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Test Kawasaki Ninja 1100 SX SE

Kawasaki Ninja 1100 SX SE

Kawasaki bleibt sich und dem Segment der klassischen Sporttourer treu und erneuert die SX-Ninja. Neben Euro5+ gibt es für die neue Ninja 1100 SX mehr Hubraum und mehr Druck, aber auch ein Plus an Serienausstattung sowie dynamische Kompetenz.

 

Todgesagte leben bekanntlich länger. Im Falle der vor 14 Jahren als Derivat der nackten Z1000 lancierten SX-Ninja von Kawasaki trifft dies insofern zu, als sie sich trotz der allgemein sinkenden Absatzzahlen im Segment der klassischen Sporttourer laut den Grünen doch noch sehr gut hält. Damit dies auch weiter so bleibt, gabs für 2025 ein Update.

 

Druckvoller und sauberer

Die «1100» im Modellnamen suggeriert, dass – genau wie bei der neuen Versys 1100 – das neue Aggregat der Homologationsstufe Euro5+ zum Einsatz kommt. Es ist baugleich mit jenem aus der Versys 1100, dennoch werden wir hier der Vollständigkeit halber nochmals auf die wichtigsten technischen Modifikationen eingehen.

 

Kawasaki Ninja 1100 SX SE

Die Kawasaki Ninja 1100 SX – hier die SE-Version – ist ab sofort ab 15’590 bzw. 17’190 Franken verfügbar.

 

Der Hubraum des Reihenvierzylinders mit Screamer-Zündfolge wurde von 1043 auf 1099 ccm gebracht. Geschehen ist dies durch eine Erhöhung des Hubs um 3 mm. Gleichzeitig steigerten die Ingenieure aus Akashi das Verdichtungsverhältnis von 10,8 auf neu 11,3:1. Die Implementierung neuer Steuerzeiten, die Reduktion des Ventilhubs und die Neugestaltung der Einlasskanäle sowie der 130 g leichteren Einspritzanlage, wobei die mittleren Ansaugtrichter nun 45 mm länger ausfallen als die beiden Äusseren, sind weitere Massnahmen zur Optimierung des Sechzehnventilers. Ferner kommt ein Schwungrad mit mehr Masse zum Einsatz – die Einführung eines Ölkühlers soll eine bessere Thermik herbeiführen.

 

Das Ziel all dieser Massnahmen: insbesondere unten und in der Mitte mehr Druck bei gleichzeitig besserer Fahrbarkeit. Und so generiert der Reaktor neu zwar nur noch 136 statt 142 und damit sechs PS weniger, das Drehmoment stieg dafür von 111 auf 113 Nm an. Wobei die Kurven für Leistung und Drehmoment der 1100er jene der 1000er von ganz unten bis ca. 8000/min klar unter sich begraben. Die sechs eingebüssten PS befanden sich demnach in einem Drehzahlbereich – konkret im kleinen Fenster zwischen 9500 und 10’200/min – den man im Strassenbetrieb ohnehin so gut wie niemals ansteuert.

 

Kawasaki Ninja 1100 SX SE

Die jeweils 28 Liter fassenden Seitenkoffer entstammen dem breiten Zubehörprogramm.

 

Das Plus an Druck erlaubte es, den fünften und sechsten Gang zwecks mehr Autobahnkomfort etwas länger zu übersetzen, während eine von 250 auf 260 mm angewachsene hintere Scheibe die Performance bei der motivierten Bremsung steigert. Auch die Bridgestone-Gummis der eigentlich supersportlichen und noch taufrischen Spezifikation Battlax S23 tragen der gesteigerten Performance Rechnung.

 

An der Peripherie der Ninja 1100 SX

Für die Einhaltung von Euro5+ mussten auch hier eine zweite Lambdasonde sowie eine zusätzliche Kat-Kartusche eingeführt werden. Und abschliessend erfuhr der serienmässige, bidirektionale Quickshifter spezifische Modifikationen, sodass er neu bereits ab 1500/min arbeitet statt wie zuvor erst ab 2500/min. Ebenfalls sehr erfreulich: Trotz gesteigertem Druck sollt die neuen Ninja 1100 SX sparsamer geworden sein (5,6 statt 5,8 Liter).

 

Weitere serienmässige Neuerungen sind eine USB-C-Buchse an der linken Lenkerhälfte sowie der Tempomat. Die Vibrationen sollen dank angepasster Lenkergewichte reduziert worden sein, und die Connectivity mit der neuen «Rideology App» von Kawasaki verarbeitet neu auch Sprachbefehle.

 

 

Auch das IMU-gestützte Elektronikpaket lässt keine Wünsche offen. Es umfasst wie gehabt eine mehrstufige Traktionskontrolle, Kurven-ABS, und integrierte Riding Modes (Sport, Road, Rain sowie den individuell programmierbaren Rider-Mode).

