Aegerter: Für Einsatz bestraft!
Dominique Aegerter hatte beim MotoE-Weltcupfinale in Misano alles gegeben, war in beiden heiss umkämpften Rennen auf Siegeskurs und wurde zweimal des Sieges beraubt; einmal durch die Rennleitung.
Das Weltcupfinale in Misano war ein hochspannender Krimi mit zahlreichen Wendungen, wiederholt ändernden Hauptverdächtigen aber leider keinem Happy End! Rennsport vom Feinsten wurde in der von Kritikern aus «Staubsauger-Rennen» verpönten MotoE-Serie gezeigt.
Intakte Chance
Mit 11 Punkten Rückstand auf Leader Alessandro Zaccone war der Vorjahresdritte, Dominique Aegerter, zum diesjährigen Finale nach Misano, wo die letzten beiden Rennen ausgetragen wurden, gereist. Zum Brasilianer Eric Granado, dem vermeintlich härtesten Gegner, fehlten ihm aber nur gerade 4 Punkte und zum spanischen Titelverteidiger Jordi Torres gar nur drei Zähler. Die Titelchancen waren intakt, aber sicher nicht die Besten.
Da waren’s nur noch Drei
Das änderte sich in Rennen 1 aber rasant! Zaccone flog nämlich bereits in der ersten Kurvenkombination via Highsider ab, konnte das Rennen nicht fortsetzen und schrieb einen Nuller. Sofort war der Titelkampf wieder völlig offen. Aegerter übernahm früh die Führung und war damit bereits in bester Position, die Tabellenspitze zu übernehmen. Torres machte aber mächtig Druck auf Aegerter und fuhr ihm in der vorletzten Runde ins Hinterrad. Der Spanier konnte den Sturz verhindern, verlor aber einige Plätze.
Angreifer und Profiteur
In der letzten Runde setzte Granado, der inzwischen am Hinterrad von Aegerter lauerte, alles auf eine Karte und versuchte den Leader ihn in der letzten Kurve auf der Innenbahn auszubremsen. Granado stürzte, Aegerter konnte die Kollision verhindern, konnte aber den Schwung nicht mit auf die Zielgerade mitnehmen und wurde von Torres, der inzwischen wieder aufgeschlossen hatte, von der Spitze verdrängt. So wurde Aegerter in letzter Sekunde der Tabellenführung beraubt und hatte nun 8 Punkte Rückstand auf den neuen Leader Torres.
Ungünstige Ausgangslage
Torres wäre mit Rang 2 hinter Aegerter also Gesamtsieger. Mit Rang 3 müsste er bei Punktgleichheit allerdings Aegerter den Titel überlassen. Doch Torres setzte sich in Rennen 2 sofort an der Spitze ab. Bis Aegerter die erste Verfolgerposition einnehmen konnte, war Torres bereits um mehr als eine Sekunde enteilt. Doch der Schweizer schloss mit Rundenbestzeiten schnell zum Spanier auf und überholte ihn in der vorletzten Runde. Jedoch war kein Verfolger bis zum Spitzenduo mitgekommen, der Torres hätte auf Rang 3 verweisen können. Dennoch setzte Torres alles auf den Sieg. Insgesamt achtmal wechselten die beiden Kontrahenten die Führung (!). wodurch die Verfolger tatsächlich beinahe wieder in Schlagdistanz kamen.
Harte Bandagen
Es war klar, dass sich in diesem Kampf keiner mit Rang 2 geschlagen geben wollte. Dies, obwohl Torres Rang 2 zum Gesamtsieg gereicht hätte. Torres hatte sich bei seinem letzten Überholmanöver einige Meter Vorsprung erkämpft, doch der Domifighter kämpfte sie in extremis zurück. Aegerter setzte drei Kurven vor dem Ziel erneut zum Überholmanöver an, zog auf der Bremse vorbei, konnte die Ideallinie allerdings nicht halten. Es kam zur Berührung, bei der Torres stürzte. Aegerter blieb sitzen und überquerte die Ziellinie als Erster und konnte doch noch seinen Weltcup-Sieg feiern.
Rennleitung greift ein
Torres war natürlich enttäuscht und wütend und auch der Rennleitung gefiel Aegerters harter Angriff nicht. Und so musste Aegerter seinen Siegerplatz im Parc Fermé auch schon bald wieder räumen! Eine Durchfahrtsstrafe brummte ihm die Rennleitung für «unverantwortliches Fahren» auf. Da Aegerter diese nicht absitzen konnte, wurde sie er mit 38 Strafsekunden belegt! So wurde Aegerter erneut des Sieges beraubt und auf Rang 12 zurückversetzt. Damit war Torres erneut MotoE-Weltcupsieger und Aegerter lediglich Zweiter!
«Torres wusste, dass ich komme!»
Im aufgebrachten Torres-Lager sah man sich in der Empörung bestätigt, während sich Aegerter, um den Sieg betrogen fühlt. Aegerter: «Gestern hatte ich Glück, dass ich nicht von Granado abgeschossen wurde. Heute erwischte ich keinen optimalen Start. Torres hatte schon 1,5 Sekunden Vorsprung. Mein Ziel war klar, das Rennen zu gewinnen. Die Lücke konnte ich auch schnell zufahren. Ich war heute sicher der Schnellste auf der Rennstrecke. Torres griff immer wieder an und überholte, obwohl er für den Gesamtsieg das Rennen nicht hätte gewinnen müssen. Und er wusste, dass ich wieder kommen würde und dass ich auf der Bremse sehr stark bin. Und so stach ich in der drittletzten Kurve wieder rein. Natürlich war ich am Limit, doch ich blieb auf der Rennstrecke. Torres hat mich gesehen, machte zu wenig auf, berührte mein Hinterrad und stürzte. Das tut mir leid, denn ich will nie, dass ein Fahrer wegen mir stürzt.
Ich bin ein fairer Fahrer. Doch im letzten Rennen gibt man in den letzten Kurven alles. Ich wurde bestraft, was völlig unbegreiflich ist. Wir suchten sofort das Gespräch mit der Race Direktion, doch die meinten nur, da wäre nichts zu machen. Sie wollten nicht, dass eine Meisterschaft so entschieden wird. Dass man in der letzten Runde, wenn es um den Titel geht, wenn irgendwie möglich reinsticht, ist doch klar. Den Entscheid finde ich unfair, denn das Rennen soll auf der Rennstrecke entschieden werden, nicht auf dem Papier», erklärte Aegerter sichtlich aufbracht.
«Ich habe viel Show in diese Serie gebracht und alles, definitiv alles, gegeben! Vielen Dank meinen Unterstützern, ich hoffe ihr habe die spannenden Rennen dennoch genossen! Immerhin konnte die Konkurrenz in der Supersport-WM durch mein Fehlen nur bis auf 45 Punkte aufschliessen. Dort werde ich alles geben, um den Titel einzufahren!“