Test: Mass-Gehörschutz von Elacin
Anfang Saison hatten wir uns einen Gehörschutz nach Mass von Elacin anfertigen lassen. Jetzt, einige tausend Kilometer später, folgt das Fazit auf Strasse und Rennstrecke. Vorweg: Wenn du sie einmal probiert hast, wirst du sie nie wieder hergeben.
Ist der Winddruck hoch, tobt im Helm der Sturm. Das ist auf Dauer schädlich fürs sensible Gehör und auch der Verkehrssicherheit nicht zuträglich. Niederländische Studien haben ergeben, dass bei 120 km/h der Schalldruck selbst bei Premiumhelmen 98 dB(A) betragen kann. Das ist eine Lautstärke, die das menschliche Ohr nicht einmal eine Viertelstunde erträgt, ohne einen Schaden davonzutragen.
Welcher Gehörschutz ist der Richtige?
Damit ist über die Notwendigkeit, seine Lauscher beim Töfffahren zu schützen, bereits alles gesagt. Die einfachste Lösung sind Wegwerf-Ohrstöpsel. Schafft man es, diese formschlüssig abdichtend im Gehörgang zu platzieren, erfüllen sie ihre Kernaufgabe: Sie halten den Aussenlärm vom Ohr fern. Der Nachteil sind ein zuweilen zweifelhafter Tragekomfort, das Verrutschen beim Helmanziehen sowie eine Dämmung, die unser Gehör zu stark von Nebengeräuschen abschirmt. Die Folge: Gespräche sind mühsam, man fühlt sich abgekoppelt, wie in Watte gepackt.
Eine Lösung, Passform, Komfort und eine natürlich wirkende Dämmung unter einen Hut bzw. Helm zu kriegen, bietet das bei Zürich domizilierte Schweizer Unternehmen Audio Protect AG mit den Produkten von Elacin.
Wie geht man vor?
Die Silikonstöpsel werden individuell auf Mass gefertigt (siehe weiter unten). Für die Geräuschdämmung werden Filter eingesetzt. In ihrer «RC minigrip Drive»-Serie bietet Elacin acht verschiedene Filterstärken an. Mehrere davon, mit einer Wirkung zwischen 17 und 25 dB(A), werden fürs Motorradfahren empfohlen. Wir testen die Einsätze mit einer Reduktionsstärke von 19 dB(A). Die Dämmung erfolgt dabei gleichmässig übers gesamte, fürs menschliche Ohr hörbare Spektrum.
Für die sogenannte Ohrabformung wenden sich Interessierte an den Schweizer Elacin-Ableger Audio Protect AG. Die Prozedur dauert etwa zehn Minuten. Rund drei Wochen dauert es, den personalisierten Gehörschutz im Produktionslabor in Geroldswil ZH fertigen zu lassen. Die Formpassstücke kosten im Paar Fr. 278.40, können Jahre eingesetzt werden und sind sicher günstiger als später ein Hörgerät.
Der Test
Wir haben unseren Elacin-Massgehörschutz die komplette Saison über auf verschiedensten Motorrädern getestet. Und zwar in der City, Überland, auf Alpenpässen und auf der Rennstrecke. Nach den genannten Testszenarien wollen wir im Folgenden auch unsere Erkenntnisse gliedern.
In der Stadt
Hier wird das Produkt insofern als sehr angenehm empfunden, als sämtliche Umgebungsgeräusche, die für die Verkehrssicherheit relevant sind, klar wahrgenommen werden. Tiefe Frequenzen – etwa vom Motor oder Windgeräusche – werden effizient reduziert, was den Stress minimiert und relevante Geräusche quasi noch besser wahrnehmbar macht. Bei Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls einen Helm tragen, muss zwar nach wie vor eher laut gesprochen werden, es liegt aber bei Weitem kein Geschrei vor, wie das mit Wegwerf-Ohrstöpseln der Fall wäre.
Landstrasse
Cruisen und Verbindungsetappen gehen ausgesprochen entspannt übers Parkett. Das, was man hören will – etwa Drehzahl –, ist klar, aber nicht laut vernehmbar. Unerwünschte Geräusche werden sauber gefiltert. Das Konzentrationsvermögen wird allgemein als besser wahrgenommen, am Ende einer 300-Kilometer-Alpentour fühlt man sich deutlich frischer, ist weniger stark ermüdet.
Rennstrecke
Der Test fand auf einer uns noch unbekannten, technische anspruchsvollen Rennstrecke statt. Und zwar mit 220-PS-Boliden. Da ist jedes Quäntchen Konzentrationsvermögen und Körperenergie sehr wertvoll. Mit Sicherheit hat der Elacin-Gehörschutz hier viele unnötige Stressoren eliminiert. Die Ohren waren den ganzen Tag über – auch bei 300 km/h – bestens geschützt, und man vernimmt sämtliche relevanten Geräusche wie Drehzahl, Gangstufe, Eingriffe der Regelelektronik aber auch die Motoren der Bikes unmittelbar um einen herum sehr gut.
