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Test: Indian Pursuit

Indian Pursuit

Ins Segment der barocken Touring-Fulldresser platziert US-Hersteller Indian neu die spendabel ausgestattete und technisch auf dem Bagger Challenger aufbauende Pursuit. Erster Check der «Verfolgerin» in den französischen Alpen.

 

Für den brandneuen Touring-Fulldresser Pursuit hat Indian die technische Basis des Baggers Challenger so gut wie identisch übernommen. Man müsste sich demnach auf einen sportiven Charakter einstellen können. Konkret pocht auch hier der mächtige, bei Swissauto in Burgdorf BE mitentwickelte Powerplus-60-Grad-V2 mit 1769 ccm Hubraum, 122 PS und 174 Nm Drehmoment. Der Achtventiler hängt mittragend im identischen Alurahmen, ebenso haben sich Brembo-Bremsen, Alugussräder, IMU-Assistenzsysteme wie Kurven-ABS und schräglagenaffine Traktionskontrolle, Seitenkoffer, Sitzbank, der 22,7-Liter-Tank und die Metzeler-Cruisetec-Reifen bereits in der Challenger bewährt.

 

Indian Pursuit

Trotz 416 Kilo Lebendgewicht ausgesprochen flink und luftig. Das Bild zeigt die Pursuit Limited in Black Metallic. Die optisch düster gehaltenen Dark-Horse-Varianten sind etwas teurer.

 

Neu sind bei der Pursuit freilich das Topcase, welches das Stauvolumen auf total 133 Liter erweitert, die um weiteren Stauraum oder Lautsprecher erweiterbaren und belüftbaren Verschalungen vor den Schienbeinen sowie das in der Basis elektronisch einstellbare Federbein von Fox. Darüber hinaus sind Challenger-Optionen wie Sitz- und Griffheizung und Zusatzscheinwerfer bei der Pursuit serienmässig mit an Bord. Dennoch hält Indian für die damit üppig ausgestattete Pursuit weiteres Zubehör bereit. Etwa diverse höhere bzw. tiefere und breitere Scheiben, Innentaschen, Sitzkühlung und Audiosysteme.

 

Test Indian Pursuit: alles dabei

Um herauszufinden, was die Neue aus Spirit Lake im Bundesstaat Iowa draufhat, haben wir sie ab Chamonix über diverse Pässe nach Annecy und zurück «gescheucht». Von gut ausgebauten, flüssig-kurvigen Asphaltbändern bis hin zu arg gezeichneten, verwinkelten Holperpisten war auf den 220 Kilometern alles dabei, was das Testfahrerherz begehrt. Auch Autobahnabschnitte und dichter Feierabendverkehr standen auf der Liste, wobei wir uns ein sehr gutes Bild über den ab 38’490 Franken erhältlichen Fulldresser machen konnten, der sich gegen etablierte Mitbewerber wie Harley-Davidson Road Glide Limited, Honda Goldwing Tour und BMW K1600 Grand America wird behaupten müssen.

 

Hart, aber herzlich

Der fette Twin, der – zumindest vom Fahrersitz aus gelauscht – nicht leise ist und unter Volllast ein köstlich-wummerndes Dröhnen von sich gibt, ist wahrlich ein Gedicht. Schon ab rund 1300/min stampft er mit vorbildlichem Rundlauf vor sich hin und hängt immerzu sanft am Gas. Der Druck ist massiv bei gleichzeitig beflügelnder Drehfreude. Keine Frage: An Schub, Power und vorbildlicher Linearität in der Leistungsentfaltung fehlt es der Indian Pursuit definitiv nicht. Und auch nicht an Manieren, wobei das knackige und präzis schaltbare Getriebe ebenfalls zu überzeugen weiss. Auch die Kupplung, die sauber mit zwei Fingern zu bedienen ist, lässt keine Wünsche offen. An der Ampel lässt sich der Neutrale jeweils problemlos eruieren, und die Abschaltung des hinteren Zylinders zwecks Reduktion der Hitzeentwicklung ist zwar hörbar, jedoch in keiner Weise störend.

 

 

Die Traktionskontrolle hält definitiv, was Indian verspricht. Tatsächlich hat sie, als der Schreibende einen Kavalierstart beim Foto-Wendepunkt hinlegte, ziemlich sicher einen Highsider vereitelt: Losfahren, sofort den zweiten Gang rein und noch in Schräglage Vollgas. Diese Aktion war über Gebühr für den 180er-Metzeler hinten, doch die Traktionskontrolle regelte effizient und sanft ab. Das schafft Vertrauen!