 

In Bezug auf die Sitzhöhe wird die SX in der Schweiz mit dem 835-mm-Sitzkissen ausgeliefert. Optional gibt es – neben einer Vielzahl an Originalzubehör in den Bereichen Touring, Komfort und Sport – auch einen 815-mm-Sitz.

 

Zwei SX-Modelle, je drei Varianten

Zwei Modelle wird es von der Ninja 1100 SX geben, das Basis-Modell in Schwarz ab 15 590 Franken und – erstmals bei diesem Modell – eine insgesamt hochwertigere SE-Version in Grün-Schwarz bzw. Schwarz-Grau ab 17 190 Franken. Letztere kommt gegenüber der Basis mit folgenden leckeren Features angerollt: M4.32-Vierkolbenzangen von Brembo mit Stahlflex-Leitungen, ein S46-Federbein von Öhlins mit via Handrad einstellbarer Federvorspannung sowie – in unseren Breitengraden nie verkehrt – Griffheizung. Wobei sowohl Basis- als auch SE-Modell beim Kawasaki-Händler in jeweils drei Zubehör-Editionen bestellt werden können: Tourer, Performance und Performance Tourer. Bevor wir losfahren, wollen wir noch kurz das fahrfertige Gewicht unter die Lupe nehmen: Es beträgt 235 kg und ist im Vergleich zur Vorgängerin damit identisch.

 

Satteln zum Tiefflug

Ergonomisch ist auf der SX schon mal alles im grünen Bereich. Mit dem 835-mm-Sitz muss ich sie zwar auf den Fussballen im Lot halten, Rangieren geht wegen des tiefen Schwerpunkts dennoch gut. Der Oberkörper neigt sich leicht über den 19-l-Tank, während die Handgelenke überraschend wenig Gewicht abzustützen haben. Tatsächlich streckt einem die SX die Lenkerhälften dank den zirka 10 cm langen Auslegern grosszügig entgegen. Zusammen mit dem durchaus vertretbaren Kniewinkel liegt so eine sportlich-aktive und gleichwohl tourenfreundlich-kräfteschonende Körperhaltung vor.

 

Kawasaki Ninja 1100 SX SE

 

Auch die filigranen Lenkerarmaturen sind so weit alle gut und intuitiv zu erreichen bzw. zu bedienen. Was uns zum Display bringt. Gegenüber dem Vorgängermodell gibt‘s bei der Hardware keine Neuerungen, was insofern okay ist, als das 4,3-Zoll-TFT in puncto Ablesbarkeit schon immer top war. Freilich wäre es schön gewesen, den an der Z900 neu eingeführten Bildschirm auch an der SX anzutreffen, aber irgendwo muss auch Kawasaki die Kosten abwägen bei einem Modell, das beim Absatz zwar die Erwartungen erfüllt, jedoch nie die ganz grossen Volumen bringen wird. Und so muss auch weiter der Hebel rechts unter dem Display gedrückt werden, um das Windschild in seinen vier Stufen verstellen zu können, was während der Fahrt natürlich nicht möglich ist.

 

Und wenn wir schon bei den Kritikpunkten sind: Leider haben die Grünen der SX nach wie vor keine abgewinkelten Radventile spendiert. Und die Tatsache, dass selbst der Kommunikationsverantwortliche von Kawasaki Europa anlässlich der Pressekonferenz mehrmals ironisch auf die «Zierlichkeit» der USB-C-Steckbuchse hinweist, zeigt, dass das grobschlächtige Teil in der heutigen Zeit eigentlich fast schon als Affront gewertet werden muss. Bei der Versys war es ja auch möglich, eine kleine Buchse elegant neben dem Display unterzubringen. Da würden wir – im Smartphone-Zeitalter ohnehin – gerne auf die Möglichkeit verzichten, optional eine Bordspannungssteckdose zu ordern. Denn das entsprechende, runde Feld links im Cockpit wäre für einen USB-Steckplatz geradezu prädestiniert.

 

Ninja 1100 SX: Ruck-zuck mit viel Druck

Wir fahren los und nehmen eine 170-km-Runde im Hinterland von Barcelona unter die Räder. Sämig-rauchig dreht der mächtige 1100er vor sich hin und signalisiert gelassen seine Bereitschaft fürs sportliche Abenteuer. Die Kupplung lässt sich butterweich und präzis mit nur zwei Fingern bedienen bzw. dosieren. Erster Gang, und los geht‘s!

 

 

Der Sechzehnventiler hängt stets sauber am Gas und dreht linear hoch. Der verfügbare Druck lässt sich schon ab 3000/min gewinnbringend in Fahrdynamik ummünzen. Die Musik spielt aber definitiv im Bereich zwischen 4000 und 8000/min, wobei man die SX am häufigsten um 5000/min bewegt. Das Hubraumplus erweist sich auch hier definitiv als grosser Gewinn; die SX bietet in der Mitte nun spürbar mehr Druck, weshalb man sie grundsätzlich etwas tieftouriger, mit noch mehr Überholprestige und auch schaltfauler bewegen kann. Apropos: Der bereits bei der Versys in den höchsten Tönen gelobte Quickshifter überzeugt auch hier auf ganzer Linie. Und zwar auch bei Innerortstempi und geringer Last.