Test mit dem Kommunikationssystem
Wir haben den Elacin-Gehörschutz regelmässig in Kombination mit dem neuen Packtalk Edge-Kommunikationssystem von Cardo verwendet (in einem Arai Quantic). Und vorweg: Es ist das erste Mal überhaupt, dass wir bei Autobahntempi die Musik nicht nur hören, sondern auch geniessen konnten. Tatsächlich filtert der Massgehörschutz hier zuverlässig alle störenden Frequenzen raus, sodass die Musik von Tiefen über Mitten bis Höhen klar vernehmbar ist. Bis dato – also ohne Gehörschutz bzw. mit Wegwerf-Stöpseln – war ab ca. 80 km/h fertig. Auch Telefonanrufe waren nicht nur problemlos, sondern auch angenehm fürs Ohr zu bewerkstelligen.
Tragekomfort: Eine Frage der äusseren Bedingungen
In Bezug auf den Tragekomfort bzw. die Passgenauigkeit im Gehörgang können je nach Aussentemperatur Unterschiede vorliegen. Konkret war es im Rekordsommer 2022 bei Temperaturen jenseits von 30 Grad so, dass sich im Gehörgang zwischen Haut und Gehörschutz Schweiss bildete. Dieser führte dazu, dass sich der Gehörschutz im Gehörgang je nach Position des Kopfs leicht verdrehte, was wiederum einen kleinen Luftkanal freimachte. Durch diesen kamen die Geräusche dann ungefiltert ins Ohrinnere. Dies war insofern nicht weiter problematisch, als die Schutzfunktion weiter gewährleistet war. Fürs subjektive Empfinden war es aber eher störend. Abhilfe verschaffte das Anpassen der Kopfhaltung.
Bei kühleren Temperaturen war es dagegen nicht ganz einfach, den Gehörschutz einzusetzen (Gehörgang und Silikonbeschichtung des Gehörschutzes trocken). Abhilfe verschafft hier das Anhauchen vor dem Einsetzen oder – effizienter – das Bestreichen der Gehörschützer mit der im praktischen Etui mitgelieferten Creme.
Testfazit
Die «RC minigrip Drive»-Serie von Elacin hat von City über Landstrasse bis hin zu Rennstrecke durchs Band überzeugt. Der Tragekomfort ist hervorragend, die Geräuschreduktion genau so, wie man sie als Motorradfahrer haben will. Sprich; willkommene bzw. wichtige Laute werden zu den Haarsinneszellen und zum Trommelfell durchgelassen, störenden Frequenzen wird der Durchgang verwehrt bzw. sie werden aufs Notwendige reduziert. Oder anders ausgedrückt: Diese Gehörschützer werden wir nie wieder hergeben.
Info: www.audioprotect.ch; Tel. 044 774 53 53
Angepasster Gehörschutz von Elacin: Der Produktionsprozess
Im Rahmen unseres Besuchs bei der Audio Protect AG in Geroldswil Anfang Jahr wurden wir in den Produktionsprozess eingeweiht. Dieser beginnt mit dem Ohrabdruck. Dabei wird – nach einer kurzen Kontrolle beider Gehörgänge via Otoskop – jeweils ein kleines Wattebäuschchen eingeführt, wonach behutsam eine Silikonpaste in die Gehörgänge eingespritzt wird. Man spürt dabei sehr gut, wie die Masse eindringt, und es entsteht ein entsprechender Druck. Nach knapp fünf Minuten ist die Masse ausreichend elastisch, dass der Abdruck – übrigens ohne jegliche Rückstände – entfernt werden kann (Bild unten).
Im nächsten Schritt werden die Silikonabdrücke in einem 3D-Scanner dreidimensional eingelesen (Bild unten).
Die digitalen Daten werden dann an einen spezialisierten Dienstleister in Rumänien übermittelt, der die Daten modelliert (Bild unten), sodass sie – einmal zurück in Geroldswil – am 3D-Drucker geprintet werden können.
Dies geschieht mit einem Material namens Fotoplast. In die Fotoplastformen (Bild unten) wird nun ein Silikon eingespritzt, wobei der Kunde aus verschiedenen Farben auswählen kann. Hat es seine Zielkonsistenz erreicht, werden die Fotoplastformen aufgebrochen, und der Rohling kommt zum Vorschein. Die matten Oberflächen werden nun lackiert bzw. versiegelt.
Acht verschiedene Filterstufen hat Elacin je nach Einsatzzweck im Sortiment (Bild unten), wobei die besten Erfahrungen bei Motorradfahrern mit Filtern erreicht wurden, die das Klangspektrum um 21 bzw. 25 dB(A) senken. Das sind im Vergleich zu Filtern, die für industrielle Zwecke verwendet werden (etwa Fräsen oder Schmieden) eher «milde» Filter, denn der Motorradfahrer muss – auch von Gesetzes wegen – die Geschehnisse um ihn herum selbstverständlich jederzeit wahrnehmen können. Abgesehen davon will man sich als Töfffahrer/in auch mit Helm auf dem Kopf mit Gleichgesinnten unterhalten können.
Nachdem die Filter eingesetzt wurden, sind die Gehörschützer fertig und einsatzbereit (Bild unten). Wobei wir von Kunden wissen, die ihre Otoplastiken – bei entsprechender Pflege – viele Jahre zufrieden nutzen. Zu den für Töfffahrer prominentesten Kunden der Audio Protect AG zählte Tom Lüthi während seiner aktiven Rennfahrerzeit. Ausgeliefert werden die Gehörschützer in einem Etui, das u.a. Reinigungswerkzeug und ein Gleitgel zum Einsetzen umfasst.