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Feuer und Eis: Island

Michael Martin. Fünf Jahre war der Abenteurer und hochkarätige Wüstenfotograf unterwegs– am liebsten mit dem Motorrad: Knapp unterhalb des Polarkreises durchquerte er die Weiten des isländischen Eises.

Michael Martin – fünf Jahre war der Abenteurer und hochkarätige Wüstenfotograf unterwegs – am liebsten mit dem Motorrad: Knapp unterhalb des Polarkreises durchquerte er die Weiten des isländischen Eises.

Ich hatte es geahnt. Es würde regnen auf dieser Wüstenreise. Aber muss der gleich in München beginnen? A9, A3, A7, wie gross doch Deutschland bei Dauerregen sein kann. Dann endlich die Grenze zu Dänemark, bald rollen wir in den Hafen von Hanstholm, dort liegt bereits unsere Fähre, die uns durch Nordsee und Nordatlantik nach Island bringen soll.Während der dreitägigen Überfahrt habe ich endlich Zeit, Reiseführer und Karte zu studieren. Unser Plan ist, so schnell wie möglich die Ringstrasse zu verlassen und das östliche Hochland zu erkunden. Mir wird schnell klar, dass wir da weder mit Einkaufsmöglichkeiten noch mit Tankstellen rechnen können.

Die Fähre erreicht früh den Hafen…

…von Seyðisfjörður an der Ostküste Islands, so dass wir noch am Vormittag im nahen Egilsstaðir Geld tauschen und Lebensmittel einkaufen können. Wir verlassen die Ringstrasse knapp 100 km westlich und tanken im Dörfchen Möðrudalur nochmals voll.Die erste Piste führt durch schwarze Lavalandschaft nach Süden. Es ist bewölkt und es regnet. Meine Stimmung schwankt zwischen depressiv und euphorisch. Einerseits nervt der Regen, auf der anderen Seite bin ich endlich wieder mit meinem Töff auf eigene Faust in einer Wüste unterwegs! In heutigen Zeiten, in denen die Sahara aus Sicherheitsgründen nicht mehr bereist werden kann, ist das schon etwas Besonderes.

Matratzenlager statt Zelt

Geregnet hätte es in der Sahara sicher nicht … Mein Reisepartner Thilo stellt dazu eine naheliegende Frage: „Wieso wächst hier nichts, wo es doch regnet?“ Der Grund ist, dass auf den Lavaflächen Niederschläge sofort versickern. Der Gedanke, die erste Wüstennacht auf Island durchnässt im Zelt zu verbringen, behagt uns gar nicht. Zum Glück ist die Piste gut und die Tage im August sind noch lang, so dass wir im letzten Licht die Hütte Sigurðarskáli am Kverkfjöll erreichen. Wir dürfen in einer Art Matratzenlager schlafen und unsere Kleidung am Ofen trocknen.

 

Am nächsten Morgen bieten uns die Ranger eine Bergtour zu dem Geothermalgebiet Hveradalir am Rand des Vatnajökull an. Als Motorradfahrer sind wir dafür eigentlich nicht ausgerüstet, aber die Töffstiefel taugen für einen Tag schon mal als Bergschuhe. Steigeisen und Pickel machen uns vollends zu Alpinisten. Es geht gleich steil auf dem Gletschereis bergan und ich bin fasziniert von der Farben- und Formenwelt des Eises.

Schwefeldampf aus toniger Erde

Das gleissende Weiss wird immer wieder durchzogen von tiefblauen Spalten, in denen Schmelzwasserbäche verschwinden. Die islandtypische Kombination aus Feuer und Eis wird deutlich, als wir das Geothermalgebiet erreicht haben. Schwefeldampf entweicht aus der tonigen Erde, die von Gletschereis flankiert wird.In einem Geologiebuch abends in der Hütte finde ich die Erklärung für den einzigartigen Vulkanismus. Die Insel ist Teil des Mittelatlantischen Rückens, der im Bereich von Island über die Meeresoberfläche hinausragt. Hier verläuft die Plattengrenze zwischen der nordamerikanischen und eurasischen Platte. Die beiden Kontinentalplatten entfernen sich jährlich etwa zwei Zentimeter voneinander. Das sorgt für ständigen Nachschub von geschmolzenem Gesteinsmaterial aus dem Erdinneren. Die Folge sind 30 Vulkansysteme und 600 heisse Quellen in Island.

