Frauen auf der Rennstrecke unter sich
Wenn Frauen unter sich Motorrad fahren, dann fahren sie entspannter. Und sie gehen anders mit ihren Mitfahrerinnen um als Männer unter sich. Das haben wir anlässlich unseres 2020er Superbikevergleichs, der Mitte August wiederum im Rahmen eines have-fun.ch-Events auf dem Anneau du Rhin über die Bühne ging, gelernt.
Bereits zum dritten Mal hat Peter Studer Mitte August im Rahmen eines Rennstreckentrainings eine reine Frauengruppe angeboten. „Ich hatte einmal den Gedanken, dass wir zu wenig Frauen auf der Rennstrecke haben. Offenbar wird ja etwa ein Sechstel der Motorräder auf Frauen eingelöst, wie ich in Fachzeitrschiften gelesen habe. Und ich habe im Normalfall auf meinen Rennstrecken-Anlässen einen Frauen-Anteil von weniger als fünf Prozent, weshalb ich dachte, dass man da mal was machen müsste.“
Heute mit 30 Frauen
Und so kam es, dass Peter Studer vor drei Jahren zum ersten Mal eine reine „Girls-Gruppe“ anbot, geführt nur von Instruktorinnen und mit einem kleinen Rabatt. „Im ersten Jahr ging das mit nur etwa zehn, zwölf Frauen zuerst einmal in die Hose, was auch nicht anders zu erwarten war. Doch in diesem Jahr sind es bereits 30.“
Ruhig und sachlich
Mit der jetzigen Teilnehmerzal ist Peter Studer sehr zufrieden, wie er bestätigt, und auch damit, wie alles abläuft. „Es ist einfach ruhig, alle sind fokussiert.“ Als die Männer-Gruppen ausgebucht waren, habe es sogar Interessenten gegeben, die bei den Frauen hätten mitfahren wollen, erzählt der Chef von have-fun.ch. Doch er blieb strikt, denn sonst wäre das Ganze ja witzlos.
Das „Problem mit dem Testosteron“ entfällt
„Es ist ernsthaft so, dass wir bei den reinen Frauengruppen das Problem mit dem Testosteron nicht haben“, erklärt Studer. „Das heisst zum Beispiel: eine Frau kann von der Strecke kommen, zu einer anderen hingehen und ihr sagen: ‚du fährst gut Töff!‘.“ Bei Männern fahre der Konkurrenzgedanken praktisch immer mit, was etwa auch dazu führe, dass sich Fahrer in die rote, also die schnellste Gruppe einschreiben, die dann aber doch noch nicht so schnell sind und in der gelben, der mittleren Gruppe, sicher besser aufgehoben wären.
Stimmen von vier Teilnehmerinnen
Wir haben vier Teilnehmerinnen gefragt, was sie von der reinen Frauengruppe beim Rennstreckentraining halten und wie sie überhaupt zum Rennstreckenfahren gekommen sind.
