Castillos y fortalezas en Suiza
Schlösser und Burgen: Julius Ledergeber nimmt uns mit seiner Yamaha TDM 850 mit auf eine Fünftagestour durch die Schweiz.
Die perfekte Chance für eine Motorradreise oder eine mehrtägige Tour? Solche gibt es wohl viele und immer wieder neue. Eine perfekte Chance für mich war die Vertiefungsarbeit zum Abschluss meiner Schreinerlehre. Auf einer abendlichen Ausfahrt komme ich im Spätsommer am Wasserschloss Hagenwil bei Amriswil TG vorbei, da habe ich plötzlich die Idee für meine Tour: Durch die Deutschschweiz bis ins Tessin, über bekannte Pässe und dabei die Schlösser und Burgen am Wegesrand unter die Lupe nehmen. Eine kleine Zeitreise mit geschichtlichem Hintergrund…
Text: Julius Ledergerber – Fotos: J. Ledergerber und Lorena Köfer
Zwanzig Schlösser und Burgen
Auf einer Motorrad-Karte und im Internet suche ich nach Burgen und Schlössern, welche – wenn möglich – auch für Touristen zugänglich sind. Mein Ziel ist, zwanzig Schlösser und Burgen anzufahren und deren eigenen Charme herauszufinden. Doch auf meiner Reise soll auch Zeit sein für spontane Zwischenhalte und Abstecher am Wegesrand.
Start an einem kühlen Herbstmorgen
Wir (als Sozia begleitet mich meine Freundin Lorena) starten unsere Tour an einem kühlen und regnerischen Herbstmorgen. Über kleine Landstrassen führt unsere Route durchs Appenzellerland zum ersten Stopp in Wattwil, zur Burg Iberg. Durch nassen Nebel steigen wir in einem kurzen Fussmarsch zur Burgruine hinauf. Wir lesen, dass die Burganlage um ca. 1240 erbaut wurde. Nach zahlreichen Schlachten zerfiel sie. 1902 wurde sie mit Hilfe vom Bund wieder aufgebaut und bekam den Status einer Burg.
Im Inneren können wir uns gut vorstellen, wie schaurig und ungemütlich so ein Burgleben gewesen sein musste. Es gab kaum Fenster, dunkel und kalt wirkt die Burg auf mich. Vom Burghügel aus geniessen wir noch einmal die Aussicht über das nebelverschleierte Thurtal, bevor wir uns wieder auf den Töff werfen. Von Fischingen nach Wila führt eine kleine Landstrasse durch herrlich schöne Wälder, welche vor allem im Herbst traumhafte Farben haben.
Kyburg, Habsburg…
Wenn auf der Strasse nicht nasse Blätter lägen, wäre es eine perfekte Strecke, um einmal Adrenalin zu tanken. Später lernen wir ausserdem die Schlösser Kyburg, Habsburg, Wildegg, Lenzburg und das Wasserschloss Hallwyl kennen. Nach dem ersten ungemütlichen Tag übernachten wir in Mümliswil bei Freunden. Wie gut, können wir unser nasses Regenkombi über die Heizung hängen.
Armenhaus, Wirtshaus, Steinbruch
Am nächsten, schon wieder nasskalten Tag starten wir früh und sind schon nach wenigen Minuten Fahrzeit beim Schloss Neu Bechburg bei Oensingen. Diese Spornburg wurde 1250 auf steil abfallenden Felsformationen erbaut und diente nach 1798 als Armenhaus, Wirtshaus und später als Steinbruch. Auf der Weiterfahrt in Richtung Thun besuchen wir die Schlösser Waldegg, Burgdorf sowie das Alte und das Neue Schhloss Bümpliz.
Seltene Früchte: Mispeln oder „Näschpli“
Am Schlossberg Thun entdecken wir einen kleinen Baum mit Früchten, die wir noch nie gesehen haben. Goldgelb hängen sie wie Äpfel an den Zweigen, sind aber nur 3 bis 5 cm gross. Wir recherchieren und erfahren, dass wir an einen seltenen Mispelbaum gestossen sind. Leider sind die Mispeln noch nicht reif, was sich bei einer kleinen Kostprobe herausstellt. Sie sind noch viel zu sauer und „mehlig“. Mispeln werden erst nach dem ersten Frost geerntet. Im Mittelalter waren sie ein wichtiges Nahrungsmittel in den Wintermonaten.