 

Dieser turbinenhafte Kraftbrocken war schon bei der Vorgängerin eine Offenbarung. Alle guten Seiten sind geblieben, das Plus an Druck nehmen wir gerne mit offenen Armen entgegen. Leider haben aber auch – wenngleich gefühlt etwas weniger stark ausgeprägt – die hochfrequenten Vibrationen an Händen und Po überlebt, die sich zwischen 6000 und 8000/min manifestieren.

 

Kawasaki Ninja 1100 SX SE

Komfortabler Arbeitsplatz trotz sportlicher Auslegung. Das Windschild ist (im Stand) in vier Stufen einstellbar und bietet einen anständigen Schutz. Viel- und Allwetterfahrer sollten sich das grössere Zubehör-Schild anschauen. Die Rückspiegel liefern ein klares und vollständiges Bild.

 

Nach der Mittagspause wird es endlich etwas wärmer und vor allem eines: kurvig! Der perfekte Moment also, um der Performance des Fahrwerks auf den Zahn zu fühlen. Wobei in einem Punkt schon einmal Entwarnung gegeben werden kann: Denn während die Versys wegen des 3,3 mm höher bauenden Zylinderkopfs und des daraus leicht höher liegenden Schwerpunkts ziemlich luftig ums Eck zieht und darum etwas Konzentration fordert, liegen Handling und Stabilität bei der SX in nahezu perfektem Einklang.

 

Pfunde, die man kaum spürt

Das Abwinkeln geht unabhängig von Kurvenradius und Speed stets linear und homogen vonstatten. Am Kurvenscheitel bleibt die SX stabil auf Kurs und überzeugt nicht nur am Kurvenausgang mit klarem Feedback. Tatsächlich harmonieren Geometrie, Federelemente – und hier insbesondere das Öhlins-Federbein – sowie die S23-Reifenpaarung aufs Feinste miteinander.

 

Auf den letzten 70 Kilometern offenbart sich uns ein Kurvenparadies sondergleichen. Schnelle Bögen, Serpentinen, Wechselkurven, rauf und runter – da ist alles dabei, was dem Leben Würze verleiht! Und obschon 12 Grad heute das höchste der Gefühle sein werden, lassen wir es richtig fliegen. Wobei sich schnell ein Flow-Erlebnis einstellt.

 

Unglaublich, wie süffig sich die immerhin 235 Kilo schwere SX fast schon hypersportlich fahren lässt. Nicht zuletzt, weil die tipptopp funktionierenden Assistenzsysteme viel Vertrauen schenken. Die Ermüdungserscheinungen in Bezug auf die Ergonomie sind nicht der Rede wert. Nur wer wirklich sportlich zu Werk geht, wird spüren, dass Bremsen und Umlenken mit der Zeit in die Unterarme gehen. Aber eben, wir sprechen hier von 235 Kilo, und vor diesem Hintergrund ist der aufzubringende Kraftaufwand überraschend überschaubar. Nicht zuletzt, weil sich die SX beim Reinbremsen kaum aufstellen will.

 

Kawasaki Ninja 1100 SX SE

In puncto Ablesbarkeit lässt das TFT-Display keine Wünsche offen. Das Bild zweigt die zweite, sportliche Darstellungsoption mit Anzeigen zu den G-Kräften.

 

Die Bremsen machen insgesamt einen hervorragenden Job. Klare Ansprache, fein zu dosieren, äusserst muskulös in puncto Verzögerungskraft. Nur wer die SX wirklich hart rannimmt, sollte an der voll einstellbaren 41-mm-USD-Gabel die Druckstufendämpfung etwas zudrehen. Und noch etwas ist uns im ambitionierten Tiefflug-Modus – neben einer unabhängig vom Riding-Mode etwas direkteren Ansprache des Reihenvierers – aufgefallen: der Gaszug der SX ist sehr lang geraten. Im Normalbetrieb ist dies absolut okay und sinnhaft. Beim Heizen darf man halt nicht vergessen, im richtigen Moment voll auf Anschlag zu drehen. Denn dann werden ungeahnte Reserven mobilisiert, was akustisch – auf gute Art – von einem beeindruckenden «Crescendo» flankiert wird.

 

Kawasaki Ninja 1100 SX SE – Fazit

Die SX-Ninja war schon als 1000er ein souveränes Tourenmotorrad mit genuinen sportlichen Qualitäten. Zwischen ihr und der neuen 1100er liegen sicher keine Welten, aber das Plus an Drehmoment in der Mitte, der jetzt tadellose Quickshifter und das mehr Vertrauen bietende Fahrwerk sind in der Summe definitiv eine Aufwertung. Jetzt auf dieser technischen Basis noch eine heiss gestylte, nackte Z1100, und wir sind (nahezu) wunschlos glücklich.

 

Info: www.kawasaki.ch

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