Dominique Winter (52) aus Zug ist Mitglied des MV Agusta Clubs Schweiz. An diesem Trainingsevent nimmt sie zusammen mit ihrem Mann sowie einem weiteren Pärchen aus dem Club teil. Sie selbst fährt auf einer MV Agusta Brutale 1090 RR und ist nun zum vierten Mal auf der Rennstrecke. „Es ist das erste Mal für mich, dass ich in einer reinen Frauengruppe fahre. Es gefällt mir sehr gut, obwohl es einige Frauen gibt, die wahnsinnig gut und viel schneller fahren als ich. Aber ich fühle mich hier etwas weniger gestresst als unter den hormongesteuerten Männern. Ich habe das Gefühl, bei den Männern kommen die Ellbogen mehr zum Einsatz und bei den Frauen geht es etwas rücksichtsvoller zu.“ Egal ob Frauengruppe oder nicht: Gleich bleibe, dass man auf der Rennstrecke immer dazulerne. „Hier kann man sich wirklich auf sich und seine Maschine konzentrieren, da man nicht, wie im Strassenverkehr ständig auf alles Mögliche achten muss. Das bringt definitiv auch sehr viel für die Strasse. Ich würde es allen unbedingt empfehlen.“
Andrea Jakob (24) aus Lyss fährt schon länger Motorrad – eine Kawasaki Ninja ZX-10R. „Ich wollte immer schon mal auf die Rennstrecke, doch kam ich erst im letzten Jahr durch meinen Freund dazu.“ Ihre Erwartungen wurden bestätigt – es gefällt ihr sehr gut und sie möchte unbedingt noch mehr Rennstreckenerfahrung sammeln, sagt sie. „Man lernt hier sehr viel, zum Beispiel bekommt man ein gutes Gefühl fürs Bremsen aus hohen Geschwindigkeiten.“ Diesmal bei Peter Studer ist es ihre Premiere in einer reinen Frauengruppe: „Ich habe das als sehr angenehm und entspannt empfunden.“
Nora Brücker (33) aus dem Fricktal nimmt an diesem Fahrtraining mit einer Suzuki GSX-R750 teil. „Es ist eine K3, also ein 17-jähriges Moped, das merkt man. Sonst fahre ich eine neue BMW S 1000 R. Die K3 hat halt absolut keine Elektronik und das ist für mich eine Umstellung. Aber ich habe sie bewusst als Rennstreckentöff gekauft. Ich wollte herausfinden, wie es ist, mit einem Supersportmotorrad zu fahren und dieses Bike habe ich zu einem guten Preis bekommen. Nun ist halt die Frage, ob ich weiterhin mit dieser Maschine fahren oder will ich doch etwas, was Elektronik hat…“ Von der Frauengruppe bei have-fun.ch ist sie überzeugt: „Ich bin auch schon mit Männern gefahren. Hier ist alles ein wenig entspannter. Es wird tendenziell etwas rücksichtsvoller gefahren und gerade für Anfänger oder wenn man, wie ich, nicht so schnell unterwegs ist, ist das eine gute Sache, weil auch rücksichtsvoller überholt wird.“
Adile Karatas (45) feiert an diesem Event ihre Rennstreckenpremiere: „Ich bin auf have-fun.ch gestossten und habe zuerst einmal das Schräglagentraining probiert. Weiter ging es mit dem Pitbike, weil ich unbedingt das Hanging-Off lernen wollte und dann dachte ich, ich probiere es einfach mal aus, wie es auf der Rennstrecke ist. Und es ist geil! Eine schöne Erfahrung. Aber durch die Hitze heute ist es auch anstrengend.“ Adile ist auf einer Suzuki GSX-R Virus unterwegs und sie würde auf jeden Fall wieder an diesem Event teilnehmen. „Mir gefällt alles hier. Die leute sind locker und hilfsbereit.“ Ohne spezielle Frauengruppe wäre Adile nicht gekommen, sagt sie: „Dazu fehlt mir noch die Erfahrung. Aber so würde ich es nächstes Jahr gleich wieder machen. Ich kanns nur weiterempfehlen.“
Im Eiltempo zur Instruktorin
Sandra Schumacher (31) kommt aus dem gleichen Dorf wie Peter Studer, bei dem sie vor fünf Jahren ihr erstes Schräglagentraining absolvierte. Danach ging es bald zum ersten Mal mit have-fun.ch auf die Rennstrecke und nun ist Sandra bereits ist im dritten Jahr als Instruktorin für Peter Studer tätig. Zudem fährt sie mit ihrer Yamaha R6 hobbymässig Rennen. Was für ein Aufstieg! Was fasziniert sie denn so an der Rennstrecke? „Der Kurvenspeed, das Feeling für Motoren, Beschleunigung und das Handling allgemein – dass man mit einem Fahrzeug schnell um Kurven fahren kann.“ Sandra, die sonst auch als Instruktorin in gemischten bzw. Männergruppen tätig ist, sagt zur reinen Frauengruppe: „Es ist natürlich anders. Hier ist für mich das Vermitteln der Fahrtechnik besonders wichtig, damit sich niemand am Anfang was Falsches aneignet. Dann kommt der Speed automatisch.“
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