Test: Honda CB1000 Hornet SP
Endlich ist sie da, die ursprünglich bereits für 2024 in Aussicht gestellte CB1000 Hornet von Honda. Das Power-Naked-Bike soll marktseitig am ungebremsten Erfolg ihrer 750er-Schwester anknüpfen. Mit einem Preis ab 10’990 Franken ein durchaus realistisches Szenario, aber hat die grosse Hornet auch fahrdynamisch das Zeug zum Bestseller?
Ein ganzes Jahrzehnt lang hat die im Jahr 2008 lancierte CB 1000 R von Honda das damals wie heute äusserst lukrative Naked-Segment dominiert – beim Absatz und auch fahrdynamisch. Wir erinnern uns: Im Kontext restriktiver werdender Verkehrsbestimmungen begründeten Töff wie die Speed Triple von Triumph oder die Ducati Monster Anfang der 1990er-Jahre das Naked-Volumensegment. Während man die Supersportler immer weniger «fachgerecht» bewegen konnte, versprachen die Power Nakeds eine vergleichbare Performance, bei einer allerdings deutlich komfortablerer Ergonomie.
Honda hat gezögert, kassiert, gezögert…
Alle wollten sich ein Stück des Absatzkuchens sichern, was Ikonen wie die Kawasaki Z1000, die Yamaha FZ1 oder auch die BMW K 1200 R hervorbrachte. Die Speedy wurde emsig weiterentwickelt, ebenso die Monster, von der es ab 2001 mit den S4-Modellen auch Derivate mit dem jeweiligen Vierventil-Superbike-Motor gab. Honda hatte zu dieser Zeit noch das Fiasko der X-11 von 1999 zu verdauen und hielt sich entsprechend zurück. Die 2002 erschienene Hornet 900 war dann ein erster zaghafter Versuch, in der Streetfighter-Ecke Fuss zu fassen. Doch mit ihrem biederen Gewand und den milden 109 PS hatte sie gegen die zähnefletschende Konkurrenz einen schweren Stand und verkaufte sich schleppend. Und als Kawasaki 2003 die Z1000 brachte, war das Schicksal der grossen Hornet besiegelt.
Der weltgrösste Hersteller hatte aus seinen Fehlern gelernt und 2008 mit der CB 1000 R ein Power Naked erfunden, das alles besass, was es für einen Topseller brauchte: Ein unverwechselbares und zeitgemässes Design, einen in allen Lagen bärenstarken und top modernen Motor, der von der damals aktuellen 1000er-Fireblade entliehen wurde, optisch ausgesprochen gelungene Detaillösungen, hohen Bedienungskomfort, eine wertige Ausstattung und nicht zuletzt einen – für damalige Verhältnisse – konkurrenzfähigen Preis von 16’490 Franken.
Die nach der Lancierung folgende Dekade war geprägt von Vergleichstests, bei denen sich die Konkurrenz an der CB 1000 R die Zähne ausbiss. Selbst im Jahr 2015 attestierten wir der Honda noch sehr gute Noten und staunten, wie gut sie trotz ihrer acht Lenze noch mithalten konnte. «Dennoch ist es höchste Zeit für eine würdige Nachfolgerin mit mehr Power und zeitgemässen Assistenzsystemen», hiess es damals allerdings in unserem Fazit. Denn in der Zwischenzeit waren bereits die Hyper Nakeds stark im Kommen. Geschosse wie die Ducati Streetfighter, die BMW S 1000 R, die MV Agusta Brutale 910 oder die Super Duke von KTM.
Wieder verfiel Honda in Lethargie und musste zusehen, wie die Mitbewerber ihre Marktanteile optimierten. Die CB 1000 R war schon längst entthront, da versuchte Honda 2018 den einstigen Bestseller technisch mehr oder weniger unverändert im nicht gerade mehrheitstauglichen «Neo Sports Café»-Gewand quasi aufgewärmt weiter unters Töff-Volk zu bringen. Ohne Erfolg.
Neue Zeitrechnung mit der CB1000 Hornet
Jetzt ist die Marke mit dem Flügel im Emblem zurück. Und zwar mit einem vielversprechenden Konzept, das sehr gut in die aktuelle Zeit zu passen scheint: «Man nehme bewährte, vorhandene Technik mit vernünftiger Performance, garniere sie mit einem scharfen Äusseren, würze hier und dort mit aktuell unverzichtbaren Features nach und verkaufe das Ensemble zu einem höchst attraktiven bzw. aggressiven Preis. Clever daran ist, dass die neue 1000er-Hornet (ab 10’990 Franken) preislich in der oberen Mittelklasse bei der Kawasaki Z900 (ab Fr. 10’590.-) und der Yamaha MT-09 (ab 11’290.- für das 2024er-Modell) positioniert ist, hier mit 152 PS jedoch deutlich mehr Dampf bietet. In der Liga der Hyper-Nakeds will sie gar nicht erst mitspielen, und in der Mittelklasse sind die Japaner mit der CB750 Hornet seit 2023 ja bereits bestens vertreten.