Heute Hotel und Restaurant
Im Schweizerdeutschen Dialekt werden Mispeln „Näschpli“ genannt und kommen in vielen Historischen Büchern vor. Noch heute gibt es in der Schweiz grössere Vorkommen, am Vierwaldstättersee gibt es sogar landwirtschaftliche Betriebe, die Mispeln anbauen und daraus Konfitüre, Sirup und andere Leckereien herstellen. Die Mispel gehört lustigerweise zu der Familie der Rosen. Für das Schloss Thun gönnen wir uns nicht viel Zeit. Das Schloss mit seinem riesigen Wehrturm, dem Donjon, und seinen vier markanten Türmen wurde vor rund 10 Jahren umfangreich renoviert. Heute beherbergt es ein Hotel und Restaurant. Wir laufen den Schlossberg hinunter zu unserem Motorrad.
Mystische Nachtstimmung
Unsere Route führt uns weiter in der Dämmerung entlang des tiefblauen Thunersees nach Wimmis. Dort liegt erhöht das Schloss Wimmis, das in den Grundzügen bereits um 1100 erbaut wurde. Es bietet heute Platz für Büroräume und eine privat vermietete Wohnung. Wir sehen das Schloss leider nur noch in der Dunkelheit. Das hält uns aber nicht davon ab, den Hügel hinaufzusteigen. Hier oben stehen wir, ganz alleine, neben dem alten Gemäuer, das viele Schlachten und Angriffe der Berner überlebt hat. Uns überkommt doch eine mystische und leicht schaurige Stimmung.
Wir wissen, dass wir noch weiter fahren müssen bis zu unserer Unterkunft in Wilderswil, die zwischen dem Thunersee und dem Brienzersee liegt. Bei einer Tankstelle mit dem einzigen Lebensmittelgeschäft, das noch geöffnet hat, kaufen wir uns Brot, Wurst und Käse für den Znacht. Auch eine kleine Flasche Café de Paris kommt mit. Das alles sorgt nun doch noch für ein gemütliches Ausklingen des langen Tages in unserem Hotelzimmer.
Einzigartige Artenvielfalt
Am nächsten Morgen geniessen wir das reichhaltige Frühstück. Doch wir wollen, trotz Kälte in den frühen Morgenstunden, zeitig aufbrechen zur Forsetzung unserer Schlösser- und Burgen-Tour. Nach kurzer Zeit sind wir schon auf der kleinen Seestrasse. Die wenig befahrene Landstrasse direkt am Brienzersee ist ein echter Geheimtipp. Wer weiss schon, dass der Brienzersee einer der saubersten Seen der Schweiz ist? Seine Fischbestände zählen nicht gerade zu den grössten, dafür sind sie aber umso einzigartiger. Denn die Fischart „Brienzlinge“ gibt es nur im Brienzer- und im Thunersee.
Berauschend: Gletscherschlucht Rosenlaui
Von Meiringen aus führt ein kleiner Abzweiger über eine schmale Nebenstrasse nach Rosenlaui. Die Strasse läuft direkt am Gletscherbach entlang und bietet uns eine wunderbare Kulisse für Fotos. Nach etwa 20 Minuten Fahrt erreichen wir eine kleine unscheinbare Alphütte mit einem Kiosk. Hier kann der Eintritt zur Gletscherschlucht Rosenlaui für 10 Franken pro Person gekauft werden. Wir wollen den Rundgang durch die atemberaubend enge Schlucht gehen. Uns erwarten tosende Wasserfälle, eiskalte Steine und imposante Felsschliffe. Eine Regenjacke zu tragen, ist angebracht, weil die Wasserfälle nur wenige Meter neben dem sicheren Weg in die Tiefe gehen.
Wir spüren und geniessen die gewaltige Kraft des Gletscherwassers: Mal wirbelt es um einen Gletschertopf, mal zwängt es sich durch einen Engpass. Es schäumt, sprudelt und gurgelt. Wir empfehlen eine kleine Kostprobe. Das eiskalte Wasser des Rosenlaui- Gletschers ist die pure Erfrischung. Seit 2001 darf sich die Gletscherschlucht UNESCO Welterbe nennen.
