Domi Aegerter: el campeón olvidado
Domi Aegerter wurde 2021 Supersport-Weltmeister und MotoE-Vizechampion. 2022 führt er in Supersport-WM und MotoE-Weltcup überlegen. Nur interessiert’s niemanden.
Wenn man Domi Aegerter im Winter prophezeit hätte, er würde 9 der ersten 10 Supersport-WM-Läufe gewinnen und den MotoE-Weltcup vier Rennen vor Schluss mit 31,5 Punkten Vorsprung anführen, hätte er das sofort unterschrieben. Denn mit den ehemaligen Moto2-Fahrern Lorenzo Baldassari und Nicolo Bulega kam starke Supersport-Konkurrenz, zudem wusste niemand, wie stark die Neuzugänger Ducati, Triumph und MV Agusta gemäss dem neuen Reglement sein würden.
Aegerter clever – Schritt für Schritt
Trotz dieser gnadenlosen Dominanz blieb der publikumsnahe Aegerter auf dem Boden: «Klar, in der MotoE sind nur noch 4 Rennen zu fahren, da beginne ich schon ein bisschen an den Titel zu denken. Aber in der Supersport-WM sind erst 10 von 24 Rennen gefahren. Meinen Vorsprung kann ich an einem einzigen Wochenende verlieren. Das Beste ist, fleissig weiterzuarbeiten, sich auf das nächste Rennen zu konzentrieren und immer das Podium als Ziel zu setzen. Auch mit einem vierten oder fünften Platz kann man je nach Verlauf des Renn-Weekends mal zufrieden sein.»
Mehr Beachtung dank Hubraumöffnung für Aegerter?
Der 31-jährige Rohrbacher hat gehofft, dass das ab 2022 hubraumoffenere Reglement der Supersport-WM mehr Beachtung bringt. Das scheint aber zumindest in der Schweiz kaum der Fall zu sein, wie Aegerter im untenstehenden Interview erklärt. Immerhin ist Aegerter zufrieden, dass die Chancengleichheit gewahrt blieb. «Es wäre kaum verständlich, wenn die neuen Zwei- und Dreizylinder mit mehr Hubraum gleich auf Anhieb alles in Grund und Boden gefahren hätten. Aber die V2-Ducati wird stärker. Auf flüssigen Strecken bin ich mit dem hochdrehenden 600er-Vierzylinder stark, auf verwinkelten Kursen kommt der Ducati ihr hohes Drehmoment zugute.»
Dominique Aegerter, angesichts deiner überragenden Leistungen müssten die Superbike-WM-Teams reihenweise an deine Tür klopfen.
Schön wär’s. Tatsache ist, dass gar nichts läuft. Nichts, absolut tote Hose. Keine Angebote, keine Anfragen, keine Kontakte. Auch medial läuft ausserhalb der Fachpresse nichts. Die breite Öffentlichkeit kriegt von meinen Leistungen kaum etwas mit. Auch das Schweizer Fernsehen bringt leider kaum je etwas von meinen Supersport-WM-Erfolgen, der Sender ist auf Sparkurs und in Sachen Motorradrennsport personell ausgedünnt.
Ein Weltmeister, der keine oder kaum mediale Resonanz erfährt. Das ist krass.
Ja, echt krass. Bereits letztes Jahr, als ich sechs Rennen hintereinander gewann und – obwohl ich bei zwei Rennen fehlte – mit fast 100 Punkten Vorsprung Supersport-Weltmeister wurde, bekam das praktisch niemand mit. Selbst innerhalb der Szene sorgten meine Leistungen kaum für Beachtung, für die meisten schien das irgendwie normal zu sein. Dieses Jahr geht’s in gleichem Stil weiter. Traurig, aber wahr.
Das hilft dir kaum, für 2023 einen Platz in der Superbike-WM zu finden.
Nicht unbedingt. Ich bin schon etwas frustriert, das gebe ich offen zu. Ich bringe die geforderte Leistung, bin konstant der Beste der Welt, aber die Wertschätzung fehlt. Umso mehr hat es mich vor einigen Wochen gefreut, wie mich die 12‘000 Fans beim Gaststart am Motocross Muri gefeiert haben, das war echt Balsam auf die Seele.
Früher hast du mit Podestplätzen bei den hoch dotierten 8h von Suzuka geglänzt.
Schon, aber das war mit dem Honda-Werksteam. Yamaha tritt werksseitig nicht an, die andern Topteams sind besetzt. Ich habe zwar ein Angebot eines Yamaha-Privatteams erhalten, aber mit diesem Material könnte ich nicht ums Podest kämpfen. Und das würde mir kaum etwas bringen.
Dein erklärtes Ziel bleibt trotzdem und weiterhin klar die Superbike-WM.
Natürlich sind wir mit Yamaha im Gespräch, aber sie sagen, dass das Werksteam bereits gesetzt sei (Red.: mit dem Weltmeister von 2021, Toprak Razgatlioglu, und Andrea Locatelli). Und mein Ziel ist klar ein Werks- und kein Kundenteam.
Yamaha-Importeur Hostettler steht aber voll hinter dir.
Die Hostettlers sind genauso rennsportverrückt wie ich und machen, was sie können. Ich bin schon meine ganze Karriere lang Mitglied der iXS-Familie. Peter Hostettler hat im Offroad-Bereich mit der Gründung eines WM-Teams Geschichte geschrieben, aber der extrem aufwendige Strassenrennsport hat seine eigenen Gesetze. Peter Hostettler wird alles daran setzen, seine umfassenden Kenntnisse bei Yamaha einzubringen und Druck auszuüben. Aber zaubern kann natürlich auch er nicht.
Wenn’s nicht klappt mit der Superbike-WM, wie geht’s dann weiter? Etwas verdienen willst du ja sicher auch.
Ich bleibe für alles offen, selbst für ein weiteres Jahr in Supersport-WM und MotoE. Priorität hat aber ganz klar die Superbike-WM. Noch bleibt Zeit, bei einigen Teams fallen die ersten Entscheidungen erst nach dem DoningtonWochenende Mitte Juli. Was das Geld betrifft: Ich bin Lichtjahre davon entfernt, das zu verdienen, was ein durchschnittlicher Profi-Fussballer oder -Eishockeyspieler abräumt. Ohne meine treuen persönlichen Sponsoren ginge es nicht. Von Gage und Prämien allein könnte ich nicht leben, geschweige denn etwas zur Seite legen.
Blickt man mit 31 Jahren bereits in die weitere Zukunft?
Ich denke, wenn alles gut läuft, habe ich als Rennfahrer noch vier oder fünf spannende Jahre vor mir. Nach Abschluss der Karriere kann ich mir vorstellen, als Riding Coach oder in einem Rennteam als Betreuer zu arbeiten.
Info: www.domi77.com