Bewährte Technik nachgewürzt
Die neue 1000er-Hornet soll bereits ab Januar verfügbar sein, und zwar als Basis (in Weiss, Rot und Schwarz) ab besagten 10’990 Franken und als 2000 Franken teurere SP-Variante in Mattschwarz mit goldenen Felgen. Wobei sich der Aufpreis aus einem Plus an Leistung, einem hochwertigeren Fahrwerk sowie dem bidirektionalen Quickshifter ergibt. Doch jetzt eines nach dem anderen…
Der Antrieb stammt erneut von einer Fireblade – diesmal vom 2017er-Modell. Wieder wurde die Topleistung via Steuerzeiten bzw. der Überschneidung zugunsten von mehr Laufkultur bzw. Fahrbarkeit sowie Druck unten und in der Mitte gekappt. Statt Schmiede- kommen übrigens Druckguss-Kolben zum Einsatz. Aus 1000 ccm Hubraum generiert der wassergekühlte DOHC-Reihenvierzylinder mit klassischer Screamer-Zündfolge 152 PS sowie ein maximales Drehmoment von 105 Nm. Beim SP-Modell stehen 157 PS und 107 Nm an, was auf das Wirken einer im Vorschalldämpfer der SP sitzenden Drosselklappe zurückzuführen ist. Auch die Getriebeabstufung wurde hinsichtlich des Einsatzes auf der Strasse optimiert, sprich, für die Gänge zwei bis fünf liegt eine kürzere Übersetzung vor, während die sechste Stufe zwecks mehr Autobahnkomfort länger gewählt wurde.
Standard-Assistenzpaket für die Hornet
Neu ist neben der Assist-Rutschkupplung auch das Elektronikpaket mit Ride-by-wire, das die Riding-Modi «Rain», «Standard» und «Sport» sowie zwei frei konfigurierbare User-Programme umfasst. In die Modi integriert sind eine Traktions-, eine Wheelie- und eine Motorbremskontrolle, wobei die Systeme allerdings ohne Inertialmesseinheit (IMU) auskommen müssen, was natürlich die Kosten senkt. Für den Power-Output stehen drei Stufen zur Auswahl, die Traktionskontrolle arbeitet über einen Abgleich der Raddrehzahlen.
Angewählt werden die Modi – auch während der Fahrt – über einen spezifischen Knopf an der linken Lenkerarmatur. Alle anderen Funktionen, die im 5-Zoll-TFT-Display angezeigt werden – inklusive der Connectivity-Features u.a. mit Turn-by-turn-Navigation – lassen sich via hinterleuchteten Vierachsen-Joystick ansteuern.
CB1000 Hornet mit neuem Skelett
Beim Chassis liegt eine komplett neue Architektur vor: Während die CB 1000 R auf einem Rückgratrahmen aus Aluprofilen aufbaute, erfolgte bei der Neo Sports Café die Umstellung auf den Werkstoff Stahl. Die neue «Kilo-Hornet» setzt beim Rahmen ebenfalls auf Stahl, allerdings auf eine Brückenrahmen-Stahlrohr-Architektur, wobei der Sechzehnventiler auch hier eine mittragende Rolle einnimmt. Vorteilhaft ist bei dieser – freilich preiswerteren – Bauweise, dass der Raum über dem Zylinderkopf komplett frei ist. Die Airbox konnte entsprechend so gestaltet werden, dass die Ansaugluft neu auf sehr direktem Weg in den Zylinderkopf geführt wird. Als weiteren Vorteil nennt Honda die um 70 Prozent gesteigerte Torsionssteifigkeit der allerdings nicht sonderlich hübschen bzw. wertig wirkenden Rahmenkonstruktion. Umso erfreulicher, dass neu eine sehr schöne Aluguss-Zweiarmschwinge zum Einsatz kommt. Auch hier konnten – im Vergleich zur Einarmschwinge der Vorgängerinnen – die Herstellungskosten gesenkt werden.
Federung und Dämpfung obliegen beim Basis-Modell einer voll einstellbaren «Separate Function Big Piston»-Gabel von Showa (41 mm). Das technisch identische Bauteil kommt auch in der SP zum Einsatz – hier allerdings mit golden eloxierten Tauchrohren. Das über ein Link-System angesteuerte Federbein der Basis-Variante (ebenfalls Showa) ist in Federvorspannung und Zugstufe regulierbar. Bei der SP kommt dagegen ein voll einstellbares und in Zusammenarbeit mit Öhlins entwickeltes und dabei laut Honda stark modifiziertes, voll einstellbares TTX36-Federbein zum Einsatz.
