Erster Test: 2024er Street Glide und Road Glide von Harley-Davidson
Harley-Davidson präsentiert mit der 2024er Street Glide und der Road Glide zwei Tourer im neuen Design und mit neuen Top-Features.
In der vergangenen Saison waren die CVO Road Glide und die CVO Street Glide die ersten Touring-Maschinen von Harley-Davidson, welche mit einem radikal neuen Design und beachtlichem Technik-Update aufwarteten. Jetzt kommen Look und Features auch in die Serienproduktion. Die beiden Modelle sind ab sofort ab 30’850 Franken verfügbar. Erster Test in Südfrankreich.
Milwaukee Eight 117
Auf der technischen Seite profitieren die neuen Bikes insbesondere vom Milwaukee Eight-Motor mit 117 Cubic Inches Hubraum, das sind mächtige 1923 ccm. Dieser 45-Grad-V2 bringt es auf sehr stramme 109 PS und noch bärigere 175 Nm Drehmoment. Der Milwaukee Eight 114 mit 1868 ccm Hubraum brachte es noch auf 94 PS und 158 Nm Drehmoment. Und vor zehn Jahren, also im Jahr 2014 trieb die Street Glide noch der Twin Cam 103 mit 1690 ccm Hubraum an, dessen maximale Leistungsausbeute bei 87 PS und dessen Drehmomentspitze noch bei 138 Nm lagen.
Viel Power, viel Kontrolle
Damit rücken auch die Serienmodelle von Harley nun immer mehr in Performance-Bereiche vor, in denen man um gewisse Fahrassistenzen froh ist, besonders, wenn die Wetter- oder Strassenverhältnisse zu wünschen übriglassen. Die 2024er Versionen der Street Glide und der Road Glide erhalten damit zum ersten Mal Fahrmodi, und zwar „Rain“, „Road“, „Sport“ und „Custom“. Ausserdem sind ABS, Traktionskontrolle und Motorschleppmomentregelung an Bord. Die Systeme sind schräglagensensibel ausgelegt und greifen je nach Modus unterschiedlich ein.
Zwei Testreviere
Unsere erste Testfahrt erfolgte in Frankreich zwischen Marseille und Montpellier am ersten Tag auf sehr kurvigen, kleinen Strassen mit viel wechselndem Asphalt, vielen Bodenwellen und Schlaglöchern. Ausserdem folgte auf den trockenen Start ein fieser Nieselregen und in der Folge nasse Strassen in den Hügeln. Am zweiten Tag ging es in den Regionalpark Camargue mit vielen langen Geraden, weiten Kurven und guten und trockenen Asphaltverhältnissen.
Genügend Dampf
Die Power des Milwaukee Eight 117 überzeugt – genügend Dampf ist immer vorhanden. Der Road-Modus erschien uns selbst im Nassen sehr harmonisch mit direktem, aber niemals harschem Ansprechen und trotzdem satter Leistungsentfaltung. Für ein noch sportlicheres Feeling in kurvigem Gelände bietet sich der Sportmodus an, wobei die Ansprache noch etwas direkter und der sprichwörtliche Kick in den Allerwertesten noch etwas stärker ausfällt. Und im Rain-Modus geht alles entsprechend feiner zur Sache. Die vorprogrammierten Modi sind gelungen und stehen den beiden Bikes gut. Wer möchte, kann sich im Custom-Modus die verschiedenen Parameter noch individuell zurechtlegen.
Mehr Sport als Komfort
Auch das neu abgestimmte Fahrwerk macht seinen Job gut. Auf den kurvigen Bergstrecken mit vielen Unebenheiten bleibet sowohl die Street Glide als auch die Road Glide stets sauber in der Spur. Trotz der imposanten Fahrzeugmasse (Street Glide: 368 kg fahrfertig; Road Glide: 380 kg fahrfertig) fällt das Handling selbst in engerem Winkelwerk leicht aus. Hier tragen freilich auch die breiten Lenker dazu bei. Auch das Gefühl für die Strasse passt, man spürt gut, was unter den Rädern passiert.
Aufgrund der betont straffen Auslegung, die angesichts der für Cruiser satten Performance durchaus angebracht ist, werden harte Schläge jedoch ziemlich direkt zum Fahrer weitergereicht.
