CFMoto 675 SR-R im Test – Preis-Leistungs-Wunder?

Supersportler-Optik, 675er-Dreizylinder, 88 PS, 68 Nm, Traktionskontrolle, ABS, TFT Display, Reifendruck-Anzeige, einstellbares Fahrwerk und Vierkolbenzangen-Bremsen – all das gibt’s bei der CFMoto SR-R für 7’590 Franken. Das lässt eigentlich nur zwei Schlüsse zu: Entweder ist das ein absolutes Preis-Leistungs-Wunder oder aber ein absolutes Billig-Bike.
Gleich zwei Motorräder mit dem neuen 675er-Dreizylinder stellte uns CFMoto in Portimao vor – die nackte CFMoto 675 NK und die verschalte CFMoto 675 SR-R. Weil es am Nachmittag, als ich mit der 675 NK unterwegs war, aber schüttete wie aus Kübeln, dreht sich dieser Bericht hauptsächlich um die verschalte CFMoto 675 SR-R. Die Eindrücke zum Motor sind indes eins zu eins auf das Naked Bike anwendbar, da sich der Antriebsstrang der beiden nicht unterscheidet. Die Nackte ist dabei mit einem Preis von 6590 Franken sogar noch 1000 Franken günstiger.
Getestet haben wir die CFMoto 675 SR-R auf der MotoGP-Strecke von Portimao. Das macht richtig viel Spass und lässt Aussagen über die Fähigkeiten der Maschine unter Extrembedingungen zu, aber es verunmöglicht halt auch Aussagen zur Langstreckentauglichkeit genauso wie zur Performance des Fahrwerks auf holprigem Untergrund sowie des Motorrads bei langsamen Tempi. Dieser Bericht ist darum weniger als abschliessender Test zu verstehen, sondern mehr als Erstkontakt mit Testeindrücken zum Rennstrecken- und Sportpotenzial.
CFMoto 675 SR-R: Verarbeitung
Bevor wir uns aber auf die Rennstrecke wagen, nehmen wir die fast schon unverschämt günstige CFMoto 675 SR-R erstmal im Stand in Augenschein. Optisch wirkt die durchaus eigenständig, Ähnlichkeiten gewisser Elemente mit einer italienischen Kleinmarke sind dabei beim Designer zu finden. Der Verantwortliche für die Optik der SR-R war auch schon für das Design der Brutale 800 RR zuständig.
Bezüglich Verarbeitung und Material-Qualität kann die CFMoto ihren tiefen Preis erstaunlich gut verheimlichen. Die Spaltmasse passen, und auch die Kunststoffteile wirken grösstenteils nicht billiger als bei der Konkurrenz im vergleichbaren Preisbereich. Einzig die Rahmenabdeckung unter dem Tank wirkt etwas dünn und Kratzer-anfällig. Dafür sind die Kleber am Tank überlackiert, etwas, das bei günstigeren Motorrädern immer seltener wird. Das TFT-Display ist zwar nicht entspiegelt, kann dafür aber mit hoher Auflösung und aufgeräumtem Design überzeugen.
Auf den ersten Blick weist ausser dem Markennamen also eigentlich kaum etwas darauf hin, dass diese Maschine nur 7590 Franken kostet. Zum Vergleich: Die Triumph Daytona 660 gibt’s ab 10’250 Franken, die Aprilia RS660 in der A2-Version (95 PS) liegt bei 10’995 Franken und auch die Yamaha R7 mit „nur“ 74 PS liegt bei 10’390 Franken. Vergleichbar günstige Sportler findet man sonst eigentlich nur in den tieferen Hubraumklassen. All das bringt aber natürlich nichts, wenn sich die Maschine nicht gut fährt.
Fragezeichen Reifen
Wir starten den ersten Turn auf dem Berg-und-Tal-Kurs von Portimao in der Gruppe hinter dem Guide. Gut, um die Strecke kennenzulernen, gut aber auch, weil die CST-Zweikomponenten-Reifen nicht auf Reifenwärmern stehen. So oder so sind die Gummis Komponenten-seitig das grosse Fragzeichen an der CFMoto 675 SR-R. Die J.Juan-Vierkolbenzangen kennen wir nämlich mittlerweile genauso gut wie die einstellbaren Federelemente von KYB – mit diesen CST-Reifen hat aber niemand in der Box bereits Erfahrungen gesammelt.
Beim eher gemütlichen Kennenlernen der Strecke geben sich die Reifen, genauso wie der Rest des Motorrads, aber absolut unauffällig. Was angesichts des praktisch makellosen Asphalts mit massig Grip auch nicht weiter verwunderlich ist. Einzig die Gasannahme zeigt sich beim Dahinrollen auch auf der 675er von der eher harten Sorte, ist nach wenigen Kurven Angewöhnung hier aber kein Faktor mehr.
CFMoto 675 SR-R: Kerniger Triple
Ab dem zweiten Turn sind wir individuell unterwegs und erhöhen das Tempo deutlich. Zuallererst überrascht dabei der kernige Sound des Triples positiv. Von aussen ist die 675er nicht speziell laut, beim Fahrer selbst kommt aber ein sehr gefälliger Sound an, der Triple-typisch zum Aufziehen anregt. Auch der Vortrieb passt dabei zur Soundkulisse. Natürlich liegen mit 88 PS in Portimao keine Rekordzeiten drin, aber ab rund 5000/min geht’s echt anständig vorwärts.