 

Luftige 416 Kilo

Unglaublich, wie leichtfüssig und unkompliziert sich 416 Kilo (fahrfertig) selbst durch enge Haarnadeln dirigieren lassen. Wenngleich die Challenger, die wir heute auch dabeihaben, schon satter und harmonischer uns Eck geht. Dies liegt primär am Topcase-Aufbau der Indian Pursuit und am damit höher und weiter hinten liegenden Schwerpunkt. Die Folge ist etwas Bewegung an der Hinterhand vor, in sowie nach Kurven und dadurch ein etwas weniger präzises Gefühl. Abhilfe verschafft hier das «manuelle Erhöhen» der Federbein-Vorspannung via praktischem Display-Menü um beide Segmente sowie das Erhöhen der Zuladung um eine weitere Stufe. Entsprechend eingeregelt, pfeilt die Pursuit ähnlich luftig und stabil ums Eck wie die Challenger. Mit den Regelungen an der Basis sollte man es allerdings nicht zu bunt treiben, denn besagte Straffung geht auf Kosten des Federwegs. Und diesen braucht die Pursuit, um anständigen Grip aufzubauen. Justieren ja, aber nicht übertreiben.

 

Indian Pursuit

Schon im Stand ist die Pursuit ein klares Statement.

 

Interessant ist, dass sich der Komfort dabei nur marginal trübt. Und Letzterer liegt bei der Pursuit generell auf einem unglaublich hohen Niveau. Schlaglöcher, gezeichneter Asphalt – da kommt fast nichts zum Fahrer durch. Die Schräglagenfreiheit ist fürs Segment sicher okay – bei fortgeschrittener Schräglage setzen die Trittbretter mit deutlich vernehmbaren Kratzgeräusch auf.

 

Die Bremsanlage vorn könnte in puncto Ansprache etwas knackiger zu Werk gehen, bei der Dosierbarkeit eine grössere Range aufweisen und auch bei der Verzögerung etwas vehementer zubeissen. Nicht falsch verstehen: Die Schubumkehr entspricht dem Standard im Segment. Ein Zacken mehr Sportlichkeit würde der Indian Pursuit aber nicht schlecht zu Gesicht stehen. Logisch wird bei einem Schwergewicht wie der Pursuit konzeptkonform hinten laufend mitgebremst. Doch auch am rechten Fuss wünschten wir uns einen etwas klareren Druckpunkt und einen grosszügigeren Dosierweg. Unter dem Strich ist das allerdings jammern auf hohem Niveau. Und wenn wir schon bei den Fusshebeln sind: Die hätte Indian nicht passender platzieren können. Bravo!

 

 

Indian Pursuit

Der Thron des Imperators

Und wie sitzt es sich auf der Pursuit? Kurz: Hervorragend! Nach den 220 Kilometern wären gefühlt sicher nochmal so viele möglich gewesen. Tatsächlich gibt es weder an Hals, Armen, Gesäss noch an Beinen und Füssen Ermüdungserscheinungen. Die Ergonomie ist gelassen-aufrecht mit nicht ganz durchgestreckten Armen – nichts fühlt sich erzwungen an. Wobei sich auch die üppig dimensionierte Lendenstütze sehr gut anfühlt. Griff- und Sitzheizung werden ihrem Namen mehr als gerecht. Für viel Komfort sorgen auch Wind- und Wetterschutz der wuchtigen Front.

 

Indian Pursuit und das digitale Drumrum

Im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen kann sich das 7-Zoll-TFT-Display mit Swype-Funktion. Die Menüs sind optisch sehr ansprechend gestaltet, schlau strukturiert und logisch in puncto Bedienung. Auch das serienmässige Navi überzeugt. Der Clou ist nun, dass man sich den Screen via drag and drop diverser Module nach eigenem Gusto zusammenstellen kann. In gelungenem Kontrast hierzu stehen die beiden analogen Rundinstrumente für Geschwindigkeit und Drehzahl, die je ein LC-Display beherbergen. Letztere sind okay, die Ziffern erinnern jedoch schon stark an die Casio-Vintage-Digitaluhr.

 

 

Und die Performance der 100-Watt-Audioanlage, die sich auf Wunsch auf bis zu 16 Lautsprecher erweitern lässt? Hervorragend! Wir haben hier die erste Audioanlage überhaupt, die – übrigens mit wirklich gutem Equalizer bestückt – auch bei Geschwindigkeiten jenseits von 120 km/h ein überzeugendes Klangerlebnis bietet.

 

Indian Pursuit – das Fazit

Mit einem Kaufpreis in der Grössenordnung eines VW Golf muss man sich die Pursuit zunächst einmal leisten können bzw. wollen. Dann sollte man sich zu den routinierten Piloten bzw. Pilotinnen zählen, denn 400+ Kilo bleiben trotz berauschender Leichtfüssigkeit eine Menge Holz. Diese Auflagen gelten nun aber genauso fürs Mitbewerberumfeld, und in diesem kann sich die Indian Pursuit optisch, technisch wie auch fahrdynamisch auf jeden Fall stolz präsentieren.

 

Info: www.indianmotorcycle.ch

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