Grimselpass und Nufenenpass
Auf dem Wegstück von Meiringen nach Lugano fahren wir bei schönster Herbstsonne, aber kalten Temperaturen über den Grimselpass und Nufenenpass. In Lugano geniessen wir dann einen wohlverdienten Ruhetag am See bei sommerlichen Temperaturen und mit vielen anderen Herbstferiengästen. Auch meine Yamaha geniesst einen Tag ohne laufenden Motor.
Via Malcantone nach Luino
Am Mittwoch, unserem vierten Tag unserer Schlösser- und Burgen-Tour, ist am Ufer vom Lago Maggiore richtig viel los, denn es ist Wochenmarkt in Luino. Der international bekannte Markt ist eine Empfehlung wert. Nur schon die Fahrt von Lugano nach Luino ist einmalig und das Wetter freundlich. Kleine Landstrassen führen uns durch farbige Kastanienwälder. Wer von Lugano her am See vorbeifährt, sollte unbedingt auch das kleine Tessiner Dorf Curio im Malcantone besuchen. Die Strecke mit ihren vielen langen und schnellen Kurven ist ein Traum für uns! Wie vermutet, müssen wir einige Male über den Fahrstil der Italiener schmunzeln. Da sind wir uns aus dem Appenzellerland Anderes gewöhnt.
Marktgetümmel
Mit dem Motorrad erreichen wir den Markt nach gut einer Stunde. Auf diesem findet jeder etwas. Neben Handtaschen gibt es verschiedene Schuhe, feine Salami und Käsesorten bis hin zu Fischen und lebendigen Vögeln in Käfigen. Wer, wie wir, mit dem Motorrad angereist ist, muss keine grosse Angst haben, zu viel zu kaufen und dadurch am Zoll Probleme zu bekommen. Nach einigen Stunden wird uns der Rummel jedoch zu viel. Wir spazieren hinunter an den Lago Maggiore und gönnen uns ein „Gelato“. Nach der Rückfahrt nach Lugano geniessen wir den Abend noch in einem kleinen Restaurant am See.
Burgen und Schlösser: Festungen von Bellinzona
Am fünften und letzten Tag unserer Reise starten wir die Tour mit dem Besuch der drei Festungen von Bellinzona mit ihren auffälligen Zinnen. Die Bauten wurden wohl schon um 400 errichtet und sind seit 2000 UNESCO Weltkulturerbe. Für uns Motorradfahrer ist die Landstrasse, vom Tessin herkommend in Richtung Mesocco, das reinste Vergnügen. Langgezogene Kurven, durch stille Wälder mit dem herrlichen Blick durch das Mesoccotal.
Der Zeit und Natur überlassen
Auf einem mächtigen Felsen südlich des Dorfes Mesocco liegt die Burgruine von Mesocco. Unser kurzer Fussmarsch führt uns an einer kleinen romanischen Kirche vorbei. Tiefblauer Oktoberhimmel und die im Wind rauschenden Bäume präsentieren den Herbst von seiner allerschönsten Seite. Über die neu aufgebaute, mit Blumen geschmückte Zugbrücke gelangen wir in die Ruine. Diese wurde erstmals 1219 erwähnt. Das Fundament zeigt jedoch, dass schon im 6. oder 7. Jahrhundert ein Kirchenbau an dieser Stelle gestanden haben muss. Dort, wo heute nur noch die Grundmauern zu sehen sind, stand einst eine Vorburg, eine Hauptburg und eine Kernburg. Von der Burgkirche ist nur noch der Kirchturm gut erhalten und weithin sichtbar.
Nur schwer vorstellbar
Die noch erhaltenen Treppen führen ins Nichts. In welche Räume und Kammern die Burgbewohner wohl einmal hineingelangten? Wer stand wohl im 13. Jahrhundert an dieser Stelle und genoss den gleichen Ausblick über das Tal mit seinen Wäldern und tosenden Wasserfällen wie ich jetzt? Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie die Burganlage einmal aussah. Für uns bietet die Ruine jedoch eine perfekte Kulisse für Fotos.