Stürze gehören dazu

Und so ist auch der Vulkan Askja das nächste Etappenziel. Die gut sichtbare Piste ist an manchen Stellen versandet, tückischerweise liegen dazwischen grosse Lavabrocken. Längst habe ich den Luftdruck reduziert, trotzdem stürzen wir wegen des schweren Gepäcks mehrfach.

 

Geradezu überirdisch wird die Landschaft, als wir zu Fuss die Kante des Víti-Kraters erreichen. Am Boden des 300 Meter grossen und 60 Meter tiefen Kraters liegt ein smaragdgrüner See, der aufgrund vulkanischer Aktivität über 30 C warm ist. Es steigen Dampfwolken auf, die sich noch im Krater auflösen. Der grösste Ausbruch der Askja geschah im Jahre 1875 und vernichtete die Lebensgrundlage vieler isländischer Bauern, was eine heftige Auswanderungswelle nach Amerika zur Folge hatte.

Mit der GS durch ausgedehnte Wasserflächen

Die anstehende Pistenquerung von der Askja zur Sprengisandur-Piste ist orientierungs- und fahrtechnisch anspruchsvoll. Schnell finden wir uns auf einer grossen Sanderfläche wieder, einem Schwemmfächer, der von Gletscherschmelzwasser geformt und überspült wird. Es muss spektakulär aussehen, wie wir mit der GS die ausgedehnten Wasserflächen durchschneiden.Ganz ungefährlich ist das nicht, denn Gräben wären nicht rechtzeitig zu erkennen. Später führt die Piste über Geröll und Moränen hinweg um den Vatnajökull herum und bietet fantastische Ausblicke auf den grössten Gletscher Islands. Dann biegen wir auf die Sprengisandur-Piste ein. Die Route durch die „Wüste der Missetäter“ ist eine der beiden Hauptrouten durch das isländische Hochland.

Beinahe umgeworfen

Doch bevor wir die stark frequentierte Hütte von Nýidalur erreichen, müssen wir durch eine breite Furt. Ich widerstehe dem Bedürfnis, richtig Gas zu geben. Die entstehende Bugwelle und das Spritzwasser könnten Motor und Elektronik lahmlegen. Und so ist es an Sozius Thilo, die Furt erst einmal zu durchwaten. So sehe ich wenigstens, wie tief die Flussdurchfahrt wird. Dann lege ich den ersten Gang ein und fahre im Schritttempo vorsichtig durch die Furt. Ein paar grössere Steine im Fluss hätten mich beinahe umgeworfen, aber ich erreiche heil das andere Ufer.

 

Erleichtert setze ich mich auf einen Stein, kippe das Wasser aus den Motorradstiefeln und beobachte, wie das nasse Element zwischen den Motorteilen in weissen Wölkchen verdampft. Wir haben für diesen Tag genug und schlagen unser Zelt vor der Hütte auf. Nach dem anfänglichen Regen ist das Wetter nun erstaunlich gut. Am nächsten Tag stauben wir auf der südlichen Sprengisandur-Piste nach Hrauneyjar.

 

Das Hotel im Nirgendwo bietet alles, was sich erschöpfte Hochland-Reisende wünschen: tellergrosse Schnitzel, WLAN, heisse Duschen und Benzin. Nur den Hotelbetten widerstehen wir und bauen unser rotes Zelt auf einem der raren Grasflecken auf. Wir beschliessen, uns zwei Tage Pause an diesem angenehmen Platz zu gönnen.An einem klaren Morgen unternehmen wir auf guter Piste einen Abstecher nach Jökulheimar. Die dortigen, wunderschönen Lavalandschaften mit dem Vatnajökull im Hintergrund rechtfertigen die Extrakilometer, zumal man in Hrauneyjar auftanken kann.

