In der Schweiz: Indian-Hauptquartier
Wusstet ihr, dass das internationale Hauptquartier von Polaris bzw. Indian Motorcycle in der Schweiz domiziliert ist? Von Rolle im Kanton Waadt aus koordiniert der US-Konzern sämtliche Aktivitäten ausserhalb der USA. Ein Besuch am Genfersee.
Das ist schon einzigartig – zumindest innerhalb der Motorradwelt. Bei der Frage, warum der knapp 9 Milliarden schwere Polaris-Konzern als Nervenzentrum für all seine internationalen Tätigkeiten – ausgenommen sind die USA, Mexiko und Kanada – ausgerechnet die teure Schweiz gewählt hat, antwortet International Vice President Indian Motorcycle Grant Bester besonnen: «Der wichtigste Grund sind sicher die verfügbaren personellen Ressourcen bzw. die Kompetenz. Es fällt uns einfach, in der Schweiz fähiges Personal zu rekrutieren. Essenziell ist sicher auch die Sprachenvielfalt, die in der Schweiz – und ganz speziell hier am Genfersee – definitiv gegeben ist. Inzwischen haben wir in Rolle rund 50 Personen beschäftigt. Sales, Finance, Marketing, Vertrieb, Product Management, alle administrativen Funktionen – das ist alles hier in Rolle unter einem Dach. Zudem werden von hier aus die Werke in Polen und Vietnam gesteuert.»
Der entscheidende Deal mit swissauto
Weiter drängte sich der Standort Schweiz für Indian Motorcycle geradezu auf, weil die Konzernmutter Polaris im Jahr 2010 swissauto aus Burgdorf BE gekauft hat. Also jenes Schweizer Unternehmen, das sich u.a. in Bezug auf die Entwicklung von Motoren international einen (grossen) Namen gemacht hatte. Bereits vor dem Kauf durch Polaris wurden im Kanton Bern Motoren für Indian (und zuvor Victory) massgeblich mitentwickelt.
Polaris: Die Schweiz als idealer Standort
Bester: «Wir haben in Burgdorf eine hochprofessionelle Engineering- und Design-Einrichtung mit rund 30 Mitarbeitern – Tendenz steigend. Wobei das Design-Center eine exakte Kopie unserer Räumlichkeiten in den USA darstellt. Somit sind wir nicht nur sehr flexibel, sondern auch autonom, um in bzw. für unseren Teil des Globus die Fahrzeugentwicklung – Stichwort komplexe technische Homologationen – voranzutreiben. Die strategische Produktplanung und die technische Entwicklung diverser Motorräder wie der FTR oder auch für den Rennsport findet – in Absprache mit Indian USA – also auch massgeblich in der Schweiz statt; zwischen Burgdorf und Rolle, wo wir in Kürze übrigens eine grosse Werkstatt für nationale und internationale Händlerschulungen in Betrieb nehmen werden. Die Technik- und Design-Kompetenz räumlich am gleichen Ort bzw. im gleichen Land zu haben wie die zentrale Verwaltung hat nur Vorteile. Dies ist – neben dem fähigen Personal – also Grund zwei für die Standortwahl in der Schweiz. Des Weiteren bietet dieses Land generell sehr gute Bedingungen bzw. Anreize für Unternehmen, und auch geografisch sind wir hier perfekt gelegen. Sprich mitten in Europa, einem unserer Schlüsselmärkte. Und abschliessend war es für uns als US-Hersteller wichtig, zu verstehen, wie Töfffahrer ausserhalb unseres Heimmarktes denken und das Töfffahren leben. Ja, wir sind ein US-Hersteller, aber wir wollten von Beginn weg sehr offen für andere Einflüsse sein, und die bekommt man nur vor Ort. Man darf nicht vergessen, dass wir inzwischen – nach 10 Jahren – 40 Prozent unseres globalen Absatzvolumens ausserhalb des US-Heimmarktes erzielen.»
Wenn wir schon bei den Zahlen sind: 17 Prozent seiner Erlöse generiert der Polaris-Konzern inzwischen mit der Marke Indian, womit die Motorräder zu einem der wichtigsten Geschäftszweige von Polaris avanciert sind.
Direkter Weg zu Partnern und Kunden
Neben Rolle und Burgdorf gibt es in der Schweiz noch einen dritten Standort – in Mettmenstetten im Kanton Zürich. Hier sitzen Country Manager Switzerland Francesco Marinelli und sein vierköpfiges Team. Denn seit dem 1. Januar 2023 läuft der Vertrieb bzw. die Betreuung des Schweizer Marktes bei Indian nicht mehr über den privaten Importeur Simota, den Grant Bester für seine tolle Aufbauarbeit in den vergangenen Jahren anlässlich unseres Gesprächs immer wieder explizit lobte, sondern über die neu gegründete 100-Prozent-Tochter Indian Motorcycle Switzerland.
«Es war uns sehr wichtig, räumlich nah am grössten Absatzballungszentrum der Schweiz zu sein und damit auch kurze Wege zu unseren Deutschschweizer Händlern zu etablieren. Schweizweit zählen wir derzeit 14 Händlerstützpunkte, wobei wir gerade in der Deutschschweiz noch Entwicklungspotenzial sehen», erklärt Marinelli.
Bester fährt weiter: «Mit der neuen Struktur sind wir nicht nur näher bei den Händlern – hier haben wir klar kürzere und direktere Kommunikationswege –, sondern auch bei den Endkunden. Ihr Feedback ist für uns essenziell, und jetzt haben wir den direkten Draht. Marketingseitig haben wir ganz andere Möglichkeiten und sind entsprechend als Marke mit unseren Produkten im Markt deutlich besser sichtbar. Wichtig ist aber auch die Kostenstruktur. Gerade in unserer Zeit, in der die Preisaffinität innerhalb der Bevölkerung steigt und die Motorräder in der Tendenz immer günstiger werden, bringt die bisherige Vertriebsstruktur Nachteile. Mit unserer 100-Prozent-Tochter Indian Motorcycle Switzerland sind wir schneller, flexibler und effizienter, etwa im Kundendienst, genauso wie beim Marketing, und wir haben weitreichendere Möglichkeiten, unsere Händler auf dem Weg in eine in vielerlei Hinsicht immer herausforderndere Zukunft bei ihrer Entwicklung zu unterstützen.»
Info: www.indianmotorcycle.ch