Touratech-Fahrwerk – Test mit Yamaha Ténéré
Touratech wird den meisten Motorradfahrern ein Begriff sein. Vor allem für (Reise-) Zubehör und Gepäck sind die Gelb-Schwarzen bekannt. Doch die Deutschen machen auch Fahrwerke. Wir hatten ein Touratech-Fahrwerk im Test an einer Yamaha Ténéré 700.
Im Test haben wir heute ein Touratech-Fahrwerk an einer Ténéré 700. Doch bevor wir damit loslegen ein kurzer Exkurs zu den nicht-motorisierten Zweirädern. Wer in den letzten Jahren mal auf einem hochwertigen Mountainbike gesessen ist, wird wissen, dass man, damit dieses auch so funktioniert, wie es sollte, zuallererst mal die Federelemente respektive das Fahrwerk individuell einstellen muss. Da wird die Federhärte – bei Mountainbikes oft mit Luftdämpfern über den passenden Druck – ans Gewicht angepasst, aber auch die Druck- und Zugstufendämpfung für jeden Fahrer individuell abgestimmt.
Nun die Frage: Wer hat schon mal ein Töff-Fahrwerk auf sich, sein Gewicht und das bevorzugte Einsatzgebiet abgestimmt? Klar, beim Motorrad ist das nicht ganz so wichtig wie beim Fahrrad. Zehn Kilo Körpergewicht mehr oder weniger machen bei einem Systemgewicht von +/– 300 kg schlicht deutlich weniger aus als bei einem Gesamtgewicht von +/– 90 kg. Und doch kann es sich lohnen, die Federelemente mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, gerade wenn man nicht der «Norm» entspricht. «Die Norm bedeutet für die meisten Motorradhersteller 75 kg Fahrergewicht plus 10 kg Gepäck, darauf sind die meisten Serienfahrwerke ausgelegt», erklärt Peter Hanna von Touratech Swiss.
Gewicht
Wer also deutlich schwerer oder leichter ist und/oder häufig zu zweit verreist, könnte stark von einem individuell abgestimmten Fahrwerk profitieren. Denn wenn das gesamte Fahrwerk, also Federhärte und Dämpfung, auf ein Gesamtgewicht von beispielsweise 300 kg abgestimmt ist (215 kg Motorrad plus 75 kg Fahrer und 10 kg Gepäck), ich nun aber meist mit einem Systemgewicht von 380 kg (215 kg Motorrad, 85 kg Fahrer, 15 kg Gepäck und 65 kg Sozia) unterwegs bin, kann dieses gar nicht so funktionieren, wie es sollte.
«Viele unserer Kunden kommen deshalb zu uns. Unsere Fahrwerke sind standardmässig auf ein Fahrergewicht von 90 bis 100 kg abgestimmt, was in den meisten Fällen deutlich besser passt als 75 kg. Durch härtere oder weichere Federn und angepasste Dämpfung kann das Fahrwerk dann weiter für den jeweiligen Fahrer individualisiert werden», so Hanna.
Möglichkeiten
Andere Gründe für ein angepasstes Fahrwerk sind zum Beispiel der Fahrstil, das bevorzugte Einsatzgebiet sowie die persönlichen Vorlieben. Gerade bei Reiseenduros sind die Serienfahrwerke häufig mit Fokus auf Komfort abgestimmt, kommen also mit verhältnismässig weichen Federn und wenig Dämpfung, damit sie Unebenheiten bequem wegfedern.
Dieser Komfort hat aber natürlich auch seinen Preis. Ein weiches, wenig gedämpftes Fahrwerk ist weniger vorhersehbar und kommt bei sportlicher Fahrweise schneller ans Limit. Zudem ist das Feedback weniger klar und die Stabilität, gerade wenn es z.B. in Schräglage über Unebenheiten geht, beeinträchtigt.
Besitzt man nun ein Motorrad mit einstellbarem Fahrwerk, kann man vieles davon über die Dämpfung anpassen. Doch der Einstellspielraum ist begrenzt, und an der Federhärte an sich kann von aussen eh nichts geändert werden.
Touratech-Fahrwerk – alles einstellbar
Zu den Motorrädern, die ab Werk eher weich – für mich als Fahrer, der gerne sportlich unterwegs ist, zu weich – abgestimmt sind, gehört auch die Ténéré 700. «Die Ténéré hat kein schlechtes Serienfahrwerk, aber bei dem Preis kann es natürlich nicht alle Einstellmöglichkeiten bieten. Und natürlich ist es eher auf Komfort als auf Sport ausgelegt, was ja auch zu diesem Motorrad passt. Wenn du aber ein sportlicher Fahrer bist, wirst du unsere Ténéré lieben», so Hanna.