Rhyolithberge dürfen nicht fehlen

Nach zwei Tagen Pause geht’s weiter nach Landmannalaugar. Die erdgeschichtlich jungen Rhyolithberge mit ihren farbigen Hängen dürfen in keinem Islandbildband fehlen. Wir haben Glück, dass ein Regenschauer rechtzeitig endet und der Dampf heisser Quellen fotogen in der Sonne aufleuchtet.Weiter südlich erleben wir Landschaften, deren Lavaflächen mit Grün überzogen sind und an die digitalen Märchenwelten aus dem Film „Herr der Ringe“ erinnern. Fahrtechnisch sind die Routen alles andere als märchenhaft. Ausgedehnte und weitläufig überflutete sowie tiefe Furten bringen uns an die Grenzen des Machbaren.

Verlegter Ansaugstutzen ist die Rettung

Eine Furt kurz vor Erreichen der Hütte am See Álftavatn ist besonders tief. In den Stromschnellen, versuche ich, unter allen Umständen den Motor am Laufen zu halten. Bei hoher Drehzahl und mit schleifender Kupplung durchquere ich im Schneckentempo den Fluss. Das Wasser reicht bis zum Tank. Dem Absaufen bin ich nur entgangen, weil ein schlauer BMW-Mech vor der Abreise den Ansaugstutzen nach oben verlegt hat.

 

50 km östlich von Vik erreicht die Piste die Ringstrasse, das „Abenteuer Hochland“ ist schlagartig zu Ende. Aber die Südküste Islands hat im Bereich des Vatnajökull einiges zu bieten! Der grösste Gletscher Europas erstreckt sich nämlich mit mehreren Gletscherzungen Richtung Küste. Eine davon, der Skeiðarárjökull, hat in Jahrtausenden den 50 km breiten Skeiðarársandur aufgeschüttet.Im isländischen Sommer fliesst das Schmelzwasser des Gletschers 25 km weit über diesen Schwemmkegel und ergiesst sich dann in den Nordatlantik. Ein Spektakel, das man aus der Luft erleben muss. Jon, seines Zeichens isländischer Pilot mit eigener Propellermaschine, steht an schönen Sommertagen an der Ringstrasse bereit, Interessierte über den Sander zu fliegen.

 

Meine Erwartungen werden mehr als erfüllt, aus 500 Metern Flughöhe ergeben sich spektakuläre Blicke auf das Wasserlabyrinth. Da wir schon mal in der Luft sind, bitte ich Jon spontan, zum nahen Vatnajökull weiterzufliegen. Nun steht meine Kamera nicht mehr still: Blaue Schmelzwasserseen, grüne Gletscherseen mit Eisbergen, vereiste Vulkankrater und unendliche, weisse Flächen mit Mustern aus Vulkanasche.

Eines der spektakulärsten Bilder

Als ich am späten Nachmittag aus der Cessna klettere, ahne ich noch nicht, dass mir an diesem Tag noch eines der spektakulärsten Bilder meines Lebens gelingen würde. Wir folgen mit der GS noch der Ringstrasse nach Osten. Zunächst verbringen wir den Abend am Strand. Dort liegen riesige Eisbrocken im schwarzen Lavasand, die im Abendlicht schöne Fotomotive darstellen.Was für ein einzigartiger und wunderbarer Ort – an diesem Spätsommerabend bildet sich plötzlich Nebel zwischen den Eisbergen. Gegen 22 Uhr werden wir Zeuge eines einzigartigen Lichtphänomens, dessen physikalische Entstehung mich auch noch am nächsten Tag beschäftigt, als wir auf der Ringstrasse der Südostküste folgen. Im Fährhafen von Seyðisfjörður schliesst sich unsere Runde durch Feuer und Eis.

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