Fahrausbildung ab 11. Mai wieder erlaubt, aber…
Seit dem Start des Lockdowns dürfen Fahrlehrer ihren Beruf nicht ausüben. Am 29. April wurde nun aber bekannt: Ab dem 11. Mai ist die Fahraus- und -weiterbildung unter Einhaltung von Schutzmassnahmen wieder gestattet. Dennoch bleiben Fragen offen, und Neulenker gehen weiter leer aus.
Während das Töfffahren seit Beginn der Corona-Krise in der Schweiz erlaubt blieb und die Händler ihre Werkstätten betreiben und auch Probefahrten anbieten durften, heisst es für das Gewerbe zur Aus- und Weiterbildung im Strassenverkehr seit dem vergangenen 16. März: Die Durchführung von Ausbildungen, Weiterbildungen, Kursen, Prüfungen und Untersuchungen im Strassenverkehr ist aufgrund der Coronavirus-Epidemie untersagt.
Bundesrat lockert schneller als erwartet
Seit gestern (Mittwoch, 29. April) wissen wir, dass die Fahraus- und -weiterbildung ab dem 11. Mai wieder aufgenommen werden darf. Auch sämtliche Kurse aus dem Zweiphasenbereich und der freiwilligen Weiterbildung sowie Verkehrskunde- und Nothelferkurse werden wieder erlaubt sein. Für sämtliche Kurse gilt jedoch, dass die Anzahl der anwesenden Personen (inklusive Kursleiter bzw. Moderator) auf fünf beschränkt werden muss. Zudem müssten, so der Schweizerische Fahrlehrerverband, Schutzkonzepte erstellt werden. Wobei jeder einzelne Betrieb selber für die Erarbeitung des Konzepts verantwortlich sein soll. Eine Genehmigung der Schutzkonzepte durch kantonale Stellen oder Bundesbehörden sei nicht vorgesehen. Für die Kontrolle seien die Kantone zuständig, heisst es weiter.
«Du wirst gezwungen, daheim zu sitzen!»
Rolf Melliger aus Berikon AG ist seit 35 Jahren Auto- und Töfffahrlehrer. Der Lockdown ging dem Ü-60er an die Substanz: «Die Zeit seit dem 16. März war wirklich sehr schwierig. Du wirst gezwungen, daheim zu sitzen. Psychisch ist das eine enorme Belastung. Am schlimmsten war die Unsicherheit. Wir hörten, dass die Coiffeur-Salons und Gärtnereien wieder öffnen dürfen. Weiter wurden die Lockerungen etwa bei den Schulen und im Detailhandel terminiert. Wie es bei uns Fahrlehrern weitergehen würde, war bis gestern jedoch nie ein Thema und damit völlig unklar. Und diese Ungewissheit war nahezu unerträglich. Hinzu kam natürlich das Unverständnis, warum ich – draussen an der frischen Luft, wo der Sicherheitsabstand problemlos einzuhalten wäre – keine Töffkurse geben darf, während in Branchen, wo das Einhalten der Sicherheitsbestimmungen sicher schwieriger ist, wieder gearbeitet wird. Aber jetzt ist alles klar, und ich bin erleichtert. Wow, bin ich froh, dass ich ab dem 11. Mai wieder arbeiten darf!»
Wie die meisten Selbständigerwerbenden, die nicht arbeiten dürfen, hat auch Rolf Melliger bei der kantonalen Sozialversicherungsanstalt Erwerbsersatzentschädigung beantragt. «Das Administrative ging lobenswerterweise erstaunlich schnell und unkompliziert über die Bühne. Somit kann ich aktuell auf 80 Prozent des versteuerten Nettoeinkommens zurückgreifen.»
Neueinsteiger gehen weiter leer aus
So weit so gut. Wer ihn noch nicht hat, kann also – etwa als Direkteinsteiger ab 25 Jahren – den Lernfahrausweis beantragen und loslegen. Wem der Lernfahrausweis abgelaufen ist, weil er/sie aufgrund des Lockdowns die persönliche Grundschulung nicht fristgerecht absolvieren oder die praktische Führerprüfung nicht ablegen konnte, kann den Lernfahrausweis beim Strassenverkehrsamt dank der Ausnahmeregelung des ASTRA verlängern bzw. erneuern lassen. Apropos: Wer diesen Schritt versäumt und auf der Strasse ohne gültigen Lernfahrausweis erwischt wird, dem droht ein Strafverfahren (Fahren ohne gültigen Führerausweis)!