Bremsen mit Biss
Auch die Bremsen verzögern ordentlich und vertrauenserweckend. Selbst, wenn man zügig auf Kurven zufährt, lassen sich die beiden Bikes präzise verzögern. Das gilt insbesondere für die vordere Doppelscheibe, aber auch die hintere Bremse macht einen guten Job.
Intelligente Kombi
Wer nur hinten bremst, erhält automatisch den passenden Support am Vorderrad und umgekehrt. Das Bremspedal wirkt dabei auch auf die in Fahrtrichtung vordere linke Bremsscheibe und der Handbremshebel wirkt auch auf die hintere Bremsscheibe. Das nicht durch den Fahrer gebremste Rad wird dabei mit jeweils maximal 30 Prozent der vollen Bremsleistung beaufschlagt. Sobald eine Geschwindigkeit von rund 40 km/h (25 mph) überschritten wird, ist das System aktiv. Beim Bremsen aus niedrigeren Geschwindigkeiten lassen sich Vorder- und Hinterradbremse wie bei konventionellen Bremssystemen unabhängig voneinander manuell dosieren.
Fest im Sattel
Die neuen Sättel nehmen ihre Fahrerin oder ihren Fahrer gut auf, bieten sehr guten Support, was angesichts der satten Beschleunigung mehr als willkommen ist. Und die Lenker liegen gut zur Hand. Hier ist festzuhalten, dass der Lenker der Street Glide tiefer angeordnet ist bzw. tiefer baut als jener der Road Glide. Letzterer erinnert schon fast an einen Ape Hanger, wenn auch in sehr milder Ausführung. Uns haben beide Ausführungen gepasst, obwohl der höhere Lenker in Kombination mit der rahmenfest montierten „Shark Nose“ (Haifisch-Verkleidung) der Road Glide bewirkt, dass sich die Road Glide (an der Front) noch handlicher anfühlt.
Einstellbarer Bremshebel
Die Füsse ruhen auf Trittbrettern. Standardmässig verfügen die beiden Modelle über keine Schaltwippen, was angesichts der sportlicheren Auslegung aber durchaus ein Vorteil ist. Zudem bietet sich dem linken fuss so ein grösserer Spielraum zur Positionierung, wenn es mal cruisieger zu und her geht. Besonders erfreulich ist, dass es endlich einen einstellbaren Handbremshebel gibt!
Entertainment-System
Eine weitere grosse Neuerung ist das neue Entertainment-System mit dem 12,3-Zoll-TFT-Farbdisplay. Es nimmt den ganzen Platz zwischen den Lautsprechern in der Frontverkleidung ein und ersetzt die bisherigen Rundinstrumente mit dazwischenliegendem Farbdisplay. Im aktuellen Display stehen drei verschiedene Ansichten zur Verfügung. So bietet etwa die Touring-Ansicht weiterhin zwei „Rundanzeigen“ für Tacho und Drehzahlmesser, also das bisherige Layout, einfach in digital dargereichter Form. Die Ablesbarkeit ist im Gegenlicht genauso gut wie mit der Sonne im Rücken.
Einfache Bedienbarkeit
Auch die Bedienbarkeit über Knöpfe am Lenker geht einfach von der Hand. Im Menü findet man sich ziemlich schnell zurecht. Auch die grosse Navi-Anzeige ist toll. Die Verbindung mit dem Handy ist ebenfalls möglich. So lassen sich z. B. Anrufe tätigen oder auf dem Handy gespeicherte Musik abspielen. Ausserdem ist ein Radio mit UKW und DAB-Empfang verbaut. Aufgrund eines noch ausstehenden Softwareupdates war das Radio auf unseren Testbikes allerdings noch nicht einsatzbereit.
Kritik?
Nicht ganz überzeugen konnten uns die Plastikteile im Cockpit. Die wirken lackiert eindeutig schöner und hochwertiger. Auch der nicht abschliessbare Tankdeckel, der jetzt nicht mehr ein klassischer, verchromter Drehdeckel ist, sondern ein Klappdeckel, wie ihn die meisten Töff haben, irritiert. Allerdings sagen die Verantwortlichen auf Anfrage, dass man dieses Manko – das zumindest diesseits des Atlantiks Verwunderung auslöst – bereits erkannt hat und an einer Lösung arbeitet.
Verfügbarkeit
Die 2024er Street Glide und Road Glide stehen in der Schweiz in diversen Farben ab Donnerstag, 22. Februar, bei den Händlern und zwar zum identischen Preis, der bei 30’850 Franken beginnt.