Die Ténéré mit Touratech-Fahrwerk ist mit praktisch allem versehen, was die Gelb-Schwarzen im Angebot haben. Von der grossen Motorschutzplatte über die Zusatzscheinwerfer bis zum Gepäcksystem ist alles mit dabei. Mich interessiert aber vor allem das Fahrwerk. Und hier ist das analoge Premium-Setup verbaut – Touratech bietet auch einige Optionen für elektronische Fahrwerke an.
Cartridge
In der Gabel ist das Cartridge-Kit verbaut, das Aussenleben kann von der Standardgabel übernommen werden. Hinten kommt ein komplett neues Federbein mit hydraulisch einstellbarer Federvorspannung, einstellbarer High- und Low-Speed-Druckstufendämpfung und einstellbarer Zugstufendämpfung sowie einem PDS-System für mehr Durchschlagsschutz zum Einsatz. Das PDS-System ergänzt das Federbein dabei um einen weiteren, sehr stark gedämpften Bereich am Ende des Federwegs, um ein Durchschlagen bspw. bei der Landung von Sprüngen zu verhindern.
«Natürlich kannst du hier jetzt alles einstellen, aber wir haben es mal so abgestimmt, wie wir es für die Ténéré für richtig halten», erklärt Hanna. Normalerweise erfolgt diese Abstimmung aber immer mit dem Kunden: «Wer bei uns ein Fahrwerk kauft, füllt immer zuerst ein Formular aus. Damit finden wir heraus, wie er fährt, wie schwer er ist und was er erwartet. Danach suchen wir das Gespräch, um am Ende wirklich ein auf den jeweiligen Kunden individuell eingestelltes Fahrwerk liefern zu können.»
Mehr Kontrolle
Schon beim Aufsitzen macht sich das neue Fahrwerk bemerkbar. Die Ténéré taucht deutlich weniger ein als die Standardversion. «Wir haben den Negativfederweg reduziert, um im harten Einsatz mehr Reserven zu haben. Ein Motorrad mit viel Negativfederweg ist zwar bequem, aber wenn du schon im Stand beinahe die Hälfte deines Federwegs nutzt, geht das unweigerlich auf die Reserven, die du für den sportlichen Einsatz brauchst.»
Jetzt aber los. Ich fahre über Landstrassen erst mal vom Touratech-Swiss-Sitz in Ebikon LU in Richtung Aargau. Hier, beim gemütlichen Dahingleiten, gibt sich die Touratech-Ténéré stabil und trotzdem flink, ist nicht unbequem, aber doch merklich straffer als die Standardversion. Die Vorteile des neuen Fahrwerks zeigen sich dann im sportlicheren Betrieb auf den kurvigen Juraausläufern im aargauischen Hinterland.
Auf der Bremse taucht die Ténéré kaum ein, bleibt so sehr stabil und lässt sich – vor allem für ein Motorrad mit so viel Federweg – unglaublich präzise einlenken. Auch fehlt beim schnellen Einlenken das Reiseenduro-typische «Wegsacken» und Nachwippen – mehr Dämpfung sei Dank. So bin ich mit Tempi – vor allem vor und in Kurven – unterwegs, die bei mir normalerweise sportlicheren Motorrädern vorbehalten sind.
Geländetauglich
Nun noch einen Abstecher ins Gelände – wer weiss, wo, findet auch in der Schweiz noch einige legal befahrbare Schotterpisten. Ich bin kein Offroad-Profi, suche mir mit der Touratech-Ténéré inklusive Gepäck aber trotzdem Abschnitte aus, die mich normalerweise etwas fordern, also die Schotterstrassen, die vom Regen ausgewaschen und mit normalen Autos somit nicht mehr passierbar sind. Und siehe da, die Reserven der TT machen auch diese Abschnitte zum Kinderspiel. Auch bei schlechter Linienwahl schlägt die Ténéré nicht durch und führt mich sicher zurück auf die Strasse.
Investition
Für den sportlichen Einsatz macht das Touratech-Fahrwerk bei der Ténéré also absolut Sinn. Zugleich sind die Abstriche beim Komfort aus meiner Sicht nicht schwerwiegend genug, um die Vorteile aufzuwiegen. Ein Top-Upgrade also. Natürlich aber auch eines, das nicht ganz günstig ist. Das High-End-Federbein für die Ténéré gibt’s ab etwas über 1400 Franken, das Cartridge-Kit liegt bei rund 1500 Franken.
Dazu kommt – wenn man es nicht selbst kann – aber natürlich dann auch noch der Einbau. Nicht ganz günstig, aber das ist auch die Top-Version. «Wir haben beispielsweise auch einfach neue, progressive Federn im Angebot, die verbessern die Performance des Standardfahrwerks auch klar, sind aber deutlich günstiger», so Hanna. Und auch neue Federbeine gibt’s je nach Version bereits ab knapp 600 Franken.
Mehr zu Touratech gibt’s unter touratech-swiss.ch.