Hockenheim: dramatisches Finale für Phommara
Der Schweizer Lenoxx Phommara (16) reiste als klarer Titelfavorit zum Finale des Northern Talent Cups nach Hockenheim. Nachdem er sich in Rennen 1 zu einem harten Zweikampf verleiten liess und dabei wenige Meter vor dem Ziel stürzte, konnte der Schweizer das Blatt trotz Sieg im genial taktierten zweitem Rennen nicht mehr zu seinen Gunsten wenden.
Das Finale des Northern Talent Cups 2023 auf dem Hockenheimring (D) war an Dramatik kaum zu überbieten. Lenoxx Phommara war mit 15 Punkten Vorsprung als klarer Favorit nach Deutschland gereist. Auch in den Trainings unterstrich er seine Favoritenrolle und sicherte sich im Qualifying die Poleposition vor seinem überraschend schnellen Landsmann Maxime Schmid (16). Der Deutsche Rocco Sessler (14), der erste Verfolger von Phommara in der Meisterschaft, vervollständigte die erste Startreihe.
Viel Glück für Phommara
Der Tabellenleader übernahm in Rennen 1 sogleich die Führung und setzte sich mit Schmid im Schlepptau an der Spitze ab. Schmid bremste seinen Landsmann in Runde 2 vor der Sachskurve aus, schlidderte aber übers Vorderrad ins Kies und riss Titelfavorit Phommara fast mit ins Verderben.
Bald schloss Sessler die Lücke zu Phommara und die beiden Titelanwärter setzten sich an der Spitze ab. Sie fuhren ganz klar ein Rennen in einer anderen Klasse.
Bis zum bitteren Ende
Sessler folgte Leader Lenoxx Phommara die restlichen 13 Runden und griff in der letzten Runde an. Phommara setzte sich in der Sachskurve jedoch auf der Innenbahn wieder neben Sessler. Die beiden berührten sich, fuhren nebeneinander in die Zielkurve, in der Sessler die bessere Linie hatte. Doch Phommara gab nicht auf, holte Schwung, um bis zur Ziellinie kontern zu können, blieb ausgangs Zielkurve aber an Sesslers Hinterrad hängen und stürzte.
Der Schweizer versuchte seine KTM sofort wieder aufzustellen, um sie für das eine oder andere Pünktchen noch ins Ziel zu retten, immerhin hatten die Streithähne 15 Sekunden Vorsprung auf die Verfolger. Mit abgebrochenem Lenker war dies jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen und Phommara musste resigniert aufgeben. Das „Worst Case Szenario“: Die Meisterschaftsführung war weg und Sieger Sessler führte den Cup vor dem letzten Rennen mit 10 Punkten Vorsprung an. Um den Titel dennoch einzufahren zu können, durfte Sessler bei einem Sieg von Phommara höchstens Vierter werden.
Phommara taktiert
Beim Qualifying für Rennen 2 sicherte sich Lenoxx Phommara erneut klar die Poleposition, während Sessler aus Reihe 2 ins Rennen musste. Phommara übernahm im Rennen sofort die Führung, setzte sich an der Spitze aber nicht ab, sondern hielt das Tempo bewusst niedrig, um die Gruppe zusammenzuhalten. Immer wieder wurde Phommara angegriffen und gelegentlich auch überholt, doch der Titelaspirant holte sich die Führung jeweils umgehend zurück.
Sessler sass unterdessen im Feld fest und war wenige Runden vor dem Ziel sogar bis auf Rang 7 zurückgefallen. Der Plan des Schweizers schien aufzugehen. Phommara entschied in Hockenheim Rennen 2 für sich. Doch Sessler gelang es in der letzten Runde, sich mit der Rundenbestzeit auf Rang 3 vorzukämpfen und damit den Titel extrem knapp doch noch einzufahren. Da der zweitplatzierte Tobias Kitzbichler mit einer Tageslizenz angetreten war, sicherte sich Sessler gar die Punkte für Rang 2 und hatte so zuletzt statt 1 gar 5 Punkte Vorsprung.
