Ducati DesertX im Test mit Video
Die DesertX ist Ducatis Einstieg ins Offroad-Segment. Nach 150 Offroad-Kilometern und unterhaltsamen Strassen-Etappen steht fest: Die DesertX im kultigen Design mischt im Abenteuer-Enduro-Segment auf Anhieb vorne mit.
Mit der neue Ducati DesertX erwacht nach der Honda Africa Twin, der Yamaha Ténéré und der Aprilia Tuareg eine weitere Ikone aus dem Dornröschenschlaf: Die glorreiche Cagiva Elefant 900 Lucky Explorer, die damals vom Ducati-V2 angetrieben wurde und 1990 den Dakar-Sieg eingefahren hatte. So sehr die DesertX der Elefant gleicht, soll sie aber kein Remake sein, sondern ganz einfach an diese Epoche erinnern.
High-Tech Abenteuerenduro aus Bologna (I)
Die Ducati DesertX wird vom neuste Testastretta 11° mit 937 ccm Hubraum und 110 PS angetrieben. Im Vergleich zur Monster oder der Multistrada V2 wurde er aber speziell in den unteren Gängen kürzer übersetzt. Mit den Offroad-Dimensionen 21- und 18-Zoll, den vielgelobten Pirelli Scorpion Rally STR, einstellbarem Kayaba-Fahrwerk mit Federwegen von 230 mm vorne und 220 mm bekennt sich die Ducati klar zum Geländeeinsatz. Mit lediglich 202 kg trocken und einer Sattelhöhe von 875 mm halten sich auch ihre Masse in Grenzen.
Zudem profitiert die DesertX von modernster Elektronik: Kurven-ABS, Traktions-, Motorbrems- und Wheeliekontrolle sowie der bidirektionale Quickshifter arbeiten mit den Daten der Bosch IMU (Inertial Measurement Unit). Die Einstellungen sind wir die vier Motormodi in den 6 Fahrmodi hinterlegt, lassen sich aber auch über das im Hochformat montierten TFT-Display anpassen.
Die Sitzbank der Ducati DesertX ist im vorderen Bereich schmal, so dass ich mit 175 mm Körpergrösse absolut problemlos abstehen kann. Dass sollte auch mit 170 mm klappen. Wenns eng wird kann die tiefere Sitzbank oder der Tieferlegungskit geordert werden.
Bereit für die Sardinien-Rallye
Auf den Spuren der Sardinien Rallye konnten wir die ab Juni erhältliche DesertX bereits testen: 150 km Offroad und 70 km auf den kurvenreichen Strassen. Aufrecht throne ich hinter dem breiten, hoch montierten, für unser Offroad-Abenteuer leicht nach vorn gedreht Lenker. Die Ergonomie passt so auch für die Strasse gut. Trotz vollem Tank lässt sich die DesertX spielerisch und präzise dirigieren. Die vergleichsweise schmale Frontverschalung bietet guten Schutz. Einzig die Schultern und die obere Helmhälfte stehen noch im Wind, Luftverwirbelungen gibt’s keine.
Ab ins Gelände
Nach einer Überführungsetappe setzt der Tourguide den Blinker und wir biegen auf eine staubige Schotterstrasse ab. „Very slippery“ warnt er noch. Ich wähle den Enduro-Fahrmodus in dem der V2 der Ducati DesertX auf 75 PS gedrosselt wird und ABS wie Traktionskontrolle in der Offroadabstimmung mehr Schlupf zulassen.
Und tatsächlich, es ist superrutschig hier: Beim kleinsten Dreh am Gasgriff dreht das Hinterrad durch! Nach ersten Schreckmomenten fühle ich mich aber wohl und schliesse das Gas nicht mehr bei jedem Rutscher, immerhin hat die Ducati ja eine Traktionskontrolle. Und tatsächlich wird das Hinterrad auf wundersame Weise in nicht zu knappem Driftwinkel zurückgehalten, so dass herrlich mit dem Gas gelenkt werden kann. Das Offroad-ABS lässt dabei gerade so viel Schlupf zu, dass die Spur sauber gehalten werden kann.
Ausgeglichen und neutral
Das Handling fällt ausgeglichen und neutral aus. Die DesertX schiebt nicht übers Vorderrad, ist agil und dank serienmässigem Lenkungsdämpfer auch bei Beschleunigen über Unebenheiten stabil. Das Fahrwerk bügelt die meisten Unebenheiten komfortabel weg, bietet aber dennoch genügend Federweg, um gröbere Schläge wegzustecken.
Die Ergonomie in den Rasten stehend ist hervorragend. Der schmale Sattel bietet einen guten Knieschluss. Von den gezackten Rasten bis zum Tank liegen die Beine an einer stufenlosen Oberfläche an. Sie bietet viel Bewegungsfreiheit.
Die kräftigen Brembo M50 Bremsen lassen sind auch auf rutschigem Untergrund sauber dosieren. Der Quickshifter funktioniert super und für langsame Manöver sind die kurze Übersetzung, die einfache Kupplungsdosierung und der enge Lenkeinschlag sehr nützlich.
Ordentlich warmgefahren, finde ich im Fahrmodus «Rally» mit vollen 110 PS und ohne ABS-Regelung am Hinterrad die für mich bevorzuge Einstellung. Von der zusätzlichen Leistung merkt man auf den staubigen Pisten allerdings nicht viel, die Traktionskontrolle bremst sie gleich wieder ein. Wers mag kann die achtfach einstellbare Traktionskontrolle und das ABS auch komplett deaktiviert. Auf die Unterstützung zu verzichten, war mir jedoch kein Bedürfnis.
Heisser Kurvenswing
Auch auf den Asphalt-Etappen begeisterte die Ducati DesertX: leichtfüssiges Handling, trotz weicher Fahrwerksabstimmung klares Feedback und ein erstaunliche hohes Gripniveau der Pirellis. Im Sportmodus hängt der Testastretta direkt aber gut dosierbar am Gas, beschleunigt am Kurvenausgang sportlich – das Hinterrad von der schräglagenabhängigen Traktionskontrolle in Zaum gehalten – und sprinten auf die nächste Kurve zu. Dort beissen die Brembo-Monoblocks ordentlich in die Doppelscheibe und verzögern notfalls vom Kurven-ABS reguliert gut dosierbar und effizient – ein Heidenspass!
Touringqualitäten
Die Ducati DesertX kanns aber auch gemütlich. Der Komfort kommt auf der Abenteuerenduro nicht zu kurz. Sie ist prädestiniert für lange Etappen. Zum entspannten Kurven-Cruisen taugt auch der Touring-Modus mit feinerer Gasannahme und 95 PS gut. In der Agglomeration hat mich der Urban-Modus sehr überzeugt. Angesichts der sehr sanften Gasannahme und der extrem einfach dosierbaren Leistungsentfaltung würde man nie vermuten, auf einem Motorrad zu sitzen, das gleichzeitig derart sportliche Ambitionen weckt.
Die Ducati DesertX ist ein veritables Multitool. Sie reiht sich aus der Ferne betrachtet sehr nahe bei der KTM 890 Adventure R und der Honda CRF1100L Africa Twin ein, fällt mit Fr. 17190.– aber einen 1000er teurer als ihre Konkurrentinnen aus. Ihr Aufpreis dürfte angesichts der gebotenen Performance und dem bereits kultigen Design dem Erfolg nicht im Wege stehen.