Suzuki V-Strom 1050 XT im Test
Sieben Jahre ist es her, seit Suzuki ihre grosse Reisenduro, die V-Strom, zuletzt umfassend überarbeitet hat. Für 2020 kommt die V-Strom 1050 XT nun mit komplett neuer Optik und einigen interessanten technischen Neuerungen daher. Wir konnten die Neue in der Gegend von Malaga (E) bereits ausgiebig testen.
Die Änderungen an der neuen V-Strom 1050 – wir haben die sehr umfangreich ausgestattete Version 1050 XT getestet – sind umfassend, wenn auch nicht revolutionär. Aus meiner Sicht sind dabei vor allem drei Bereiche wichtig: Optik, Motor und Elektronik.
Optisch hat sich Suzuki, wie im letzten Jahr auch schon bei der Katana, von der eigenen Modell-Historie inspirieren lassen. Das Design erinnert stark an die DR-Modelle, vor allem an die DR Big. Klar, Optik ist immer Geschmacksache, für mich hat die V-Strom diesbezüglich aber mächtig dazugewonnen.
Während für mich die «Alte» immer etwas brav, harmlos und austauschbar wirkte, ist die Neue nun ein eigenständiges Motorrad mit Ecken und Kanten. Ich finde schön, dass Suzuki sich traut, hier eigene Wege zu gehen und ein Bike präsentiert, das nicht einfach aussieht wie jede andere Reiseenduro.
Auch mit Euro5 top
Beim Thema Motor sind gleich zwei Themen anzusprechen: Erstens wurde der – vor allem um Euro5 zu erfüllen – umfassend überarbeitet, zweitens gibt’s nun zum ersten Mal bei der V-Strom Ride by Wire und damit verbunden auch verschiedene Fahrmodi.
Die Änderungen am Motor und dessen Charakteristik liessen erst nicht nur mich zweifeln. So steht das maximale Drehmoment von unverändert 100 Nm nun satte 2000 Umdrehungen später, bei 6000/min an. Eine Änderung, die vielen bei einer V2-Reiseenduro als eher Kontraproduktiv erschien, auch wenn die Maximal-Leistung um acht auf neu 108 PS bei 8500/min stieg.
Schaut man sich dann allerdings die Drehmomentkurve an, sieht man, dass die V-Strom im Vergleich zur Vorgängerin nur ganz unten wirklich Drehmoment eingebüsst hat. Ab rund 3500/min stehen dann quasi durchs Band rund 90 Nm an, mit dem Peak von 100 Nm bei 6000/min. Die Kurve wurde dabei flacher, das Drehmoment bleibt bis in höhere Drehzahlen höher.
Daraus resultiert eine sehr lineare Leistungsentfaltung. Und nach unserer Testfahrt durch die Kurven in der Umgebung von Ronda kann ich guten Gewissens Entwarnung geben. Der V-Strom-Motor ist nach wie vor grossartig, dreht jetzt gefühlt sogar noch etwas freier hoch, klingt schön und bietet immer satten Druck, ohne dabei jemals überfordernd zu sein.
A, B oder C
Neu ist an der V-Strom auch Ride by Wire, also die elektronische Übersetzung des Inputs am Gasgriff an den Motor. Das ermöglichte es Suzuki zudem, die V-Strom erstmals mit verschiedenen Fahrmodi zu bestücken. Die heissen bei Suzuki aber nicht Rain, Road und Sport oder ähnlich, sondern ganz nüchtern A, B und C.
Sie beeinflussen dabei die Gasannahme und die Stellung der Drosselklappen in Kombination mit der Gasstellung. C ist der sanfteste, A der aggressivste Modus. Die Leistung bleibt indes in allen Modi gleich, und ist der Gasgriff voll geöffnet, sind auch die Drosselklappen bei allen Modi voll offen.
Während – das nur mal als Beispiel – im Modus C bei 50 % geöffnetem Gas, die Drosselklappen nur 40 % geöffnet werden, wären es dann im Modus A 60 %. Für mich haben dabei vor allem die Modi B und C funktioniert. Während ich in der Stadt gerne im C gefahren bin, habe ich Überland immer ins B gewechselt, A ist für meine Vorlieben etwas gar direkt.
Wechseln kann man die Modi übrigens ganz einfach mit einem Druck auf den Mode-Knopf, worauf mit den Pfeiltasten gewechselt werden kann – auch während der Fahrt, aber nur bei geschlossenem Gasgriff.
Sechs oder drei Achsen?
Weitere wichtige Neuerungen hat Suzuki zusätzlich bezüglich der Elektronik veranlasst. Neu ist eine sogenannte 6-Achsen-IMU verbaut, anstelle der vorher verbauten, von Suzuki als 5-Achsen-IMU betitelten, Messeinheit.
