CFMoto 700MT im Test – billig oder günstig?

6490 Franken – diese Zahl musste ich mir während des Tests der CFMoto 700MT immer wieder in Erinnerung rufen. Denn für so wenig Geld, gibt es kaum vergleichbare Motorräder. Hie und da erinnerte mich aber auch die 700MT ganz selbstständig an ihren tiefen Preis…
Als Reiseenduro mit rund 700 ccm Hubraum und knapp 70 PS für unter 6500 Franken steht die CFMoto 700MT aktuell allein da. Die Kawasaki Versys 650 gibt’s ab 9290 Franken, die Suzuki V-Strom 650 ist ab 9495 Franken zu haben, und auch wenn man bereit ist auf Hubraum zu verzichten und zur Honda NX500 greift, muss man mit 8290 Franken mehr hinblättern als für die Chinesin. Selbst wenn wir uns die Konkurrenz aus Asien anschauen, hebt sich die CFMoto klar ab. Die Moto Morini X-Cape gibt’s ab 8590 Franken, die Benelli TRK 702 liegt bei 8799 Franken und sogar die Royal Enfield Himalayan mit ihrem 450er-Motor ist mit 6990 Franken teurer.
- Die Griffheizung gehört zur Standardausstattung.
- Auch die Sitzheizung ist trotz des niedrigen Preises ab Werk dabei.
- Die Scheibe kann manuell in der Höhe eingestellt werden.
Neben dem günstigen Preis wirbt die CFMoto 700MT mit ihrer erwachsenen Optik sowie einer äusserst umfangreichen Serienausstattung um die Gunst der preisbewussten Reiseenduro-Kundschaft. ABS und Traktionskontrolle sind dabei genauso mit an Bord wie ein TFT-Display mit Connectivity, Reifendruckkontrolle, Heizgriffe und Heizsattel, Handschützer, Kofferhalter und USB-Ladebuchsen. Da sind Features mit dabei, die sich oft sogar bei Flaggschiff-Modellen im Zubehörkatalog befinden. Kaum zu glauben, dass die Kalkulation bei diesem Preis aufgeht.
Bekannte Technik
Werfen wir einen Blick auf die zentrale Hardware der CFMoto 700MT gibt’s dann erste Anzeichen, wie die Chinesen diese Maschine so günstig anbieten können. Im Herzen werkelt der altbekannte 693 ccm Reihenzweizylinder, der bereits in älteren CFMoto-Modellen seinen Dienst tat, und sich technologisch stark an noch deutlich älterer Technologie anderer Marken bedient. Angesichts dessen verwundert es denn auch nicht, dass der klassische Gegenläufer (180° Zündfolge) aus knapp 700 Kubik „nur“ 68 PS und 60 Nm Drehmoment generiert.
Zusammen mit dem Stahlrahmen, den erwachsenen Dimensionen und der voluminösen Verschalung dürfte der Motor dabei ein Faktor für das relativ hohe fahrfertige Gewicht von 240 Kilo sein. Im Vergleich zur Vorgängerin mit 17-Zoll-Vorderrad wurde die neue 700MT dabei satte 22 Kilo schwerer, wobei hier sicher auch die sehr umfangreiche Serienausstattung – unter anderem mit Motorschutzbügeln und -Platte sowie Kofferhaltern – mit reingespielt hat. Und auch die hübschen Speichenräder dürften nicht gerade leicht sein.
Die Federelemente sorgen für 150 respektive 148 mm Federweg vorn und hinten. Mit einstellbarer Zug- und Druckstufe an der Gabel und einstellbarer Vorspannung und Zugstufe am Federbein vermögen sie auf dem Papier zu überzeugen. Und auch die beiden Vierkolbenzangen an der Front lassen auf viel Potenzial hoffen.
Zugänglich
So viel zur Theorie. Nun ist es Zeit für unsere Testfahrt in der hügligen portugiesischen Algarve. Beim ersten Aufsteigen macht sich die tiefe Sitzhöhe von lediglich 800 mm direkt bemerkbar. Weil der Sattel aber relativ breit geschnitten ist, komme ich mit 170 cm Körpergrösse trotzdem „nur“ mit beiden Fussballen gleichzeitig zu Boden. Für eine Reiseenduro ist die 700MT in punkto Schrittbogenmass aber durchaus zugänglich.
Dafür dürfte der Kniewinkel für grosse Piloten etwas eng sein, für mich passt der aber ganz gut. Insgesamt sitze ich sehr gerade auf der CFMoto. Dabei wirken Display und Scheibe ungewöhnlich weit entfernt. Ein Blick aufs Profil bestätigt den Verdacht: Der Sattel befindet sich relativ nahe am Hinterrad, der Lenker ist nach hinten gekippt und der Tank eher lang. Ergonomisch ist das kein Problem, wird aber noch Auswirkungen auf die Fahrdynamik haben.