Phommara hat in Hockenheim – zumindest am Sonntag – alles richtig gemacht und ein taktisch und fahrerisch extrem starkes Rennen gefahren, musste zuletzt aber doch die bittere Pille schlucken. Von seinen zahlreich angereisten Fans würde er aufgemuntert und dennoch lautstark gefeiert.
Levin Phommara bestätigt seine Form
Der jüngere Bruder von Lenoxx, Levin Phommara (15), bestätigte seine Form, die er mit seinem Sieg beim Saisonauftakt bereits hatte aufblitzen lassen, auch beim Saisonfinale. In den Qualifyings sicherte er sich sowohl am Samstag als auch am Sonntag einen Platz in der zweiten Startreihe. Am Samstag kämpfte er stets in der Verfolgergruppe, die bis zu Rang 3 (oder zuletzt eben Rang 2) reichte. Dort gelang es ihm aber nicht, sich durchzusetzen, sodass er schliesslich mit 0,5 Sekunden Rückstand auf den Zweitplatzierten Achter wurde. Am Sonntag rückte Levin Phommara zwischenzeitlich bis auf Position 5 vor und wurde zuletzt mit 1,1 Sekunden Rückstand auf seinen Bruder Lenoxx Neunter.
Next Stop: Red Bull Rookies Cup
Für den Titel hat es nicht gereicht, was für die ganze Familie Phommara ein schwerer Tiefschlag war. Doch die nächste Chance steht bereits vor der Tür: Sowohl Lenoxx als auch Levin wurden zum Sichtungsevent des Red Bull Rookies Cups nach Spanien eingeladen. Speziell Lenoxx hat beste Chancen in das Red Bull-Förderprogramm aufgenommen zu werden. Und wer weiss, vielleicht finden die Juroren ja auch an Levins Potenzial gefallen.
Für Lenoxx liegen zudem bereits einige Offerten vor, um sich bei Teams in Spanien für die inzwischen JuniorGP genannte Moto3-Junior-WM einzukaufen (je nach Team werden da allerdings 150 000 bis 250 000 Euro fällig). Bei Levin ist noch weniger klar, wie es abgesehen von der hoffentlich erfolgreichen Rookies-Cup-Qualifikation weiter gehen soll. Denn der Talent Cup wird ab 2024 nicht mehr auf den bereits vorhandenen KTMs ausgetragen, sondern wechselt auf Einheitsmotorräder von Honda. Dennoch bleibt der Cup eine interessante Option, oder doch Spanien?
Schmid: knapp dahinter
Maxime Schmid (16) hatte am Samstag mit starken Zeiten brilliert und in Rennen 1 um die Führung gekämpft, diese aber durch einen Sturz verspielt. Glück nur, dass er dabei Lenoxx Phommara nicht abgeräumt hatte. „Von den Punkten her wäre es am Ende aufs Gleiche heraus gekommen, aber so haben wir ein Problem weniger“, kommentierte Vater Jacques Schmid.
Am Sonntag, als die Zeiten bereits im Qualifying deutlich näher zusammengerückt waren, lief es dem Romand nicht mehr wunschgemäss: Rang 11 im Qualifying mit 0,850 sec Rückstand und Rang 11 im Rennen mit 2 sec Rückstand.
Wo es für den Schmid 2024 weitergehen soll, ist noch unklar. Denn der Romand ist schon jetzt zu Gross für eine Moto3-Maschinen. Diverse Möglichkeiten werden noch ausgiebig diskutiert. Eine Option für Schmid, der vor seinen zwei Jahren im Northern Talent Cup im italienischen Aprilia-Cup bereits Siege eingefahren hatte, wäre allenfalls in Italien in den neu aufgegleisten Aprilia RS660-Cup einzusteigen.