Unter dem Strich liegt so ein – Achtung! – vollgetanktes Leergewicht (also mit 17 Litern Benzin, aber ohne Öl, Kühl- und Bremsflüssigkeit) von 211 Kilo vor. 212 Kilo sind es bei der SP, die nicht mit den Nissin-Vierkolbenzangen an den 310-mm-Bremsscheiben anrollt, sondern mit performanteren Stylemas von Brembo mit progressiver Verzögerungskurve. Angesteuert werden die Vierkolbenzangen bei beiden Modellen jeweils von einer Radial-Bremspumpe von Nissin.
Ergonomie: definitiv mehrheitstauglich
Vorweg: Auf unserer 145-Kilometer-Runde durchs hügelige Hinterland von Benidorm an der spanischen Costa Blanca sitzen wir ausschliesslich auf der SP-Version, was für den Schweizermarkt sicher Sinn macht. Wobei unsere SP mit dem spezifisch für den Einsatz mit der 1000er-Hornet optimierten Bridgestone Battlax S22 besohlt ist. Alternativ kann beim Kauf einer CB1000 als Erstbereifung auch der Dunlop Sportmaxx Roadsport 2 aufgezogen sein.
Ich richte mich auf «meiner» Hornet ein und stelle sofort fest: Das ist wie nach Hause kommen nach einem stressigen Arbeitstag. Alles fühlt sich natürlich und einladend an, Abstehen geht bei 174 cm Körpergrösse und den 809 mm Sitzhöhe problemlos mit flach aufgelegten Stiefelsohlen. Wobei der «Rutsch-/Gripkoeffizient» am Sitzbezug ebenfalls gelungen wirkt. Die Lenkerarmaturen sind alle instinktiv und ohne akrobatische Fingerübungen zu bedienen, und auch der Kniewinkel verspricht Komfort. In Bezug auf das Dreieck Lenker-Rasten-Sitz nimmt man eine sportliche, leicht nach vorn orientierte, aber durchaus Tagestour-taugliche Sitzhaltung ein. Alles im grünen Bereich also – übrigens auch bei der Lenkerkröpfung, wobei das Lenkgeweih sicher nicht zu breit ausgeführt ist.
Das TFT-Display gefällt dank starkem Kontrast und makelloser Ablesbarkeit auch bei direkter Sonneneinstrahlung. Für Weitsichtige dürften gewissen Sekundärinformationen allerdings etwas zu klein wirken. Und bei unserer Testmaschine nahm sich das Display beim Umschalten der Modi jeweils eine kleine Bedenkzeit, sodass ich auch mal zu weit gezappt habe und so unwissentlich im bezüglich Vortrieb deutlich beschnittenen Rain-Modus gelandet bin. Schade abschliessend, dass eine Aussentemperaturanzeige mit Abwesenheit glänzt. Und wenn wir schon bei den Kritikpunkten sind: Auch bei den nicht überlackierten Aufklebern selbst am Tank lässt sich der Rotstift ablesen.
Sportliches Herz
In der Summe ist der modifizierte Fireblade-Reaktor ein Gedicht. Unabhängig vom vorgewählten Modus ist seine Ansprache im unteren und mittleren Drehzahlbereich, wo man die Hornet am häufigsten bewegen wird, vorbildlich-sanft. Die Assist-Rutschkupplung bemüht – sofern man sie denn braucht – stets nur zwei Finger und lässt sich bei eher kurzem Dosierweg sauber bedienen.
Insgesamt gute Noten gibts für den bidirektionalen Quickshifter – speziell, wenn die Hornet unter Zug gefahren wird. Bei gemässigten Tempi und im Teillastbereich gönnt sich das System für den Gangwechsel jeweils eine kurze Bedenkzeit. Das passt, aber es gibt schon Systeme – auch in der Mittelklasse –, die diese Kür besser beherrschen.
Die Getriebeabstufung ist passend getroffen, wobei die kürzere Übersetzung der Stufen zwei bis fünf der Hornet sicher gut zu Gesicht steht. Die Leistungsentfaltung gibt sich bis in die Drehzahlmitte schön linear und switcht dann in einen progressiveren Charakter. Die Musik spielt bei der CB1000 im Bereich zwischen 3000 und 9000/min, wobei bereits ab 4000/min nutzbarer Vortrieb ansteht. Am häufigsten wird man den Bereich zwischen 4000 und 8000/min – also die volle Mitte – ansteuern, wobei sich um 6000/min hochfrequente Vibrationen an Sattel und Fussrasten bemerkbar machen. Richtig sportlich wirds ab 7000/min, wobei die Hornet beim Gasaufreissen auch gerne mal das Vorderrad lupft. Zu beachten ist dabei, dass sie über einen verhältnismässig langen Gaszug verfügt. Zu Beginn unserer Testfahrt nutzte ich entsprechend – ohne es wirklich zu merken – «nur» drei Viertel des verfügbaren Gaszugbereichs. Als ich dann das letzte Viertel entdeckte, offenbarte die Hornet willig ihre Verwandtschaft zur rabiaten Fireblade.