Bequem
Beim Losrollen durch besiedeltes Gebiet gibt sich die 700MT bequem. Die Gasannahme – die war bei früheren CFMotos oft ein Kritikpunkt – ist zwar nicht butterzart, aber dennoch vorhersehbar. Nur in sehr langsamen Spitzkehren im ersten und zweiten Gang lohnt es sich, fürs Gasanlegen die Kupplung zu Hilfe zu nehmen. Bei diesen langsamen Tempi gibt sich die Fahrwerksabstimmung komfortabel und auch der breite, gut gepolsterte Sattel verspricht Langstrecken-Tauglichkeit.
Der Windschutz ist bei Schweizer Landstrassentempo einwandfrei, das TFT-Display gut ablesbar, der Zweizylinder zurückhaltend, aber präsent und Sitz- und Griffheizung sorgen für angenehme Wärme am kühlen Morgen. Dies ist ein Moment, in dem ich mir in Erinnerung rufen muss, dass all das, neu ab Werk, unter 6500 Franken kostet. Echt beeindruckend.
Leistung und Gewicht
Wir biegen ein ins praktisch unbewohnte Hinterland der Algarve und finden uns im Kurvengewirr wieder. Im Vergleich zu den neueren, breiteren Strassen noch weiter südlich, sind die Wege hier oft schmal und die Asphaltqualität divers. Das bedeutet auch, dass wir meist mit Geschwindigkeiten unterwegs sind, die auch in der Schweiz noch erlaubt wären. Dabei geht’s immer wieder auch mal steil berghoch oder wieder runter.
Grade, wenn Höhenmeter gewonnen werden, zeigen sich erste Schwächen der in die Jahre gekommenen Motorplattform. Die 68 PS Spitzenleistung und 60 Nm Maximal-Drehmoment kämpfen im steileren Gelände bei der Beschleunigung der 240-Kilo-Maschine mit der Schwerkraft. Es geht immer anständig vorwärts, sportliche Höhenflüge sind von der CFMoto 700MT aber nicht zu erwarten.
Die Vibrationen des Gegenläufers mit einer Ausgleichswelle halten sich dabei in Grenzen, sind aber dennoch hochfrequenter und darum für die meisten Piloten „nerviger“ als jene der aktuell meist eingesetzten Twins mit 270°-Zündfolge. Wirklich mühsam werden die aber erst bei konstant hohen Tempi von über 120 km/h, wie wir sie bei der Rückkehr über die Autobahn erleben durften.
Einstellbar muss nicht besser sein
Beim zügigen Kurvenritt über die in die Jahre gekommenen Asphaltbänder mit Bremswellen und kleineren bis mittleren Schlaglöchern erinnert mich die CFMoto dann ein erstes Mal von sich aus an ihren tiefen Preis. Während sie sich bei gemütlicherem Tempo und besseren Strassen noch von ihrer komfortablen Seite zeigte, gibt sie diese schnellen Schläge nun relativ direkt an den Fahrer weiter. Auch die Einstellschrauben am Fahrwerk helfen hier nur wenig weiter, was – neben dem günstigen Preis – darauf schliessen lässt, dass die Dämpfung hier mit simplen Nadelventilen ohne parallel geschaltete Shimstacks generiert wird.
Ohne zu weit in die Fahrwerkstechnik abdriften zu wollen, führt das zu einer progressiven Dämpfungskurve, die dann eben dazu führt, dass das Fahrwerk bei Kompressionen und grösseren Bodenwellen zwar bequem ist, bei schnelleren Schlägen aber an den Anschlag kommt. Das ist bei einem Bike für diesen Preis und ohne wirkliche Offroad-Ambitionen natürlich auch nicht anders zu erwarten. Trotzdem finde ich den Hinweis wichtig, dass ein Federelement, nur weil es externe Einstellmöglichkeiten bietet, nicht besser sein muss, als eines ohne Stellschrauben.
Wo die Einstellbarkeit des Fahrwerks dann aber wieder hilft, ist bei der dynamischen Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad. Weil der Sattel der CFMoto 700MT relativ weit hinten positioniert ist, fühlt sich das Vorderrad im Standard-Setup nämlich ziemlich entkoppelt an. Das liegt vor allem daran, dass es räumlich schlicht weit weg vom Fahrer positioniert ist, mit etwas mehr Vorspannung und weniger Zugstufendämpfung hinten können wir das durch mehr dynamisches Gewicht auf der Front aber etwas kompensieren. So oder so lädt die 700MT aber eher zum entspannten Kurven-Surfen, als zum animierten Kurven-Wetzen ein. Bei gemässigtem bis zügigem Tempo macht sie dabei einen guten Job und viel Spass, bei ambitionierterer Gangart kommt sie dann aber an ihre Grenzen.
Fazit zur CFMoto 700MT
Als Sport-Motorrad wurde die CFMoto aber auch nicht konzipiert. Sie soll vielmehr ein zugängliches und günstiges Alltagsmotorrad zum unschlagbaren Preis sein. Und das ist sie. Wer den Töff grundsätzlich primär als Mittel zum Zweck ansieht und die gebotenen Features gegen den Preis aufwiegt, findet mit der 700MT das praktisch perfekte Motorrad. Wer aber vor allem Töff fährt, weil er Spass am Fahren hat, muss bei der CFMoto einige Kompromisse eingehen und wird darum dann trotz des höheren Preises möglicherweise zur Konkurrenz greifen.