Ducati Panigale V4 S 2020 im Test – jetzt mit Video!
Ducati hat die Panigale V4 S auf 2020 umfassend überarbeitet. Sie soll nun einfacher zu fahren sein und dadurch sowohl Amateure als auch Profis schneller machen. Wir haben die neue Pani auf dem Bahrain International Circuit unter die Lupe genommen.
2018 markierte für Ducati – zumindest im Superbike-Segment – einen gigantischen Wandel. Zum ersten Mal wurde ein Ducati-Serien-Superbike nicht von einem V2, sondern von einem V4 angetrieben. Einem V4 mit haufenweise MotoGP-Technologie und sagenhaften 214 PS – 226 mit dem Rennauspuff. Doch nicht nur motorisch hatte sich bei Ducati mit der Panigale V4 S einiges getan.
Während die «alten» V2-Modelle durchs Band zwar als schnell aber auch extrem anspruchsvoll galten, zeigte sich die V4 als zugänglich für fast jeden Fahrertyp. Und auch wenn manche monierten, sie habe dadurch an Charakter eingebüsst, so war sie rein objektiv doch praktisch durchs Band besser – zumindest wenn Rundenzeiten als Massstab für die Qualität eines Superbikes herangezogen werden.
Nun, nur zwei Jahre später, hat Ducati die Panigale V4 und ihre edlere S-Schwester mit semi-aktivem Fahrwerk bereits umfassend überarbeitet. Nach Aussage von Ducati aber nicht hauptsächlich, um sie noch schneller zu machen. Vielmehr hatten die Italiener bei der Entwicklung eine noch einfachere Fahrbarkeit im Kopf. Damit einher gehen natürlich aber auch schnellere und konstantere Rundenzeiten über eine längere Zeit.
Um dieses Ziel zu erreichen hat Ducati vor allem in drei Bereichen Hand angelegt: Aerodynamik, Fahrwerk und Geometrie sowie Elektronik. Die augenscheinlichsten Änderungen kommen dabei sicher aus dem Bereich Aerodynamik. So hat die neue Panigale V4 S nicht nur die Winglets, sondern auch die Scheibe und im Grunde die gesamte Frontverkleidung vom Superbike-Pendant V4 R spendiert bekommen.
Luft
Die Winglets sollen dabei aufgrund des nun strengeren Reglements gar effektiver sein, als die am aktuellen MotoGP-Bike. Bei 270 km/h generieren sie einen zusätzlichen Anpressdruck am Vorderrad von satten 30 Kilo. Das soll zum einen die Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten erhöhen, zum anderen aber auch beim Einlenken helfen ebenso wie die Wheelie-Tendenz eingrenzen.
Auch im Aero-Update enthalten ist die neue Scheibe. Sie ist nun sowohl steiler als auch höher – schützt den Fahrer dadurch besser vom Fahrtwind und bewirkt zudem einen besseren Aero-Koeffizienten. Mit dem gleichen Ziel wurden auch die Frontschale (pro Seite + 15 mm) sowie die Seitenverkleidung (satte 38 mm pro Seite) breiter. Die neuen Belüftungselemente in den Seitenverkleidungen sollen zudem dazu beitragen, den Motor effizienter zu kühlen.
Erde
Klar, die Winglets sind auf den ersten Blick die grösste Veränderung, aber auch an Chassis, Geometrie und Federelementen hat Ducati umfassend Hand angelegt. So erhielt die Panigale V4 für 2020 den Front-Rahmen der V4 R. Dieser weist deutlich mehr Flex (bis 30 %) auf, als noch jener der ersten V4. Dadurch soll vor allem die Performance in sehr tiefen Schräglagen, in denen die Federelemente ihrer Aufgabe kaum mehr nachgehen können, verbessert werden. Mehr Gefühl fürs Vorderrad auf der Bremse ist dazu eine willkommene Nebenerscheinung.
Ebenfalls dieses Gefühl fürs Vorderrad auf der Bremse und beim Turn-In haben die nun weicheren Federn – die dafür stärker vorgespannt sind – im Blick.
Und auch an der Geometrie wurde geschraubt. Die Gabel steckt nun vier Milimeter tiefer in den Gabelbrücken, das Linksystem wurde verkürzt, sodass das Heck höher steht. Daraus resultiert ein um 5 % höherer Schwerpunkt, was die Agilität der V4 erhöhen soll, auch um den stabilisierenden Effekt der Winglets etwas auszugleichen.
Elektrizität
Drei weitere Neuerungen betreffen schliesslich die Elektronik. So wurden beim Ride-by-Wire neue Strategien hinterlegt. Im Grunde sollen die zu einer vorhersehbareren und sanfteren Leistungsabgabe führen.
Eine Evolutionsstufe weiter sind nun die Traktionskontrolle und der Quickshifter, die nun beide in der aus der Panigale V4 R bekannten Evo-2-Ausführung an Bord sind. Die Traktionskontrolle soll nun noch früher eingreifen und dadurch noch weniger und kürzere Slides zulassen. Das, mit dem Ziel, möglichst wenig Bewegung ins Fahrwerk zu bringen. Ähnliches hat der neue Quickshifter im Sinn, der vor allem in Schräglage besser arbeiten soll, sodass ebenfalls weniger Bewegung ins Fahrwerk kommt.