Die kleinste Stadt der Welt
Der Weg über den San Bernardino Pass ist ein „kurvenreicher Leckerbissen“ für uns Motorradfahrer! Kurz vor Rietberg kommen wir an einem Strassenschild mit einem eigenartigen Stadtnamen vorbei, „Fürstenau, die kleinste Stadt der Welt“. Die Kleinste von allen? Die kleine Stadt Fürstenau liegt im Domleschg im Kanton Graubünden. Die vielen mittelalterlichen Kapellen deuten darauf hin, dass das Tal schon früh kultiviert wurde. Bis heute betreiben viele der 200 bis 300 Bewohner Obstanbau. Im Städtchen sollen sich noch etliche alte Dörrhäuser befinden, die als architektonische Hingucker gelten. Seit 1354 ist Fürstenau eine Stadt. Wir wundern uns über das Prädikat „kleinste Stadt der Welt“, denn wir wissen, dass sich auch Werdenberg im Kanton St. Gallen als die kleinste Stadt der Welt bezeichnet.
Städtchen Hum in Istrien
Wir forschen im Netz und erfahren, dass es im kroatischen Istrien eine Stadt namens Hum gibt, die ebenfalls von sich behauptet, die Kleinste zu sein. Nun werden wir von Eifer gepackt und wollen wissen, welche von den Dreien denn nun die Bezeichnung mit Recht führen darf. Wir lesen, dass Werdenberg mittlerweile zur Gemeinde Grabs mit seinen 7000 Einwohnern gehört und somit keine eigenständige Gemeinde mehr ist. Auch das kroatische Hum gehört zu Buzet und ist daher keine eigenständige Stadt. Weil Fürstenau somit die einzige noch eigenständige kleinste Stadt ist, ist sie womöglich tatsächlich „die kleinste Stadt der Welt“. Die Bezeichnung wurde allerdings nie offiziell verliehen…
Als wir durch Fürstenau hindurchfahren und die vielen Informationstafeln und Hinweisschilder sehen, wird uns erst deutlich, wie stolz die Dorfbewohner auf ihr Städtchen sind. Kurz nach Fürstenau liegt rechterhand das Schloss Rietberg, das wir leider nur von aussen betrachten können, weil es in Privatbesitz ist und für Besucher nicht zugänglich ist.
Schloss Reichenau
Wo der Vorder- und Hinterrhein zusammenfliessen, liegt dazwischen Schloss Reichenau. Mit seinen Gärten bildet das Schloss als grösstes Gebäude von Reichenau den Dorfkern. Ich hätte nie gedacht, dass das Schloss 77 Zimmer hat und sogar ein Schlossbauernhof dazugehört. Hier wird Spargel angebaut, aber auch Wein. Bei der Durchfahrt durch Reichenau fällt uns das Schloss zunächst gar nicht auf. Auf der schmalen Strasse auf dem alten Kopfsteinpflaster hoppelnd, haben wir das Gefühl, in einer anderen Zeit gelandet zu sein.
Vielfalt aus der Luft
Die Grösse und Vielfalt dieses Schlosses erkennt man am besten auf Fotos aus der Luft. In so einem Schloss zu leben, dazu einen Bauernhof zu führen und Feste zu organisieren, das wäre ein Traum für mich. Schloss Reichenau ist sogar Eventlokal für Hochzeiten und andere Feste, es bietet gleichzeitig Seminarräume und auch Wohnungen an, die gemietet werden können. Im Shop werden verschiedene Leckereien angeboten wie diverse Spargelvariationen, verschiedene Schnäpse und alles, was das Weintrinkerherz höherschlagen lässt.
Renaissance-Schloss Haldenstein
Auf der Schlussetappe unserer Schlösser- und Burgen-Tour machen wir noch einen Abstecher zum Renaissance-Schloss Haldenstein. Leider ist in dem Churer Schloss nur der grosse Garten für Besucher geöffnet. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.
Nach Sonnenuntergang – es ist bereits dunkel geworden – machen wir den letzten Stopp unserer Reise vor dem romantisch beleuchteten Schloss Vaduz. Erfolgreich haben wir unser Ziel, 20 Schlösser und Burgen anzufahren, erreicht! – Glücklich und erschöpft machen wir uns auf die letzten Kilometer zurück ins Appenzellerland.