BMW R 18: Liebesbrief an die «Üppige»
Tausende Motorräder sind wir schon gefahren, und tausende Testberichte haben wir verfasst. Der in vielerlei Hinsicht imposante Cruiser BMW R 18 animierte uns aber, die Feder für einmal anders anzusetzen.
So, du bist also die «Üppige» aus München. Gut 1800 Kubikzentimeter Hubraum hast du am Leib – ja, ganz schön drall bist du geraten! Ganz anders als die glattgebügelten, gesichtslosen Stromer, die versuchen, die Neuzeit zur Jetztzeit zu machen, setzt du dich mit finessenreich gestalteter Masse in Szene. Alleine schon die Motorstart-Prozedur: Ich muss die Kupplung ziehen, sonst schäumst du nicht auf. Warum? Damit das gewaltige Anlass-Moment mich und dich zusammen nicht auf die linke Seite wirft!
Ja, so geht Leben… Aber du bist kein Haudrauf, nur Muskeln, kein Hirn. Sanft rückt deine Kupplung ein, bestimmt rasten die sechs Gänge. Mustergültig ist deine Gasannahme, je nach Tagesform in «Rock» oder «Roll» – da werden sie aus Milwaukee wohl noch sehr lange neidisch übern grossen Teich schielen ob dieser Kreation eines bajuwarischen Wortkönigs.
Versiert, aber nicht herrisch
Unterwegs auf Landstrassen zeigst du dich anpassungsfähig: Ob «Rock» oder «Roll» überlässt du freundlicherweise mir, nötigst mich nicht. Denn du beherrschst beide Spielarten, magst entspannt cruisen wie dynamisch spurten. Kaum glaublich, welches Inferno sich blitzartig in deinen beiden Masskrug grossen Zylindern aufbaut!
Zugegeben, erst war ich ein wenig enttäuscht, als ich deine Leistungsangaben studiert hatte: 91 PS, das klingt in Zeiten, in denen deine amerikanischen Brüder und Schwestern im Geiste deren 95 mobilisieren, nicht besonders verheissungsvoll. Aber mittlerweile, nach den ersten 250 gefahrenen Kilometern, bin ich wieder entspannt. Denn du zeigst mir nicht nur deine Willigkeit, jederzeit aufs geringste Kommando hin nach vorn zu springen, sondern auch deine Fähigkeit, das wirklich zu tun.
Dabei offenbarst du tiefe Einblicke in dein Innerstes: So viel Drehfreude, notfalls bis hin zum Begrenzer, traut dir niemand zu, der dich nur bestaunt, aber eben nicht gefahren hat. Dabei spüre ich auch, dass du mit meinen doch schon etwas empfindlichen Bandscheiben unerwartet rücksichtsvoll umgehst, wenn ich Kanaldeckel und gezeichneten Asphalt mal nicht sorgfältig umkurve.
Ach ja, Kurven. Du machst ein faires Angebot, lenkst du doch leicht ein und hältst stabil Kurs. Dass ich im Eck doch manchmal geräuschvoller unterwegs bin als mir lieb ist, darf ich aber wohl nicht dir ankreiden, denn die gebotenen 30 Grad Schräglagenfreiheit sind für einen ausgewachsenen Cruiser nicht schlecht. Vielleicht muss eher ich an meiner Einstellung etwas ändern und dich als das nehmen, was du bist, nämlich als einen Cruiser und nicht als R nineT.
Das Detail macht das Ganze
Ein ganz besonderes Kompliment muss ich dir noch wegen deines runden Zentralinstruments machen: Niemand fährt ein schöneres spazieren! Gut anzuschauen, perfekt abzulesen, im Normalfall verschwiegen, aber offenherzig, wenn’s mal nötig ist.
Und dazu deine sichtbar rotierende Kardanwelle, dein augenscheinlich ungefedertes Hinterrad, deine eleganten Gabelhülsen, die Doppellinien auf deinem schwarzen Lackkleid…
Zu guter Letzt: Schon dergestalt, wie du aus den Werkshallen zu Berlin zu mir gerollt bist, gefällst du mir. Schlanke Taille, bemerkenswerter Oberbau, markanter Hintern. Besonders pfiffig, dass ich Hand an dich legen darf, wenn mir danach sein sollte. Gelobt sei die Weitsicht deiner Konstrukteure. In Ewigkeit. Prost!
Erstes Derivat der R 18: R 18 Classic
Die Bayern sprechen bei diesem ersten Ableger von einem «nostalgischen Tourer», der die Anfänge der grossen, tourentauglichen Cruiser zitieren soll. Zielmarkt sind auch hier klar die USA, wo sich gemäss BMW bereits das Basismodell einer sehr grossen Beliebtheit erfreut.
Im Vergleich zur R 18 sind bei der R 18 Classic vor allem der grosse, abnehmbare Windschild, der ebenfalls entfernbare Soziussitz, die Satteltaschen (natürlich abnehmbar), die LED-Zusatzscheinwerfer sowie das 16-Zoll-Vorderrad (130 statt 120 Millimeter breit) prägend. Der mächtige 1802-ccm-Boxer mit 91 PS und 150 Nm Drehmoment bleibt unverändert. Der Tempomat ist bei der «Classic» allerdings serienmässig mit an Bord. Weitere zentrale Unterschiede: 710 statt 690 Millimeter Sitzhöhe, 365 statt 345 Kilogramm fahrfertiges Gewicht.
Bei einem Bike wie der Classic muss das Thema «Customizing» gross geschrieben werden. Entsprechend gibt es für sie (und das Basis-Modell; siehe nächste Doppelseite) eine breite Palette an schmackhaftem Zubehör. Etwa die mit «Roland Sands Design» gestalteten Kollektionen von Alu-Frästeilen «Machined» und «2-Tone-Black». Auch handgefertigte Sitzbänke von «Mustang» sowie «Vance & Hines»-Auspuffanlagen – beides «Made in USA» – werden verfügbar sein. Die «Classic» ist ab 25 900 Franken zu haben.
Info: bmw-motorrad.ch