Abschliessend zwei, drei Worte zum Sound: Dieser passt sicher zum damaligen Werbeslogan «You meet the nicest people on a Honda». Sprich, sicher nicht aufdringlich. Was aber nicht heisst, dass der Sechzehnventiler nicht mit einer respektablen Klangkulisse aufwarten würde. Speziell ab der Mitte kommt die sportliche DNA des Reaktors auch akustisch sehr emotional, aber eben nicht aufdringlich, zur Geltung.
Überaus luftige Honda CB1000 Hornet
Im Spektrum Handling-Stabilität positioniert sich diese Hornet definitiv eher auf der luftigen Seite, was sicher die Kräfte schont. Tatsächlich reicht nur schon der Gedanke an eine Kurve, und die Hornet lenkt willig ein. Im engen Kurvengeläuf macht sich so – bei aktiviertem Sport-Modus mit direkterer Ansprache – eine gewisse Lebhaftigkeit bemerkbar. Da muss man an den Handgelenken und bei der Gewichtsverlagerung schon Feinfühligkeit walten lassen, um einen sauberen Strich zu ziehen, was wiederum ein Plus an Konzentration fordert. Auch, weil die CB1000 zu leichtem Übersteuern tendiert. Im via Drosselklappenstellmotoren etwas verzögert und damit sanfter ansprechenden Standard-Modus passt es dann deutlich besser. Der Sport-Modus macht demnach primär bei offenen, weiten Kurven Sinn.
Das Setup ist prinzipiell eher straff gewählt, bietet aber dennoch ausreichend Komfort für eine unangestrengte Tagestour. Die Federelemente lassen in puncto Dämpfungseigenschaften und Dämpfungsvermögen keinerlei Wünsche offen und liefern – in enger Kooperation mit den piekfeinen und griffigen S22-Gummis – ein höchst-transparentes Feedback, was richtig viel Vertrauen schafft. In puncto Fahrwerk hat Honda bei der 1000er-Hornet die Hausaufgaben also definitiv gewissenhaft gemacht, wenngleich sich ein leichtes Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage nicht ganz von der Hand weisen lässt. Fährt man normal bis sportlich, passt alles. Nimmt man das Messer zwischen die Zähne – die grosse Hornet zeigt sich in diesem Modus ganz sicher nicht abgeneigt –, brauchts einfach etwas mehr Konzentration.
Wie beim Motor werten wir diese Eigenschaften in der Summe jedoch nicht als Kritik, sondern als Charaktereigenschaft – als eine Art puristischen Einschlag. Denn wir sprechen hier definitiv nicht von Sachverhalten, die stören oder übermässig nervig sind. Nichts, an was man sich nicht gewöhnen könnte.
Bremsen: für alle was dabei
Bleiben die Bremsen, die Honda in Zusammenarbeit mit Brembo bestens hinbekommen hat. Denn der Initialbiss ist nicht übertrieben aggressiv und ist somit einsteigertauglich. Gleichzeitig aber nicht zu weichgespült, sodass auch Sportlernaturen auf ihre Kosten kommen. Die Verzögerung lässt keine Wünsche offen, und auch die Bremskraft ist auf Wunsch definitiv auf Trackday-Niveau. Das abschliessend regelt fein und schafft – zusammen mit der konventionellen, aber gut funktionierenden Traktionskontrolle sowie dem glasklaren Feedback – viel Vertrauen.
Honda CB1000 Hornet – das Fazit
Die CB 1000 R von 2008 war zu ihrer Zeit sehr nah an der Perfektion dran. Was ihr andererseits die Kritik einspielte, etwas unemotional zu sein. Der neuen Hornet fehlt dieser finale Feinschliff, was wir aber nicht als Nachteil werten. Im Gegenteil hat sie eben Ecken und Kanten und wirkt auch ein bisschen unrasiert. Die «Imperfektion» mag eine Folge des Kampfpreises bzw. des angesetzten Rotstifts sein, den man hier und dort sieht und spürt. Aber auch so gilt bei der neuen Hornet: aufsitzen, wohlfühlen, Spass haben! Zwar mit etwas weniger Premium-Anmutung, dafür zum unschlagbaren Preis.
Info: www.hondamoto.ch