Dazu kurz ein Exkurs zu Achsen und IMUs: Auch wenn die Hersteller, und darum häufig auch wir Motorradjournalisten, stetig von 6-Achsen-IMUs sprechen, gibt’s immernoch nur drei relevante Achsen im Raum. Und so sind diese sogenannten 6-Achsen-IMUs denn auch keine 6-, sondern 3-Achsen-IMUs, die aber jeweils die Beschleunigungen auf jeder Achse in beide Richtungen – gesehen vom Nullpunkt im Stand – messen. Was dann sechs Richtungen über drei Achsen ergibt.
Darum gehe ich davon aus, dass die alte V-Strom-IMU eigentlich nur zwei Achsen, also vier Richtungen erfasste, und die fünfte mittels der Geschwindigkeit errechnet wurde.
Nun, sei’s drum. Durch die neue IMU konnte Suzuki jetzt eine Hill-Hold- und eine Heckabhebe-Kontrolle verbauen. Erstere «zieht» dabei eigenständig die Hinterradbremse für 30 Sekunden, wenn das Motorrad am Hang zum stehen kommt. Clevere Idee von Suzuki: Die Hill-Hold-Control, kann ganz einfach durch zweimaliges schnelles Ziehen der Vorderradbremse gelöst werden. Das ist bequem, wenn man rückwärts rollen möchte. Zudem hilft’s beim Anfahren abseits befestigter Strassen.
Die Heckabhebe-Kontrolle soll gemäss Suzuki vor allem beim Bremsen während Bergabfahrten eingreifen und heisst demnach offiziell auch «Slope dependent control system». Sie kann nicht ausgeschaltet werden, Stoppies liegen also nicht mehr drin, genauso wenig wie Überschläge beim Bremsen.
Schräglagenabhängig
Durch die genaueren Daten der neuen IMU konnte zudem das Kurven-ABS inklusive Kombi-Brems-System optimiert werden und soll jetzt noch feiner regeln. Einzig die Traktionskontrolle hat aus mir unerfindlichen Gründen keinen Zugriff auf die Daten der IMU. Suzuki-Chefingenieur Satoru Terada meinte auf meine Frage nach dem «Warum», dass sie dies nicht als nötig erachtet hätten, weil es sich bei der V-Strom ja nicht um ein Rennstreckenbike handle.
Damit hat er wohl nicht mal ganz unrecht, mein Bauchgefühl sagt mir allerdings, dass bei dieser Entscheidung nicht vor allem die Notwendigkeit, sondern eher das Geld im Vordergrund stand. Das ist schade, aber kaum tragisch. Die TC hat – zumindest auf unserer Testfahrt – auch so einen durchweg souveränen Job gemacht. Die kann man übrigens in drei Stufen regulieren, sowie komplett deaktivieren. Auch das ganz einfach über den Mode-Schalter und die Pfeiltasten.
Einstellbar
Das Fahrwerk im unveränderten Rahmen besteht aus einer volleinstellbaren KYB-43 mm-USD-Gabel und einem in Vorspannung – per Handrad – und Zugstufe einstellbaren Zentralfederbein. Die Gabel ist dabei im Grundsetup relativ straff abgestimmt. Das passt sehr gut für die flotte Kurvenjagd, wird die Strasse aber in Richtung Offroad verlassen, würde ich da etwas weicher drehen. Das Federbein ist im Vergleich etwas softer abgestimmt, bietet dabei aber einen sehr guten Kompromiss aus Komfort und Performance.
Grundsätzlich ist die neue V-Strom sehr einfach zu fahren. Sie ist sicher eher auf der handlichen als der stabilen Seite zu verordnen. Dabei lässt sie sich sehr leicht einlenken und erfordert auch in schnellen Wechselkurven kaum Kraftaufwand. Dafür brauchte ich etwas Zeit, bis ich mich ans teilweise fast schon kippelige Einlenkverhalten gewöhnt hatte. Im Zweifel kann man das Bike aber ja auch über die Hinterradbremse zusätzlich etwas stabilisieren.
Conclusión
Die V-Strom ist – aus meiner Sicht – nun ein sehr schöner Töff, mit dem es sich locker lange Reisen lässt, der aber auch auf der Kurvenhatz ordentlich Spass bereitet. Die Neuerungen sind durchweg sinnvoll und gelungen, der Motor hat trotz Euro5 seine Qualitäten und seinen Charakter zum Glück beibehalten können. Und auch der Preis von voraussichtlich unter 16’500 Franken für die umfassend ausgestattete XT-Version ist durchaus fair.