Ducati Diavel V4: Anabolika
Ducati Diavel V4: Der Knall eines Superbikes gepaart mit der Agilität eines Naked-Bikes und dem Komfort eines Cruisers. So lautet die Zauberformel, nach der Ducati seit inzwischen 12 Jahren die Diavel baut. Und nun ist auch sie reif für den V4-Motor!
Endlich nimmt der 1158 ccm grosse und 168 PS starke V4 mit 126 Nm Drehmoment seine Arbeit ab diesem Jahr nun auch in der Diavel auf, die als «Ducati Diavel V4» ab Ende Februar für 28 690 (Rot) bzw. 28 990 Franken (Schwarz) verfügbar sein wird. Und ja: von der Diavel V4 wird es – zumindest vorerst – sicher keine S-Version geben.
Auch bei der Diavel rotiert die Kurbelwelle rückwärts, was den Kreiselkräften der Räder entgegenwirkt und so ein flinkeres Handling herbeiführt. Ebenfalls clever ist die Abschaltung der hinteren Zylinderbank unterhalb von 4000/min, also bei Ampelstopps sowie tiefen Tempi bzw. geringer Motorlast (bei allen Fahrmodi aktiv). Das spart nicht nur Sprit, die Abschaltung hat auch thermische Vorteile, und der Motor wird geschont. Sodass sage und schreibe 60’000 Kilometer abgespult werden müssen, ehe die erste Ventilspielkontrolle ansteht.
Muskulös, aber nicht übergewichtig
Ebenfalls als Meisterleistung zu klassieren ist die Gewichtseinsparung um 13 Kilo gegenüber der in Pension schreitenden 1260er-Diavel. Fünf Kilo gehen dabei allein aufs Konto des Motors, wobei insgesamt ein fahrfertiges Gewicht von 236 Kilo vorliegt.
Vorn arbeitet eine gefühlt armdicke 50-mm-USD-Gabel; auch das sich neu direkt an der Einarmschwinge abstützende Federbein ist voll einstellbar. Für Umkehrschub sorgen Stylema-Monoblocs mit Radialpumpe, die sich in zwei 330er-Scheiben verbeissen.
Einen guten Komfort versprechen die Sitzhöhe auf 790 mm (+ 20 mm) gepaart mit der um 20 mm verlängerten Sitzkuhle, der um 20 mm näher an den Fahrer herangerückten Lenker sowie der hinten um 15 mm vergrösserte Federweg. Und wenn wir schon beim Sitzen sind: weiterhin serienmässig sind die versenkbaren Sozius-Fussrasten, der ausziehbare Haltegriff hinten und neu auch die Soziusabdeckung.
Geballte Ladung Elektronik
Vier Riding-Modes sind verfügbar beim Ritt auf der Ducati Diavel V4 (Sport und Touring mit voller Leistung, Urban und Wet mit jeweils max. 115 PS). Diese integrieren in sich jeweils spezifisch abgestimmte Parameter für Ansprache bzw. Leistungsabgabe sowie für die Assistenzsysteme Traktionskontrolle, Kurven-ABS, Wheelie-Kontrolle und Launch-Control. Zudem sind ein bidirektionaler Quickshifter und der Tempomat serienmässig mit an Bord.
Dargestellt werden alle Elektronik-Features übersichtlich im neuen 5-Zoll-TFT-Display, das volle Connectivity und – als Option – Turn-by-Turn-Navigation bietet, wobei sämtliche Einstellungen über die umleuchteten Lenkerarmaturen vorgenommen werden.
Selbstbewusster Auftritt
Dass neu ein V4 anstelle des V2 in der Diavel wohnt, lässt sich leicht am pfiffigen Auspuffdämpfer mit vier in Raketenwerfer-Optik angeordneten Auslässen ablesen. Das Tagfahrlicht kommt mit einer neuen Leuchtgrafik mit Doppel-C-Profil, und das Rücklicht – ebenfalls im Doppel-C-Design – setzt sich aus einer originellen Matrix von punktförmigen LED zusammen. Die dynamischen Blinker wurden in den Lenker integriert. Sehr hübsch ist auch die an die XDiavel angelehnte Hinterradfelge mit den fünf ziergefrästen Speichen, auf die der mächtige 240er-Pirelli der Spezifikation Diablo Rosso III aufgezogen ist.
Der Ritt auf dem Jebel Hafeet
Hat die Ducati Diavel V4 ihr prämiertes Handling behalten? Ist der Antritt von ganz unten noch so ungestüm wie mit dem Testastretta-V2? Und ist die Diavel ergonomisch entspannt geblieben? Um diese drei Kernfragen zu beantworten, waren wir mit der Diavel V4 auf einer der exklusivsten Strassen überhaupt unterwegs: Auf der super-kurvigen Bergstrasse über den Jebel Hafeet, ein 1350 Meter hoher Berg bei Al Ain nahe der Grenze der Vereinigten Arabischen Emirate zum Oman.
