Aktuelle Entwicklung der Benzinpreise
In diesen Tagen ist die Fahrt zur Tankstelle unerfreulich. Für Motorradfahrende mit ihren im Schnitt geringen Kilometerleistungen hält sich der Schmerz (noch) in Grenzen. Blick auf die aktuelle Entwicklung der Benzinpreise.
Der Analyst der Investmentbank Goldmann Sachs wagte im Januar einen Blick aufs Jahr. Der Ölpreis könnte auf 100 Dollar pro Fass steigen, malte er schwarz, angesichts des damaligen Preises von rund 82 Dollar. Nun, dass er den russischen Krieg gegen die Ukraine nicht auf der Rechnung hatte, kann ihm niemand verübeln. Seine Vorhersage belegt jedoch, dass die Zeichen auf den weltweiten Energiemärkten bereits länger auf Teuerung standen.
Preise rauf geht schneller
Steigende Preise für fossile Produkte und Elektrizität sind nur bedingt die Folge des Putinschen Ukraine-Feldzugs, sie haben sich jedoch in den ersten Kriegswochen beschleunigt. Auch weil Marktakteure zuweilen überreagieren und befürchtete künftige Schwierigkeiten gleich schon mal einpreisen. In der Branche nennt man dies «Risikoaufschlag» – von korrigierenden Abschlägen dagegen ist selten zu hören. Eine Untersuchung von Treibstoffpreisaufschlägen und -senkungen in Österreich ergab 2008, dass die Anbieter Preissteigerungen zwei Tage schneller weitergaben als die Senkungen.
Besonders rasant in die Höhe schnellten die Benzin- und Dieselpreise in Deutschland. Der Verkehrsclub ADAC hielt fest, dass die Mineralölkonzerne kräftig mitverdienten. Der Wirtschaftsminister rief die Wettbewerbsbehörden auf, die Entwicklung genau unter die Lupe zu nehmen.
In der Schweiz stiegen die Preise an der Zapfsäule prozentual nicht so stark wie (während einiger Tage) die Rohölpreise. Allerdings hat die in Rappen und nicht prozentual festgelegte Mineralölsteuer einen stabilisierenden Basiseffekt.
Bürgerliche Politiker in der Schweiz haben auf den Tankstellenkoller ebenfalls reagiert und Vorstösse lanciert, entweder die Mehrwertsteuer oder gleich die Mineralölsteuer zumindest vorübergehend auszusetzen. In der Sondersession vom Mai entscheidet das Parlament.
Höchststand am 9. März
Besonders turbulent ging es in der ersten Märzwoche an den Ölhandelsplätzen zu und her. Von nicht ganz 100 stieg der Preis der Sorte Brent vorübergehend auf fast 130 Dollar pro Fass (Englisch: barrel). Schon am 9. März war dann Armageddon an den Tankstellen, mit einem Tagesaufschlag von rund 11 Rappen pro Liter (fast 25 Cents in Deutschland). Inzwischen hat sich die Lage normalisiert, wobei schwer zu sagen ist, was man heute noch als Normalität bezeichnen darf. Jedenfalls, an vielen Tankstellen in der Schweiz sind die Preise für Bleifrei 95 wieder unter die Zwei-Franken-Marke gefallen; allerdings mit den üblichen deutlichen und teils nur schwer erklärbaren regionalen Unterschieden (insbesondere Stadt-Land).
Die vielzitierten Rohölpreise sind im Übrigen nur bedingt aussagekräftig. Denn mit Rohöl könne man nicht Auto- oder Töfffahren, wie Erich Schwizer festhält, Experte bei der TCS-Mobilitätsberatung. «Die nicht öffentlich zugänglichen Produktpreise von Benzin und Diesel an den Börsen, in US-Dollar pro Tonne, sind relevant für die Preisbildung in der Schweiz, nicht der Rohölpreis.» Ein weiterer Faktor sind die Transportkosten. Aktuellstes Beispiel laut Erich Schwizer: «Der Tarif für die Rheinschifffahrt ist seit Anfang März von 16 Franken pro Tonne auf etwa 67 Franken gestiegen. An der Zapfsäule wirkt sich das mit etwa 3.6 Rp/l aus.»
Alternative Quellen
Konsumentinnen und Konsumenten weltweit reagierten teils hochempfindlich auf die Preiserhöhungen. Kriegsterror, die Not Millionen Geflüchteter oder andere drohende Gefahren wie mögliche Dünger- und Getreideknappheiten aufgrund des Krieges rücken an der Tankstelle schnell wieder in den Hintergrund. Politiker kommen entsprechend unter Druck, suchen nach Alternativen zu russischem Öl und Gas. Europäische Minister fliegen in die ölreichen Wüstenstaaten, während die US-Regierung versucht, die heimischen Förderer zur Mehrproduktion zu motivieren. Das neu aufgekommene Ölfieber wirkt reichlich paradox, denn mittel- bis langfristig will sich die Welt von den fossilen Energieträgern lösen und nicht neue Bohrlöcher auftun.
8 Franken für die Tagestour
Nun sind gestiegene Preise an der Tankstelle gewiss ein Ärgernis, zumal sie einem auf grossen Schildern täglich vor Augen geführt werden. Vielleicht würden wir auf Erhöhungen bei Milch oder Brot ebenfalls gereizt reagieren, stünden überall Preisschilder am Strassenrand…
Motorradfahrer spulen im Schnitt nur wenige tausend Kilometer im Jahr ab, da fällt der teure Sprit nicht ganz so arg ins Gewicht. Im Vergleich zu 2021 stehen wir derzeit bei etwa 40 Rappen Aufschlag. Für eine 300-km-Alpenrunde aus dem Mittelland über Gotthard, Furka, Grimsel und Susten rauschen wohl nicht mehr als 20 Liter durch die Einspritzdüsen. Eine solche Tour wurde mithin um 8 Franken teurer. Und eine 5000-Kilometer-Töffsaison, bei 5 l/100 km, um 100 Franken.
Wenn also die Grünen-Politikerin Regula Rytz uns Bikern empfiehlt, auf die Gotthard-Tour zu verzichten und stattdessen ein Gotthard-Konzert zu besuchen, lassen wir uns nicht beirren… und tun einfach beides. Allerdings, das sei auch gesagt, wagt heute kaum ein Experte Prognosen über die weitere Preisentwicklung.
Unterwegs
Die hohen Benzinpreise verfolgen Schweizer Reisende auch auf Auslandtrips. Besonders wenn man sich nordwärts wendet. Deutschland und Benelux sind ebenso Preishöllen mit Preisen über CH-Niveau wie die skandinavischen Länder. Italien und Frankreich liegen in etwa auf Höhe der Schweiz, deutlich günstiger ist der Tankstellenbesuch in Österreich. Nach wie vor günstig, dafür etwas abgelegen für eine Tankfüllung, ist die Zollfreiecke Samnaun (GR). Dort kostet bleifrei etwa Fr. 1.60/Liter.
Text: Daniel Riesen