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Occasionsmarkt in der Schweiz

Gebrauchtmotorräder sind für viele Biker der günstige Weg zum Wunschtöff, für Händler oft die unvermeidliche Etappe zum Verkauf von Neumotorrädern. Das Internet hat den Handel revolutioniert, aber alte Weisheiten behalten ihre Gültigkeit.
In Deutschland ist es schnöde einfach eine „Gebrauchte“, hierzulande hingegen eine „Occasion“, eine Gelegenheit: Denn entweder muss man für einen Wunschtöff weniger bezahlen als neu oder man kann ein Fahrzeug erstehen, wie es neu finanziell ausser Reichweite läge. Dies alles dem Wertverlust sei Dank, der in den ersten drei Jahren sicher ein Viertel, aber auch bis zur Hälfte des Neupreises ausmachen kann.Vieles im Occasionsgeschäft läuft noch heute wie einst, doch die Suche nach der günstigen Gelegenheit hat sich stark verändert. In den letzten 20 Jahren ist aus einem eher regionalen ein nationaler Handel geworden, und das Internet bietet Übersicht, wo früher manchmal nur der Zufall half. Das grosse Online-Angebot sorgt für Transparenz, und dieses Abbild aktuellen Marktgeschehens ersetzt weitgehend das einst unverzichtbare Mototax-Büchlein. Vielleicht mit der Einschränkung, dass die Preise im Netz die Wünsche des Verkäufers widerspiegeln und nicht die erzielten Preise.Pionier im InternetPionier in Sachen Occasionsangebote im Netz war hierzulande Walter Meier. Seine Plattform motorradhandel.ch feiert dieses Jahr das 20-jährige Bestehen. Und das ist schon an sich bemerkenswert, denn nur selten konnten sich die Pionierunternehmen der 1990er-Jahre bis heute halten. Und noch weniger die nationalen Anbieter, die sich in so gut wie jedem Bereich starker Konkurrenz durch Schweizer Ableger internationaler Webbetreiber ausgesetzt sehen.Und „mh“, so das Kürzel, hat nicht nur überlebt: Nach wie vor zählt die Schweizer Occasionsplattform die grösste Zahl Angebote: Um die 17 000 Motorräder und Roller sind hier zu finden. Hart auf den Fersen ist ihr inzwischen motoscout.ch – gehört je hälftig der Versicherung Mobiliar und dem Medienhaus Ringier – mit rund 15 000 Angeboten. Mit Respektabstand (rund 9000 Einträge) folgt ricardo.ch.Gebündelt bei comparis.chGebündelt werden die Angebote von insgesamt sechs Töff-Handelsplattformen beim Vergleichsdienst Comparis. Der verzeichnet gegen 30 000 Töff-, Gespann-, Roller- und Quad-Angebote, wobei viele Einträge Mehrfachnennungen sind. Nach Marken sortiert ist das Gebrauchtangebot ein Spiegel der Marktverhältnisse der letzten Jahre respektive Jahrzehnte. So liegen die beiden japanischen Branchenführer Honda und Yamaha auch in der Occasionsliste vorn (siehe Kasten). Und natürlich bilden die Bestseller von gestern das breiteste Occasions-Modellangebot von heute (Kasten).Die Stärke von motorradhandel.ch ist die hohe Durchdringung bei den Töffhändlern, während Moto­scout einen höheren Anteil an privaten Occasionsangeboten aufweist. In der Nutzung der Suchmaschinen mit diversen Kriterien ähneln sich die beiden Marktführer wiederum. Auch darin, dass auf den sogenannten Occasions-Plattformen längst auch Neufahrzeuge in nicht zu knapper Zahl angeboten werden: Gut ein Drittel der Angebote sind tatsächlich Neumaschinen oder Vorjahresmodelle.Occasionen für Händler attraktiverEntwicklungen gibt es auch im Handel vor Ort. Motorradhändler haben die Gebrauchten als eigenständiges, interessantes Geschäft entdeckt. „Früher stand für die Töffhändler der Neuverkauf ganz klar im Fokus, die Occasion musste er einfach eintauschen, um den neuen Töff verkaufen zu können“, schildert mh-Gründer Walter Meier. „Denn die Marge, die steckte im neuen Motorrad“, präzisiert er. Bei Neumotorrädern jedoch ist die Marge nach und nach erodiert; mit Gebrauchten bleibt für den Anbieter unter dem Strich oft gar mehr übrig.Das Potenzial sei fraglos da, sagt beispielsweise Wolfgang Hess, CEO von Hess Motorrad in Bern, „allerdings ist das Occasions-Geschäft für den Händler auch schwieriger und heikler als mit Neufahrzeugen“, es bestünden ja auch Risiken bezüglich des Fahrzeugzustands.Nichtsdestotrotz, Wolfgang Hess hält das Occasionsgeschäft für wichtig, und er ist damit nicht allein. Bruno Hofmann, Inhaber des Moto Center Thun, nennt es „eine interessante