Der Motor dreht dabei bis rund 11’000/min und bietet damit auch auf der Strecke ein ziemlich breites nutzbares Drehzahlband. Die Leistungsentfaltung ist linear, unter 5000/min hält sich die Beschleunigung jedoch noch eher in Grenzen. Dafür geht’s obenraus echt gut vorwärts. Ende Start-Ziel stehen so maximal 228 km/h im Tacho. Der Quickshifter (nur zum Hochschalten) funktioniert im Trockenen ohne Aussetzer, schaltet aber deutlich spürbar in den nächsten Gang. Die Kollegen, die nachmittags im Regen unterwegs waren, berichteten jedoch von Ausfällen des Quickshifters während der Regenturns. Bei CFMoto ist man sich dieses Problems jedoch bewusst, gut möglich, dass das bis zum Verkaufsstart noch behoben wird.
Flinkes Handling
Auch das Fahrwerk macht auf der Rennstrecke eine gute Figur. Natürlich ist es nicht so knackig wie ein echtes Race-Setup, aber es ist auch nicht so weich abgestimmt, dass bei Lastwechseln unangenehm viel Bewegung ins Motorrad kommt. Wie es mit schlechten Strassen und schnellen Schlägen zurechtkommt, kann ich nach dem reinen Rennstreckentest aber natürlich nicht beantworten, dafür müssen wir auf die Strasse. Für den Streckeneinsatz und die zur Verfügung stehende Leistung passt das aber ganz gut.
Fahrdynamisch hat CFMoto einen guten Mix aus Agilität und Stabilität getroffen, wobei die SR-R insgesamt sicher eher auf der flinken, als auf der stabilen Seite einzuordnen ist. Sie lenkt auch auf der Bremse willig ein, hat kaum Aufstellmoment und lässt sich einfach von einer in die andere Schräglage dirigieren. Beim harten Bremsen wird das Heck teils etwas unruhig, tragisch ist das aber nicht.
Die Reifen können uns bei trockener Strecke und rund 17 Grad – also praktisch idealen Bedingungen – positiv überraschen. Grip und Feedback sind aus der Distanz ehrlich gesagt nicht von Strassen-Sportreifen etablierter Marken zu unterscheiden. So wird die maximale Schräglage denn auch nicht vom zur Verfügung stehenden Grip oder dem Mut des Testfahrers, sondern von den Angstnippeln an den Fussrasten diktiert. Ein Problem, das sich eigentlich problemlos lösen liesse – die Dinger können einfach abgeschraubt werden –, was uns die Gastgeber aber partout nicht machen lassen wollen. «Wegen der Sicherheit», meinen sie.
Anti-Brems-System?
Auf der Bremse gibt sich die CFMoto 675 SR-R etwas zwiegespalten. Eigentlich machen die J.Juan-Zangen einen soliden Job. Sie verzögern anständig und sind gut dosierbar, auch wenn sie – natürlich – nicht mit den knackigen Druckpunkten teurerer Sportbremsen mithalten können. Insgesamt macht die Bremsanlage mechanisch gesehen nichts falsch. Das «Eigentlich» steht aufgrund des nicht rennstreckentauglichen ABS da. Dieses macht auf der Strecke deutlich zu früh auf und gönnt sich dann auch relativ lange, bis es den Bremsdruck wieder aufbaut. Das passiert nicht nur beim harten Ankern, sondern auch, wenn Ende der Geraden das Gas geschlossen und praktisch im gleichen Zug die Bremse angelegt wird. In diesen Momenten macht das ABS dann sogar auf, bevor überhaupt irgendein Bremsdruck aufgebaut wurde und lässt mich teils mit deutlich Speed-Überschuss auf die erste Kurve zuschiessen.
Vor allem diese zweite Eigenart bereitet mir für den Strasseneinsatz etwas Sorgen. Denn auch da kann es vorkommen, dass das Gas schnell geschlossen und sofort gebremst werden muss. Macht das ABS da dann auch so schnell und lange auf, gibt’s bei Schreckbremsungen zwar keine blockierten Vorderräder, aber auch keine wirkliche Verzögerung. Das ist aber ein Punkt, den wir auf der Strasse testen müssen. Es ist auch gut möglich, dass dies nur bei den doch deutlich höheren Rennstreckentempi vorkommt.
Auf der Rennstrecke ist dieses Problem indes schnell gelöst. Die Sicherung fürs ABS kann gezogen werden, ohne andere Systeme zu beeinflussen. Was auf der Strasse nicht nur verboten, sondern auch nicht ratsam ist, sorgt auf der Strecke für klar mehr Präzision und Vorhersehbarkeit auf der Bremse. So sind dann im letzten Turn Geschwindigkeiten und Rundenzeiten drin, die ich einem Bike in dieser Preisklasse niemals zugetraut hätte.
Fazit CFMoto 675 SR-R
Wie eingangs erwähnt, ist es praktisch unmöglich, einen Strassentöff nach einem reinen Rennstrecken-Test umfassend zu beurteilen. Nach diesem Erstkontakt auf der Rennstrecke scheint mir die CFMoto 675 SR-R aber deutlich eher ins Lager Preis-Leistungs-Wunder als ins Lager Billig-Bike zu gehören. Der Motor gibt sich drehfreudig-kräftig und sorgt mit seinem kernigen Sound für Emotionen, der Mix aus Agilität und Stabilität ist gut getroffen und die Ausstattung ist für den Preis eh über jeden Zweifel erhaben. Erweisen sich über die nächsten Jahre nun noch die Haltbarkeit sowie die Verfügbarkeit von Verschleiss- und Ersatzteilen und die Garantieabwicklung als gut, dürfte CFMoto mit diesem neuen Dreizylinder zur harten Konkurrenz für die etablierten Marken werden.
- Das TFT-Display ist hoch aufgelöst, aber nicht entspiegelt.
- Der Quickshifter funktioniert nur beim Hochschalten.
- Die SR-R kommt in drei Farben.