verzichten.
Windschutz
Der Windschutz ist bei allen gut, aber bei der CFMOTO nicht ganz verwirbelungsfrei; die Benelli schützt am ausgewogensten. Hier nimmt die Verkleidung den Druck, dennoch ist man nicht völlig abgeschirmt. Da spielt es denn auch keine Rolle, dass ihre Scheibe als einzige in der Höhe nicht einstellbar ist.
Fazit
Die Chinesen holen im Motorradbau auf. Diese drei Maschinen ermöglichen jedenfalls echten Fahrspass, je mit einem eigenen Fokus. Die Performanteste auf der Strasse ist klar die CFMOTO – wer mehr Wert auf Adventure Look legt und vielleicht auch mal ab ins Gelände will, ist mit der Voge oder der Benelli besser bedient. Da und dort gibt es Detailkritik, etwa für scharfe Kanten an den optionalen Gepäcksystemen (Benelli und Voge), doch gerade, was die Performance und das Sicherheitsempfinden angeht, machen alle drei ihre Sache gut.
Technische Daten
Auf dem Leistungsprüfstand