Bei Neueinsteigern, die keine Fahrpraxis in Form eines bestehenden, gültigen Führerausweises vorweisen können, sieht es dagegen schlecht aus. Denn gemäss unseren Recherchen hat der Bundesrat die Wiederaufnahme der Tätigkeit der Strassenverkehrsämter noch nicht geregelt bzw. terminiert. Das bedeutet, dass bis auf Weiteres – und bis höchstens am 30. September – keine Theorie- und Führerprüfungen abgelegt werden dürfen. Ohne Theorieprüfung gibt’s für Neueinsteiger – freilich sowohl bei Auto wie bei Töff – bekanntlich keinen Lernfahrausweis. Und ohne Lernfahrausweis dürfen sie nicht fahren bzw. ihre praktische Ausbildung in Angriff nehmen.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei den Strassenverkehrsämtern schon bald auch das Prüfwesen wieder hochgefahren wird. Denn der (auch administrative) Druck auf die Ämter nicht nur von Seiten der Fahranfänger dürfte inzwischen sehr gross sein.
Fünfer-Gruppen als grosse Herausforderung
Auch Adrian Suter, Leiter für Bildung und Entwicklung bei TCS Training & Events freut sich über den Bundesratsentscheid, die Fahrausbildung ab dem 11. Mai wieder zuzulassen. Die Sicherheitsauflagen bereiten ihm aber Stirnrunzeln: «Im Rahmen unserer Angebote im obligatorischen Weiterbildungsbereich und der freiwilligen Weiterbildung arbeiten wir in der Regel mit 10 bis 12 Personen. Ab dem 11. Mai dürften wir somit inklusive Lehrperson in Gruppen von maximal fünf Personen arbeiten. Wenn wir die gewohnte Anzahl Firmen- und Privatkunden bedienen wollen, bedeutet das für uns, dass wir quasi das Ausbildungspersonal, die Theorieräumlichkeiten und die Kursstrecken-Infrastruktur verdoppeln müssen. Hinzu kommen die Herausforderungen, die mit den Sicherheitskonzepten einhergehen. Und es bleibt die Frage, wie unsere Kunden auf Kurse mit Schutzkonzept reagieren werden, sprich, wie gross die Nachfrage sein wird.»
Die sechs TCS-Ausbildungszentren sind zurzeit geschlossen – die Mitarbeiter leisten Kurzarbeit, wobei schweizweit rund 100 Instruktoren und Moderatoren betroffen sind. Das TCS-Backoffice arbeite im Hintergrund aber mit Nachdruck daran, Kurse bzw. Teilnehmer umzubuchen. «Bei 930 Kursen, die neu organisiert werden müssen, wird es uns ganz bestimmt nicht langweilig», so Suter, der insofern erleichtert ist, als hierzulande die Option der Kurzarbeit besteht. «Das hilft natürlich, ja, aber der Umsatz fehlt. Gerade die Monate April und Mai sind in unserem Geschäft ausserordentlich wichtig. Die fehlenden Erträge werden wir im weiteren Verlauf des Jahres nicht kompensieren können – die Umsatzeinbussen werden gross sein. Man darf nicht vergessen, dass rund die Hälfte unserer Kunden aus dem B2B-Bereich stammen. Und diese planen nicht selten ein Jahr im Voraus. Was mich allerdings sehr freut, ist, dass unsere Kunden viel Verständnis für die aktuelle Situation aufbringen.»
«Unser Geschäft war noch nie so risikoreich!»
Besonders hart trifft die Corona-Pandemie im Bereich der freiwilligen Weiterbildung die Anbieter von Perfektionstrainings auf Rennstrecken, finden diese doch ausschliesslich im Ausland statt. Peter Studer, Geschäftsführer von «have-fun Fahrtrainings», der im August in unserem Namen auch den moto.ch-Leser-Trackday auf dem Anneau du Rhin hätte durchführen sollen: «Die Situation ist sehr schwierig. Wir müssen Reservationen tätigen und Anzahlungen leisten. Und dies in einer Zeit, in der wir nicht wissen, wann die Grenzen wieder offen sein werden. Werde ich im September etwa nach Cremona in Norditalien reisen können? Und falls ja; werden die Teilnehmer dabei sein? Und was passiert, wenn eine Rennstrecke Konkurs geht? Mit Sicherheit wären dann die geleisteten Anzahlungen, und das sind teils erhebliche Beträge, verloren. In unserem Geschäft war die Situation noch nie so unvorhersehbar und risikoreich wie sie sich jetzt gibt!»