Königlich Heizen
Um herauszufinden, ob diese Neuerungen wirklich so viel ausmachen, wie dies die Italiener behaupten, sind wir der Einladung der Roten ins Königreich Bahrain gefolgt, wo wir die neue Panigale V4 in der S-Version auf dem Bahrain International Circuit ausgiebig testen konnten. Eins vorweg: Natürlich ist ein Fernvergleich nie einfach, und nein, Ducati hat keine «alten» V4s zum Vergleich mitgebracht. Zum Glück bin ich die Vorgängerin aber im August noch im Rahmen unseres Vergleichstests gefahren und habe sie darum noch ziemlich gut im Kopf. Und ums kurz zu machen: Die neue Ducati Panigale V4 S ist in der Tat einfacher und ermüdungsfreier zu fahren als ihre Vorgängerin.
Der Bahrain Internationl Circuit ist keine Motorrad-, sondern eine Formel1-Strecke. Heisst: Viele schnelle Stellen und sehr harte Bremszonen. Ganze dreimal gibt’s pro Runde Geschwindigkeiten von jeweils über 240 km/h zu vernichten. Am Ende von Start-Ziel sind’s gar gut und gerne 300 km/h, die auf rund 60 km/h am Kurvenscheitel reduziert werden wollen. Kein Wunder also, hat Ducati diese Strecke zur Präsentation der neuen V4 ausgewählt. Wir erinnern uns: Mehr Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten und auf der Bremse, mehr Gefühl fürs Vorderrad in der Bremszone und Einfacheres Einlenken waren drei der Hauptziele bei der Überarbeitung der Panigale V4 für 2020.
Schutz
Den ersten Punkt erfüllt die neue Panigale V4 S dabei bravourös. Selbst bei knapp 300 km/h ist man als Fahrer hinter der Verschalung sehr gut vom Wind geschützt, während die Duc unglaublich stoisch über den bahrainschen Asphalt fliegt. Strecke ich dann zu Beginn der Bremszone Kopf und Oberkörper in den Wind, wird mir erst wirklich bewusst, wie schnell ich eigentlich unterwegs bin.
Beim Griff in die Bremse – nach wie vor Brembo Stylema, nach wie vor hervorragend, meiner Meinung eine der besten Bremsanlagen auf dem Markt – kommt dann doch etwas Bewegung ins Bike. Klar, das Heck wird leicht, die Formel1-Boliden haben ihre Breaking-Bumps – kleine Bodenwellen in den Bremszonen – bereits in den Asphalt gepresst, da ist etwas Bewegung unumgänglich.
Vertrauen
So weit so gut. Nun geht’s ans Einlenken. Nach wie vor – etwas weniger stark – auf der Bremse, lenke ich die Ducati scheinbar nur mit meinem Blick in Richtung Scheitel. Wie willig die Panigale V4 S dabei in Schräglage geht und sich präzise zum Scheitel lenken lässt, ist eine wahre Freude. Das konnte zwar auch schon die alte gut, aber gefühlt nicht so gut wie dieses Gerät.
Richtig spannend wird’s dann bei schnellen Kurven mit tiefen Schräglagen. So sicher habe ich mich bei 180 km/h mit schleifendem Knie schon lange nicht mehr gefühlt. Und die Pani will gefühlt immer tiefer. Das ist kaum erstaunlich, wirken die Winglets doch vergleichbar der Flügel eines Flugzeugs. Bei schnellen Richtungswechseln ist durch ihren Drag zwar etwas mehr Kraftaufwand fällig, dafür helfen sie, noch tiefer zu gehen, wenn die Duc mal in Schräglage ist.
Beschleunige ich dann aus der Kurve raus, kann ich mich auf die Kombination aus Traktions-, Slide- und Wheelie-Kontrolle verlassen. Die funktionieren alle nach wie vor hervorragend. Ob die Traktionskontrolle jetzt wirklich noch feiner regelt, kann ich aus der Entfernung nicht mit Sicherheit sagen, gefühlt hatte ich allerdings weniger Bewegung im Fahrwerk als noch im Sommer auf der Vorgängerin. Um das wirklich objektiv zu beurteilen, müsste man die beiden aber beide am selben Tag, mit dem selben Setup auf derselben Strecke fahren – so bleibt’s nur ein Gefühl.
Die Grenzen der Elektronik
Also alles perfekt? Nein, etwas habe ich doch noch zu meckern. Der Quickshifter ist nicht über alle Zweifel erhaben. Respektive er reagiert so, dass er einem aufzeigt, dass die Elektronik eben doch nicht einfach alles von selbst macht.
Was das heissen soll? Führt man den Schalthebel nicht sauber nach oben, kommt es vor, dass der Sensor des QS zwar einen Gangwechsel erahnt und darum die Leistung für einen kurzen Moment kappt, weil der Hebel aber nicht ganz durchgedrückt wurde, wird der nächste Gang nicht eingelegt. Das führt dann zu einem abrupten Leistungsunterbruch, der nicht nur die Linie versauen, sondern auch die Familienplanung negativ beeinflussen kann. Klar, dem kann mit sauberen Schaltmanövern Abhilfe geschaffen werden. Trotzdem, es gibt Systeme, die dieses Problem weniger stark zu Tage bringen als jenes der Ducati.
Die richtige Richtung
Abschliessend lässt sich sicher sagen, dass Ducati die Panigale V4 sinnvoll überarbeitet hat. Statt nach noch mehr Leistung zu suchen, haben sie die Fahrbarkeit verbessert. Das kommt Amateuren – sie kommen schneller zurecht – genauso wie Profis – sie können länger schnell fahren – gleichermassen zugute. Klar ist aber auch, dass der Schritt von der 2018er-V4 zur 2020er-V4 im Vergleich zu dem von V2 zu V4 ein verhältnismässig kleiner ist – aber definitiv einer in die richtige Richtung.
Bilder: Thomas Maccabelli / Milagro