Zunächst kann generell festgehalten werden, dass der machohaft-athletische Grundcharakter unverändert in die V4-Neuzeit überführt wurde. Der V4 Granturismo nimmt stets sanft Gas an und steht immerzu wie ein Sprinter in Starposition. Tatsächlich fühlt sich der V4 unterhalb von 4000/min mit deaktivierter hinterer Zylinderbank dank Twinpulse-Zündfolge an wie ein V2. Zumindest akustisch. Denn fahrdynamisch ist mit dem Rumgehacke auf der Kette unterhalb von 2500/min definitiv Schluss. Alles ist geschmeidiger, kontrollierter – wenngleich die Drehzahlnadel schon bei 2000/min stehen muss, damit sich der V4 bei seinen inneren Rotationen rundum wohlfühlt. Und auch beim Sound bleibt der V4 Granturismo stets ein Gentleman, was nicht heisst, dass die Klangkulisse langweilig wäre.
Richtig viel Dampf und Elastizität
Der Quickshifter arbeitet in beide Richtungen unabhängig von Drehzahl und Last sehr sanft, gleichzeitig aber präzis und mit einer guten Rückmeldung. Sehr erfreulich: Die Zeiten der müden Kupplungshand gehören definitiv der Vergangenheit an, was bekanntlich ein Kritikpunkt der grossvolumigen Zweizylinder war.
Der Übergang vom Zwei- in den Vierzylinderbetrieb ist tatsächlich nicht spürbar. Wenn überhaupt, wechselt die Oktave von dumpf-grollend zu sämig-röhrend. Und je mehr Drehzahl im mit gutem Kontrast gesegneten TFT-Display angezeigt wird, desto länger zieht es dir die Arme. Wobei sich der Vortrieb aber äusserst linear und damit reproduzierbar manifestiert. Störende Vibrationen? Fehlanzeige! Damit steht fest: Der V4 Granturismo ist deutlich umgänglicher als sein Vorgänger, hinkt diesem bei der Power aber nicht hinterher und ist auch akustisch ein Statement!
Als sehr harmonisch resultiert auch für die sportliche Fahrt der Touring-Modus. Etwas direkter gibt sich die Ansprache, wenn Sport vorgewählt wird. Manifeste Vorteile liegen in diesem Modus aber nur dann vor, wenn man sich – wie wir – auf einem abgesperrten Traum-Asphaltband wie die Jebel-Hafeet-Bergstrasse frei austoben kann.
Chassis: Alles neu und doch gleich
Die Diavel ist erfrischend flink geblieben; fahrdynamisch eine Art Monster auf Steroide. Einlenken geht bereits mit minimalem Kraftaufwand locker-flockig von der Hand. Das Abwinkeln erfolgt linear, und auch in Vollschräglage zieht die Diavel V4 bei anständiger Schräglagenfreiheit einen sauberen und vor allem heissen Strich.
Einzig ein leichtes Untersteuern lässt sich bei zunehmender Schräglage nicht von der Hand weisen, was leichten Druck am Lenker via Kurveninnenhand erfordert. Das Untersteuern spielt aber in die Kategorie «man gewöhnt sich schnell dran und nimmt es dann auch nicht mehr wahr».
Nicht so gelungen sind dagegen die Fussrasten. Wie schon bei den Vorgängerinnen kreuzen die nach aussen spitz zulaufenden Rasten beim Ampelstopp, beim Rangieren und bei der Ständerbetätigung die Waden. Allein schon das Abrunden der Fussablagen würde hier Abhilfe verschaffen. Das wäre es dann aber auch schon gewesen mit den echten Kritikpunkten.
Unglaublich abschliessend, mit welcher Vehemenz die Stylemas an den 330er-Scheiben vorn die Diavel V4 bei der Schubumkehr zusammenstauchen. Wobei von Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage nicht die Rede sein kann. Und auch die 265er-Anlage hinten wird ihrem Namen mehr als gerecht.
Ducati Diavel V4 Fazit
Auch mit V4-Antrieb ist die Diavel eine Diavel geblieben: ungestüm, athletisch, unverfälscht, lautstark. Gleichzeitig aber unverschämt handlich und komfortabel, sodass sie sich für den Dragstrip genauso eignet wie fürs Rastenschleifen am Pass und die ausgedehnte Tagestour mit dem/der Angebeteten. Aus der Portokasse lässt sich die Diavel V4 allerdings nicht berappen.
Info: www.ducati.com