Geschäftsmöglichkeit“, stückzahlmässig setzt der BMW-, Honda- und KTM-Betrieb ungefähr gleich viele Neue wie Gebrauchte ab. Mehrere von uns befragte Motorradhändler sagen, heute würden sie den Gebrauchthandel auch dann betreiben, wenn er für den Neuverkauf nicht nötig wäre.1 zu 2,6Occasionen sind stückzahlenmässig ein grosser Faktor. Offizielle Zahlen fehlen allerdings. Eine von Hess Motorrad bei der Berner Fachhochschule in Auftrag gegebene Studie schätzt, dass im Kanton Bern auf einen Neuverkauf 2,6 Occasionsdeals abgeschlossen werden. Umgerechnet auf die Schweiz entspräche dies einem Volumen von 110 000 bis 120 000 Occasionsverkäufen pro Jahr!Angesichts dieses Volumens und der Tatsache, dass der Handel mit Gebrauchten margenstark sein kann, überrascht es nicht, dass sich einige Anbieter auf dieses Geschäft spezialisieren. Allerdings sind uns lediglich zwei nennenswerte Anbieter bekannt: das Töff-Huus-Moosleerau von Josef Rebsamen und das Moto-Center Winterthur von Roger Bantli, der sein Angebot längst auch mit direkt importierten Neufahrzeugen aufwertet und damit in der Branche nicht nur Freunde findet.Nicht mehr im Keller oder im HinterhofAber eben, längst haben auch die Markenhändler den Braten gerochen und verhalten sich entsprechend. Bächli, Hess und Hofmann sind sich einig: Im Keller oder gar unter einer Blache im Hinterhof haben die Gebrauchten nichts zu suchen. „Wir machen bei der Präsentation kaum einen Unterschied zwischen Occasionen und neuen Bikes“, so Harley-Spezialist Bächli. „Wir legen Wert auf eine wertige Präsentation“, betont auch Bruno Hofmann, „die Betreuung des Kunden erfolgt wie beim Neukauf, wir bieten ihm ein vergleichbares Einkaufserlebnis.“Das bedeutet Aufwand im Alltag und das wiederum Investitionen in die Räumlichkeiten. So hat die Hess Motorrad AG unlängst eine Verkaufshalle eröffnet, mit Neufahrzeugen im Erdgeschoss und den Occasionen auf einer Galerie. Das hochstehende Ambiente für die Gebrauchten scheint bei den Kunden anzukommen, auch mit gesteigerten Erwartungen. „Das Anspruchsniveau der Kunden ist auch im Occasionsbereich gestiegen; überspitzt formuliert möchten sie einen neuwertigen Töff zum Occasionspreis, der kleinste Kratzer wird moniert“, weiss Bächli von seinen Verkaufsberatern.Liebhaberpreis vs. MarktpreisNicht ganz einfach ist es auch, speziell für einen Harley-Vertreter, jemandem zu erklären, dass für den prächtigen Umbau nicht das Erhoffte geboten werden kann. „Es gibt für solche Bikes gewissermassen zwei Preise, den Liebhaberwert aus Sicht des Besitzers und den Marktwert aus Sicht des Händlers.“ Was einst an Zubehör und vor allem an Arbeit in ein Custom-Bike gesteckt wurde, sei am Markt nicht mehr realisierbar.Bruno Hofmann sieht diese Besonderheit auch bei „normalen“ Bikes: „Ein Neumotorrad ist meist beliebig verfügbar und damit austauschbar. Eine Occasion hingegen ist eigentlich immer ein Einzelstück.“ Was bedeutet, dass man eine Occasion, eine Gelegenheit, auch mal verpassen kann. Aber keine Sorge: Es gibt auch immer wieder neue … Alte.[gallery link=“file“ indents=“true“ ids=“80135,80136Auch bei Töff keine Seltenheit: Finanzierung von Gebrauchtfahrzeugen„Es gibt noch erstaunlich viele Kunden, die gar nicht wissen, dass man auch Occasionen leasen kann“, stellt Wolfgang Hess fest, der in Bern Vertretungen von fünf Marken führt. Für Neufahrzeuge mögen Finanzierungsmodelle längst zum Alltag gehören, im Occasionsbereich sind sie noch nicht allgegenwärtig.Generell seien Finanzierungslösungen im Vormarsch, hält Nico Pouchon fest, CEO des Drei-Marken-Händlers Moto-Mader in Oberentfelden; im Neugeschäft sei der Leasing-Anteil aber höher. Unterschiede gebe es je nach Marke. „Es gibt Hersteller, welche die ­Finanzierung aktiv anbieten und es ins Marketing einbeziehen.“Eine vergleichsweise niedrige Leasingrate für Neufahrzeuge – unter einem Viertel – verzeichnet Ducati Zürich. Sie sei eher tiefer als bei den Occasionen, sagt Geschäftsführer Ramsy Hayek. Das erklärt er damit, dass bei Eintauschgeschäften ja nur der Aufpreis zu finanzieren sei. Generell sieht auch Hayek einen Trend hin zu Leasing. „Die Kunden sind offener dafür geworden, besonders in der Westschweiz.“
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